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Dürer, Albrecht [Ill.]; Tietze, Hans [Bearb.]; Tietze-Conrat, Erica [Bearb.]
Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers (1): Der junge Dürer: Verzeichnis der Werke bis zur venezianischen Reise im Jahre 1505 — Augsburg: Benno Filser Verlag G.M.B.H., 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.55259#0324
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Stilmerkmale zeigen. Ihre Vorzüge sind ausgesprochen illustrativer Natur; sie grup-
pieren die Figuren mit unbefangener Geläufigkeit im Raum, sie verfügen über eine aus-
drucksvolle Gebärdensprache und besitzen eine bedeutende Fähigkeit zu geistiger Cha-
rakterisierung ; sie bringen mit routinierter Sicherheit komische, dramatische, anek-
dotische Wirkungen hervor. Diese lebhafte Erzählerlaune und unerschöpfliche Phan-
tasie, die den jungen Gesellen befähigte, in ein paar Monaten - und selbst in zwei
Jahren - diese Fülle hervorzusprudeln, hätte Dürer besessen, um nie wieder davon
Gebrauch zu machen; diese Leichtigkeit des Komponierens und Gestaltens hätte er
preisgegeben, um sich in jedem gezeichneten und gedruckten Blatte, das sicher für
ihn beglaubigt ist, mühsam ringend mit Problemen auseinanderzusetzen, die er als
Junger spielend gemeistert hätte. Und wenn er in der Folge zeitlebens gemieden hätte,
was ihm in der Jugend begehrenswert erschienen war, hätte er doch in den illustrativ-
dekorativen Aufgaben für Kaiser Max, die ihn zu ähnlicher Breite der Produktion
nötigten, irgendwie auf den sonst streng versperrten Bilderschatz seiner Jugend zurück-
greifen müssen, statt einen neuen zu sammeln, der freilich organisch aus seinem
sonstigen Werk herauswächst; in den Randzeichnungen des Gebetbuchs lebt kein Zug
der Basler Illustrationen auf. Eine Reminiszenz der Gebetbuchzeichnungen - die
Rückenfigur des Affen auf fol. m v, die auf fol. XIIII im Narrenschiff zurückzugehen
scheint - kann auch anders erklärt werden; das Motiv findet sich auch bei Barthel
Schön (W io), kann also auch sonst im Schongauer-Kreis verbreitet gewesen sein.
Zwei Zeugen stehen gegen Dürers Urheberschaft auf: der junge Dürer, wie wir ihn
aus seinen gesicherten Werken zwischen 1489 und 1494 zu rekonstruieren vermögen,
als einen aufnehmenden und lernenden, um Klarheit und Größe der Form ernstlich
bemühten Jüngling, und der alte Dürer, dessen tiefen Ernst und höchsten Maßstab
jede seiner Arbeiten bestätigt. Von dem einen zum andern führt ein folgerichtiger
und klar überschaubarer Weg, der an den Basler Illustrationen nicht vorbeikommt;
kaum daß ein von ihm abzweigendes Seitensträßlein zu ihnen führt.

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