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Tools & tillage: a journal on the history of the implements of cultivation and other agricultural processes — 7.1992/​1995

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Lühning, Arnold: [Rezension von: Jens-Jürgen Penack, Die eisernen eisenzeitlichen Erntegeräte im freien Germanien]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49004#0132

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120

REVIEWS

res Gebrauchs erlauben, weil die meisten Formen-
gruppen nur wenige Einzelobjekte umfassen (29
Formen mit jeweils 1-5 Objekten, 8 Formen mit
7-10 Objekten, 5 Formen mit 18-52 Objekten),
und weil das gegenwartige Fundbild einerseits
vom Stand der Spatenforschung und andererseits
vor allem von den Faktoren bestimmt wird, die die
Gerate in die Erde gelangen lieEen (Grabsitten,
Siedlungen, Horte etc.).
Erst nach dieser griindlichen Aufbereitung des
Bestandes widmet sich der Verfasser der bis dahin
ausgeklammerten Frage nach den Funktionen der
in den 42 Formengruppen zusammengefaEten Ge-
rate. Er beschreitet dabei zunachst einen experi-
mentellen Weg, indem er Nachbildungen von 10
eisenzeitlichen Erntegeraten, die 10 verschiedene
Formen vertreten, auf ihre Tauglichkeit bei der
Laubernte und beim Getreideschnitt untersucht.
Welche Kriterien die Auswahl dieser Gerate be-
stimmt haben, erfahrt der Leser nicht. Die Resul-
tate der Versuche erwiesen sich nicht in alien Fal-
len als eindeutig: zwei Gerate waren weder fur
Getreideschnitt noch fur die Laubheugewinnung
geeignet, was auf Grund ihrer besonderen Formen
und ihrer Kleinheit auch kaum anders zu erwarten
war, und vier weitere Gerate bewahrten sich nur
bei der Laubernte. Die restlichen Gerate waren
dagegen mehr oder weniger gut fur beide Anwen-
dungsbereiche zu gebrauchen, eins von ihnen au-
Eerdem auch fur das Schneiden von Krautern. Bei
diesem Ergebnis sollte allerdings nicht iibersehen
werden, daE die Formengruppen auch eine Reihe
von Geraten umfassen, die groEer oder kleiner als
die Nachbildungen sind, was naturlich Riickwir-
kungen auf ihre Verwendbarkeit zu dem emen
oder anderen Zweck gehabt haben konnte. Au-
Eerdem wurden die Getreideschnittversuche als
Halmschnitt in einem dichtbestandenen Haferfeld
ohne Unkraut durchgefuhrt und nicht als Ahren-
schnitt bei einem locker bestandenen Getreidefeld
mit dichtem Unterbewuchs, wie es in der Eisen-
zeit wohl eher vorauszusetzen ware. Auf jeden
Fall lassen die Experimente erkennen, daE Form-
kriterien allein zur Funktionsbestimmung nicht
ausreichen und daE stichhaltige Resultate nur zu
erzielen sind, wenn sich die ursprtinghchen Bedin-
gungen, unter denen die Gerate eingesetzt wur-
den, mit geniigender Sicherheit klaren lassen.

Die Funktionsbestimmungen der iibrigen 32
Formengruppen erfolgte auf einem zweiten Weg,
und zwar mit Hilfe volkskundlichen und ikono-
graphischen Vergleichsmaterials und anderer bild-
licher und schriftlicher Quellen. Auch hier bleibt
aus den oben angefuhrten Griinden manches of-
fen. Wirklich eindeutig lassen sich nur die Gerate
der 5 Formengruppen festlegen, in denen die Sen-
sen mit langem Baum und die Bogensicheln zu-
sammengefaEt sind. 7 Formengruppen werden
von Penack als Hausensen (Kurzstielsensen) iden-
tifiziert, mit der Einschrankung allerdings, daE
kleinere Gerate innerhalb dieser Gruppen Haken-
sicheln gewesen sein konnten. Das kann nicht
tiberraschen, weil Hausensen entwicklungsge-
schichtlich gesehen aus den Hakensicheln hervor-
gegangen sind. 11 Formengruppen reprasentieren
vorwiegend Hakensicheln, manche davon konn-
ten aber auch als Laubmesser gedient haben, die
restlichen Formengruppen werden als Laubmesser
oder sehr vage als Specialmesser interpretiert.
Das heiEt aber, daE es sich bei mindestens 10%
des gesamten Fundmaterials, moglicherweise aber
auch betrachtlich mehr, um Laubmesser handelte,
was Riickschltisse auf die Rolle, die Laubheu als
Viehfutter vor allem in der vorromischen Eisenzeit
gespielt haben muE, zulaEt. Praktische Versuche,
bei denen Rinder drei Wochen lang mit Laubheu
gefiittert wurden, bestatigten, daE Laubheu als
zeitweiliger Ersatz fur Wiesenheu und damit zur
Streckung der Futtervorrate durchaus geeignet ist.
Wenn Penack allerdings auf Grund seiner For-
menanalysen und der Ernteversuche zu dem Er-
gebnis gelangt, daE zahlreiche Gerate »funktion-
stechnisch mehrfach zu verwenden waren«, nam-
lich als Hausensen oder Sicheln bzw. als Sicheln
oder Laubmesser oder Krautermesser (S. 96, 113),
so konnte das leicht miEverstanden werden in dem
Sinne, daE ein und dasselbe Gerat heute diesem
und morgen jenem Zweck gedient hatte. Dem war
zweifellos nicht so. Denn auch die Sicheln, Sensen
und Laubmesser der Eisenzeit waren speziali-
sierte, einzeln angefertigte Gerate, in deren For-
menvielfalt sich sowohl die Erfahrungen und
Wtinsche der Benutzer im Hinblick auf den be-
sonderen Verwendungszweck als auch die hand-
werklichen Erfahrungen und Fahigkeiten der
Schmiede widerspiegeln. Zweifellos wtirde diese
 
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