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Ulk: illustriertes Wochenblatt für Humor und Satire — 60.1931

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Hefte 1-5, Januar 1931
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Hat man Ihnen schon zugefflstert, dass...
... der Vergleich zwischen Wirth und Frick eine ge-
heime Abmachung enthält, wonach Wirth sich an einem
Tag jeder Woche des Faschistengrusses zu bedienen und
an einem weiteren Tag unter Heilrufen hundert Knie-
beugen zu machen hat?
*
... Herr von Gontard seinem ehemaligen Angestell-
ten Buller] ab n zu Weihnachten zehn Flaschen Sekt und
eine Kiste Zigarren ins Zuchthaus geschickt hat?
*
. . . in den Filmateliers der Ufa schon wieder fleissig
exerziert wird, um auch im Jahre 1931 gegen den Pazi-
fismus gerüstet zu sein?
... im vierten Reich nur noch Hüte rollen werden,
Weil das dritte Reich die Köpfe bereits abgeschafft haben
Wird?
■v
... Otto Gebühr auf der Flöte ein viel bedeutenderer
Virtuose sein soll, als der Alte Fritz es war?
*
... der Direktor Robert Klein demnächst Goethes
„Faust“ unter dem neuen Titel: „Hat Gretchen das
nötig gehabt?“ herausbringen wird?
... der Magistrat Berlin beschliessen will, jeden
Monatsersten wie Silvester feiern zu lassen, um die Ge-
tränkesteuer ergiebiger zu gestalten?
*
... Verhandlungen im Gange sind, dass im kommenden
Jahr d;e Filmprüf stellen in Verbindung mit dem Aus-
wärtigen Amt Filme in eigener Regie herstellen, um die
Gefahr von Verbeten zu vermeiden?
*
... die Auguren fürchten, dass auf das Jahr des
(nationalsozialistischen) Heils 1930 ein Jahr des kom-
prom’ss’erischen Unheils folgen wird, wenn Dingeldey in
der Silvesternacht nicht sehend wird?

... Hitler seinen Anhängern das Bleigiessen in der
Silvesternacht verboten hat, weil er alles Blei für den
Kampf gegen den inneren Feind aufgespart wissen will?

Zwölfmal Silvester
Am 30. Dezember läutet mein Telephon. Paulchen
Hebenstreit meldet sich: „Guten Tag, Hans. Willst du
morgen mit mir in meiner Klause Silvester feiern oder hast
du schon etwas anderes vor?“
„Natürlich will ich!“ rufe ich zurück. „Wann soll’«
denn losgehen? Um sieben, um acht . . .?“
„Um zwölf!“ sagte er.
„Ist das nicht ein bisschen sehr spät?“ frage ich. „Nachts
um zwölf ist , .
„Wer redet denn von nachts um zwölf!“ unterbricht
er mich. „Wenn ich sage, um zwölf, dann heisst das
mittags um zwölf!“
„Mi—i—itta—ags?“
„Jawohl, mittags. Sei nur pünktlich. Und bring’ was
zu trinken mit, Hans!“
Am nächsten Tage stand ich mittags fünf Minuten
vor zwölf mit etlichen Bouteillen vor Paulchens Tür. Er
hiess mich willkommen, stellte die Flaschen zu einer
respektablen Batterie, die schon vorhanden war, bugsierte
mich in einen wundervollen Klubsessel, bot mir eine
Zigarre an und wandte sich dann zu seinen Radio-
apparaten. Habe ich es vergessen zu erzählen? Paulchen
ist nämlich ein grosser Radioamateur vor dem Herrn.
Er drehte an einigen Schaltern, drückte Knöpfe nieder,
liess Lampen aufleuchten, stimmte ab — und plötzlich
kamen aus dem Lautsprecher englische Worte, ganz deut-
lich: „Ladies and gentlemen! I wish you a happy New
Year!“ Dann hörten wir Glockengeläut, Gläserklingen.
und Stimmengewirr, und Paulchen fragte mich: „Na,
hast du das verstanden?“
„Natürlich!“ gab ich zur Antwort. „Da hat jemand
ein glückliches neues Jahr gewünscht. Aber das ist doch
verfrüht. Es hat doch eben erst eins geschlagen!“
„Bei uns in Deutschland, mein Junge!“ lächelte Paul-
chen. „Was du aber hier hörst, ist der Rundfunksender
Auckland auf Neuseeland. Und dort ist jetzt schon
Mitternacht, wie du hoffentlich noch aus der Schule
weisst. Dort kennen sie jetzt schon Neujahr feiern. Na,
gleichfalls Prosit Neujahr!“
Und wir stiessen auf das Wohl der Neuseeländer an
und hörten ein Stündchen dem Mitternachtskonzert des
Aucklander Senders zu, nicht ohne uns noch einige Male
zuzuprosten. Dann machte sich Paulchen wieder an seinen
Kästen zu schaffen, und bald meldete sich eine ent-

zückende Frauenstimme: „Halloo! Halloo! Ladies ar.3
gentlemen! Sidney is here and wishes you a happy New
Year!“ Glockengeläut, Gläserklingen, Freudenschüsis,
Getöse einer grossen Menschenmenge . . .
„Jetzt sind sie in Australien so weit!“ erklärte Paulchen
und entkorkte die zweite Flasche. „Prosit, alter Junge!
Auf ein glückliches Neues! Wie in Sidney . .“
Ich brauche wohl nicht mehr des langen und breiten
alle Einzelheiten zu schildern. — Sie können sich schon
denken, wie die Sache weiterging.
Als es bei uns vier Uhr nachmittags schlug, feierten
wir mit den Leuten in Palmerston in Nordaustralien Neu-
jahr, um fünf mit denen in Schanghai, um sechs mit den
Mijnheers und Kaffeekcnigen in Batavia; um acht hörten
wir eine englische Kolcnialinfanteriekapelle in Bombay
Neujahrshymnen spielen, um zehn wünschte uns der fran-
zös’sche Sender auf Madagaskar une bonne anee. um
elf liessen wir uns erst von der Radiostation Durban in
Transvaal und dann von der in Kairo beglückwünschen.
Zwischendurch assen wir Pfannkuchen und Heringssalat
und feuerten Salut aus unserer Flaschenbatterie , . .
Und als endlich auch bei uns von allen Türmen die
Neujahrsglocken dröhnten und Paulchens Wirtin an die
Tür klopfte, um mit uns anzustossen ’— da wollte uns
das Aufstehen nur unter erheblichen Schwierigkeiten
glücken.
Mit der halben Welt Neujahr zu feiern, war doch
etwas zu anstrengend gewesen.
Scherben bringen Glück
Endlich, endlich hat der junge Mann, aus der Sintflut
der Arbeitslosigkeit wieder auftauchend, eine Stellung ge-
funden. Er war zwar von Beruf Eisengiesser, aber warum
sollte er sich nicht in einem Porzellanceschäft bewähren?
Leider aber geschah es schon am dritten Tag, dass er ein
kostbares altes Porzellan fallen liess. Es ging in Trümmer,
Haareraufend urd händeringend stürzte der Chef her-
bei: „Für den Schaden müssen Sie aufkommen; ich werde
Ihnen wöchentlich ein Viertel Ihres Lohnes zurückbehalten,
bis die Sache bezahlt ist.“
Der Unglückswurm fragte betreten nach dem Preis des
Porzellans. Der Chef brüllte: „Zweitausend Mark!“
Da murmelte der Arme glückselig: „So hab’ ich also
endlich eine Lebensstellung gefunden!“

Silvester- Visionen

Zeichnungen von Gerhard Holler

„Die Geister, die ich rief, werd’ ich nun nicht las!“


„Ihre linke Seite will ich nicht sehen, Herr Wirth,
aber Ihre rechte fängt an mir zu gefallen.


„Kerl, wann hört er endlich mit seinen Fridericus-Zuckerbäckereien auf?“



„So Weit ist' s in Deutschland gekommen, Mathilde, dass
ausgerechnet uns der Friedensengel erscheint“
 
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