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Nr. 19 ☆ 60. Jahrgang

7. Mai 1931


Jedem das Seine!

Zeichnung von Walter Herzberg

tJhr seid mir beide gleich liebe Kinder — für den einen tu ich was und für den andern fühl’ ich was.™


Volk ohne Raum
Das ist eine ganz und gar unglaubliche Geschichte.
Sieben Oelsardinen lagen in einer kleinen Blechdose und
Weinten ölige Tränen, weil sie sich nicht im geringsten
bewegen konnten.
».Furchtbar eng hier!“ seufzte die eine.
»Ein Skandal, einen so zusammenzupferchen!“ empörte
sich eine zweite.
»Ich werde mal hinausschauen, ob draussen nicht mehr
Platz ist!“ schlug unternehmungslustig eine dritte vor.
Und sie ging. Sie verliess die Büchse, sie schlüpfte durch
den finsteren Stoffbehälter, in dem die Büchse neben an-

deren Dingen lag, sie kroch völlig hinaus...
Flachgedrückt wie ein Blatt Oelpapier kam sie zurück
zu den Genossinnen und berichtete verzweifelt:
„Draussen ist es noch viel schlimmer. Wir fahren näm-
lich in einem Ausflüglerzug.“
Mozart
Das Radio brachte Mozart. Neben mir sass ein Mädchen,
Besuch aus Leipzig. Ihre Kritik erschöpfte sich in der
Feststellung:
„Mozart — der is immer so nuddlich. Awwr mer gann
’m nich beese sein.“

Das Kino-Baby
. Von Nik
Mutti war Herrschaftsköchin,
Soldate war mein Papa.
In einem teutschen Spielfilm
War ich auf einmal da.
Ein Film mit Muskaten und Mägden
Und Kindlein, die daraus entstehn —
Doch wie ich zur Welt gekommen,
Das darf selbst Mutti nicht sehn!
Das hat die Prüfstellentante
Uns leider noch nicht erlaubt.
Die hat so Angst, dass dann Mutti
Nicht mehr an den Klapperstorch glaubt.
Denn eigentlich darf’s uns nicht geben,
Wir wirken „entsittlichend“, ha!
Nur in den Zapfenstreichfilmen,
Da falFn wir vom Himmel, trara!
Denn Köchinnen müssen verliebt sein,
Und Kinder müssen entstehn,
Damit dann die Jünglinge glauben:
Wie ist die Kaserne so schön!
Und Männer und Frauen und Greise
Und Volk und Kaufherr und Graf
Und die „gebildeten Kreise“
Sind alle wie ich noch so brav.
Die Welt ist ein Undenumrauschter
Studentengesangverein,
Mit goldenen Wiener Herzen
Zu Hei—del—berg am Rhein —• —— —
Mit Trommlern, Leutnants, Husaren
Und Mägdlein, herzförmig verliebt,
Und alles schluchzt wonnebesoffen,
Und glaubt, dass es sowas noch gibt!
Und über Onkel und Tante
Al"> Schutzengel heilig und her
Schwebt immer die Filmgouvernante
Mit trüffelnder Nase einher.
Sie schwebt in erhabener Sphäre,
Und züchtig wallt ihr Gewand,
Sie trägt eine riesige Schere
Erziehungsbehufs in der Hand.
Zween blitzeschnaubende Pauker,
Das Klassenbuch unter dem Arm,
Und ein blechdonnernder Schuster
Fungieren als Anstands-Gendarm.
Ich aber bin nicht verboten,
Im Bettchen bet’ ich für sie:
Gott schütze die Zelluloidioten
Und segne die Industrie!

Die Meduse
Der Bankier Meyer hat nebst anderen Bildern im Salon
ein Gemälde hängen, welches das entsetzenerregende
Haupt der Meduse Gorgo darstellt.
Neulich besuchte ein Bekannter den Bankier und entdeckte
bei dieser Gelegenheit das Bild.
„Wohl eine Verwandte von Ihnen?“ erkundigte er sich,
um sofort höflich hinzuzufügen: „LJebrigens eine ent-
zückende Person!“ Spt.

Das Bild
Rübe will einen Rubens kaufen.
Aus privater Hand.
Zehntausend Mark verlangt der Besitzer.
Brummt Rübe: „Lachhaft! Für ein gebrauchtes Bild!“’
J, H. R,
 
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