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Hoover hat gesprochen!
Zeichnung von Walter Herzberg

„Nun ist das Fernsehen endlich erfunden, lieber Curtius — Hoover hat aus Amerika einen Blick
in unsern Kassenschrank getan!“


Städte-Erbauliches
Irgendwelche grossen Tiere aus dem Ausland — weiss
nicht, was für eine Kommission oder Delegation es
gerade war — besuchten eine deutsche Grossstadt.
Nach dem Empfangsfrühstück wurden die Herren in
Autos verfrachtet und durch die Stadt kutschiert, wobei
man natürlich besonderen Wert darauf legte, ihnen recht
zahlreich und eindringlich die Ergebnisse kommunaler
Aufbautätigkeit vor Augen zu führen.
„Hier sehen Sie das Völkerkunde-Museum. In seiner
Reichhaltigkeit das drittgrösste Europas. Erbaut im
Jahre 1924,
Die Herren sahen.
„Wir kommen jetzt am Stadion vorüber, das im Jahre
1925 fertiggestellt wurde. Es ist mit seinen hundert-
fünfzigtausend Sitzplätzen das grösste Stadion Deutsch-
lands und nach dem Urteil der Sportsachverständigen eine
Anlage von absolut vorbildlicher Vollkommenheit.“
Die Herren sahen.
„In diesem in den Jahren 1926'27 erbauten Gebäude-
komplex befinden sich zahlreiche Kongress- und Aus-
stellungshallen, die eine Fläche von siebenunddreissig
Hektar bedecken. Das überragende Bauwerk in der
Mitte ist die Stadthalle mit zehntausend Sitzplätzen, der
grössten Orgel der Welt und einer unvergleichlichen
Akustik.“
Die Herren sahen.
„Zur Rechten sehen Sie das 1928 erbaute Planetarium,
das die Wunder des gestirnten Himmels durch die Firma
Carl Zeiss publik macht.“
Die Herren sahen.
„Links das Hallenschwimmbad Südost, erbaut 1929.

Die darin aufgestellte Wellenmaschine erzeugt Wellen
von drei Meter Höhe und vermittelt Eindrücke, wie sie
sonst nur der Ozean bei Windstärke 1 1 bietet.“
Die Herren sahen.
„Die Riesenkuppeln, die Sie jetzt erblicken, gehören zur
Grossmarkthalle, erbaut im Jahre 1930. Es sind die
grössten freischwebenden Kuppeln der Welt; sie Über-
spannen eine Weite von siebenundsechzig Metern.“
Die Herren sahen . . .
Und dann sahen die Herren noch etwas. Eine Wüstenei,
unkrautüberwachsen, durch schiefe Zäune gegen die
Strasse abgegrenzt. An manchen Stellen Baugruben,
halbausgeschachtet, verlassen. Wo primitive Tore durch
den Plankenzaun in das Innere des Geländes führten,
hingen Schilder: Geschlossen.
Und auf einer grossen Tafel stand zu lesen:
Städtisches Wohnungsbauvorhaben 1931.

Handel und Wandel
In ein Zigarrengeschäft im Osten kommt ein nichts
weniger als begütert aussehender Mann und verlangt
eine Schachtel Zündhölzer. Er bekommt, was er
wünscht — Preis: vier Reichspfennige. Er betrachtet
die gute Ware und meint:
„Die Oesterreicha je’m zu nein Zigaretten mindestens
ebensoville Zündhölzer — da könnten Sie doch zu so
ville Zündhölzer wenigstens eene Zigarette je’m!“
*
Frau Generaldirektor Mange ist beim Einkäufen —
Warenhaus auf, Warenhaus ab. Sie hat in zehn Paket-
ehen gut und gern zwanzig Mark investiert.

Seufzend befrachtet sie ihre vielfältige East: „So gdjl
das Geld zum Teufel — dafür könnte man schon bei'
nahe einen ganzen Tag in Gastein leben!“
*
Am Sonnabend steht am Dönhoffplatz ein tüchtiges weih'
liches Mitglied des Gewerbestandes und preist ein«
Tinktur an, die, wie sie versichert, den Fingernägel
einen geradezu überirdischen Glanz verleiht. Sie kann
sich die Lippen wund und die Arme müd’ reden, das
Geschäft geht nicht.
Davon wird sie natürlich nervös. Und sie schimpft: „IB
seid halt alle keene Kulturmenschen!“
Ein halbwüchsiger Bengel, der vornedran steht, gibt ih(
Antwort: „Wissense, Tantchen, wenn ick meine Nägel
kaue, die schmecken mir ooch, wenn se nich glänzen.“
*
Der prominente Filmschauspieler — wer sonst könnte
es sich leisten? — will sich einen neuen Wagen kaufen.
Er geht zwischen dem feinen Lack der Limousinen.
Kabriolets und Sportwagen so feierlich einher, als ob
eine Kamera in der Nähe wäre. In das ebenfalls nut
scheinbar vorhandene Mikrophon flötet der Herr Ver-
kaufsdirektor höchst persönlich die höchsten Töne des
Lobes, immer wieder neue Variationen der Anpreisung-
Da unterbricht ihn der Prominente: „Donnerwetter, Di-
rektor, es ist doch schade, dass ein Mensch mit Ihrem
[Wortschatz nicht Filmkritiker geworden ist!“
In ein kleines Schuhgeschäft im Norden ist seit geschla-
genen zwei Tagen nicht ein einziger Käufer gekommen.
Endlich tritt ein solide aussehender Mann durch die Tür.
Der Ladeninhaber stürzt ihm vor freudiger Aufregung
fast in die Arme und streichelt geradezu mit seinem Blick
die abgetragenen Schuhe des Mannes: „Was steht dem
Herrn zu Diensten?“
Der antwortet: „Nichts Besonderes! Ich hab’ nämlich
zwei Strassen weiter ein Strumpfgeschäft, und weil ich
gerade vorübergehe, wollt’ ich bloss mal fragen, ob Sie
geradesowenig Schuhe verkaufen wie ich Strümpfe?“
Das Mil jäh
...
Ein Autor preist dem Theaterdirektor sein Stück an:
„Gleich der erste Akt bietet eine Ueberraschung — et
spielt in einem Untersuchungsgefängnis...“
Der Direktor: „Aber lieber Mann, wir müssen Milieus
bringen, die nicht jeder zweite Mensch aus eigener
Erfahrung kennt.“
Nächstenliebe
Wenn einer klagt, wie tröstlich wirkt es dann,
Wenn ihm der treue Nachbar sagen kann:
Ei, guter Freund, so sei doch wieder froh,
Es geht ja vielen Leuten ebenso!
Und hört man gar, es herrsche anderwärts
Noch bitterer Gram, noch herbrqr Schmerz,
Dann spürt der Mensch in angeborner Güte
Bei allem Leid ein Lächeln im Gemüie.
Du schmierst dir Schweineschmalz aufs harte Brot
Und willst gleich schimpfen auf die grosse Not?
Weisst du, der Müller isst nur trockne Wecken,
Wird dir dein Schmalzbrot ausgezeichnet schmecken.
Gerichtsvollzieher kommen in dein Haus?
Bei Schulzens schleppt man schon die Möbel raus.
Unheilbar krank bist du? — Das ist nicht arg.
Ich kenne einen, der liegt schon im Sarg.
Wenn wir das allgemeine Missgeschick
Im deutschen Uaterlande überschlagen,
So dünl(t uns wohl im ersten Augenblick,
Wir hätten viele Gründe, laut zu klag.cn.
Da wird dein Zucker und dein Brot verteuert,
Dein Hund, dein Kopf, selbst dein Getränk besteuert,
Je dreckiger es heut ein Deutscher hat,
Um so robuster schröpft ihn Kater Staat.
Er holt’s von Armen, Kranken, Invaliden, —
Und dennoch, Landsmann, sei nicht unzufrieden!
Schieb Dalles, Sorgen, Aerger mal beiseite:
Auch Oesterreich ringt schmerzlich mit der Pleite.
Es kracht die Bank, es krachen die Geländer,
Und sieh, es kracht auch die Regierung Ender.
Drum, wenn dich Brünings Hungerkur empört,
Wenn im Etat dich Gröners Posten stört.
Nimmst du ein Aergernis an Schieles Zoll,
Erregen Subventionen deinen Groll, —
O, sei nicht böse. Schau gerührt nach Wien —
Dahin, dahin, lass deines Zornes Rauchgewölke ziehrd
Glaub’s, auch in Oesterreich ist man erbost,
Und drüben bist du Deutscher Glück und Trost.
Dort machen sich die Hahnenschwänze mausig,
Flier geht's dank Hitler und dem Stahlhelm lausig.
So freut sich jeder, wie's den andern pufft.
Schuldner an Schuldner schnappen wir nach Luft.
T ob ias.

Für die Redaktion verantwortlich: Dr. Hermann Sinsheimer, Berlin. Einsendungen an den „Ulk“ sind ausschliesslich äh die Redaktion, Berlin SW 100, zu richten; Rück-
sendungen erfolgen nur, wenn ein frankierter und adressierter Briefumschlag beiliegt. Druck und Verlag von Rudolf Messe in Berlin.
 
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