Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Thode, Henry; Thode, Henry [Editor]
Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 3,2): Der Künstler und seine Werke: Abth. 2 — Berlin: Grote, 1912

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.47069#0187
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
584

Die Chöre der Sibyllen und heiligen Frauen.

nititur attrahere
maximam partem syderum
ad damnatorum numerum
wird er in einem Hymnus von Gregor IX gefeiert: Franciscus prin-
ceps inclytus Signum reale bajulat. Und ähnlich von Jacopone da
Todi in seinem Liede: O Francesco da Dio amato. Es ist diese
heroische Auffassung, die sich Michelangelo zu eigen macht. Wie
allgemein sie auch in seiner Zeit war, zeigt ein Sonett seiner
Freundin Vittoria Colonna (Ausg. Barbera CXX), als dessen Illustra-
tion die Gestalt auf dem Fresko geradezu erscheint:
Den hehren Spuren deines Feldherrn folgend,
Des grossen göttlichen, hast kühn du dich
Gefahr und List und Kämpfen ausgesetzt,
Als einz’ge Waffe nur die Demuth führend.
Die Welt verachtend gingst du nackt und sanft
Mit deinem Kreuz als deinem einz’gen Reichthum
Durch öde Wildniss, um uns so zu zeigen,
Wie Grosses Gnade wirkt im Menschenherzen.
Die Chöre der Sibyllen und Jungfrauen.
Darüber dass die Frauengruppe im Hintergründe aus Sibyllen
besteht, kann kein Zweifel aufkommen: zu deutlich sprechen die
eigenthümlichen Trachten, der Charakter und die Gebärden. Da
es sich aber um blosse Altersunterschiede handelt, lassen sich
Namen nicht ohne Willkür aussprechen. In der Alten zu oberst
könnte man die Cumaea der Sixtinischen Decke wiedererkennen,
in der einen jüngeren mit dem Zopf die Libica, doch hat vermuth-
lich Michelangelo selbst hier gar nicht an einzelne Persönlichkeiten
gedacht.
Auch bezüglich der heiligen Frauen des Neuen Bundes im
Vordergründe wäre man auf blosses Rathen angewiesen. Nur die
vordere, Niobegleiche Gruppe verlangt wegen ihrer vortretenden
Stellung und Bedeutung eine Erklärung. Wieder wie bei den
Propheten und Confessores ist auch hier die Unterscheidung der
beiden Schaaren durch die Stimmung hervorgebracht. Die vor-
christlichen Frauen sind von Erregung, Staunen, Erschrecken
 
Annotationen