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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Hannoverscher Courier — 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.16730#0001
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5Mffe 'Vitium «rfcfjciut SKorgtn« mib Stbenb«, Sonntag imb SDcontag ritt einmal.
fiU)DiiHrmeiit«S=*rei« b» oierteljät)vlidjer 83oraitebejn^tutig in ^annoore 5 JC, bei arten ^oflnmttrn
ffient(rf)Ianb« 6 Jt 25 4. CCiiijcluc Jfummetn: 3eber Sogt« 5 4.
afttbactivu unb <?$öcbition: (Ofterftrafle 88 in £antiot>er.

3llfertlOU«!®eIiüÖj: für Me *PetitjeiIe ober beten Ütaum: SReflbenjPabt nttb $rouiitj .^oiinoöet 25 4,
oon anfscrBafb ber $to»inj ^nmiottet 35 <J, SRectamen bie breite 3eile 75 4.
f ribnt'Sitjeigen an« ber 9te(iben}fiabt $omiooer im Keinen tocat.Serterjt bie ^etitjeite 15 4,
Sinket 0eit>3T»naT)me bei ber ©rbebition unb ben größeren Sfnnoncen.SBUreau«.

JTl 14110. (33.3ai)rpttg.) gannotaer, Sonntag, i $ttpfi 1886.



$hM #Mite$, 1>vitU$ mit)
wertes matt, @eite 5 m 16 ent-

(Die SEcfcgtamme ttub (Sourfe beftttbett ficlj
im ötetteit JBJntte.)

P^P" SDeftetlwnge» auf beu £)anuoüerfdjcn
Courier für bie üttonate Sluguft unb <2ep*
tcmBer 1886 tuevben bon allen ^oftauftatten
ju 42Rf. 17 unb für bie «Stabt $atmober
in ber ©rpebittott ju 3 3JH. 40 $f. an^e*
n oin men.

©ie gelehrte ffßelt Don ganj ©eutfchlaub tiiftet fldj, um
ein feft p begeben, baS feines ©leiten auf bentfdjem Soben
neefj mct)t gehabt bat. 63 gilt, ba§ fünfbunbertjäbrige Sefteljen
einer hoben Sdjule ber SSiffenfcfjaften 3U feiern, welche ber
glänjenbfte fibelftein ift in bem weiten 9iiuge »onUnioerfitäten,
beren fid) unfer JReidj ju rühmen hat. §eibelberg ift bie britt»
ältefie Uniberfität bteffeits ber Alpen unb be3 3tl)eineS. $rag,
bie ältefie, 1348 oon Äarl IV. geftiftet, hat in unferen Sagen
ihren beutfdjen ßharafter Oerloren, unb bie 1356 gegrünbete
SBiener fjodjfdjule ift eine rein öfterreidjifdje jpfianjftätte ber
äBtffenfd)aften geworben. So bat bie Diuperto»6arola ben be»
rcdjtigten Anfprutf), als bie öltefte ber beutfdjen Uuiberfitütcn
ju gelten, Sie ift Ijerborgegangen aus bem 3n)iefpatt ber
latljolifdjen $ird)e im 14. Satjrbunbert, in weldjem bieSegcn»
häufte etnanber mit Sann unb Unterbiet, mit Slut unb gener
befämpften. ©amalS ftanben Urban VI. unb Klemens VII.
einauber gegenüber, ©er Sßfaljgraf SRupredjt I. hielt ju bem
erfteren; Hjn oerbrofj e§, baß feine nach ©elehvfamfeit ftrebenben
SanbeSfinbet bie Afabemie ju $ariä befudjen foüteu, tteld)e
fid) ju (Siemens VII. gefdjlagen Ijatte.

Obgleich oljne jeben Anflug gelehrter Silbung, Wußte
Sluüredjt bod; bie 2Biffenfd)aften in itjrer örnfftfdjen Söebeui >ng
fdbä^en, namentlid) fiel bei iljm ins ©cmidjt ber Stv|«
fdjtuung, ben ^anbei unb Sßanbel in feinem geliebten ©eibw*
berg burd) ben Sujug ton Rimberten uon Stubenten unb
5ßrofefforen nehmen tnufjtcn. 6r bewarb fid) bei Spapft Urban
um bie ©ene^migung jur ©rridjtung einer Unioerfität; benn
bis jur Sieformation waren biefe $od)fd)uIen im SBefentltdjen
firdjlidje Slnftalten, ju beren Segrünbung e§ ber pityft(id)en
3uftimmung beburfte. Urban VI. beeilte fid), bem äöuufdje
feines treuen StnljängerS p willfahren. ®ie näoftlidje SBuIIe
batirt com 28. October 1385, in bie §änbe 9luüred)t'8 ge«
langte fie jebod) erft am 24. 3uni 1386; jwei Sage baraitf
befdjlofj ber Sßfatjgraf im SBerein mit feinem Neffen unb ©rofi-
neffen, nadjmalS 31upred)t II. unb III., „p (Stiren ber Simg.
frau ÜJlarta unb be§ ganjen ^immltfdjen |>offtaatel" bie Uni»
berfität ober, wie eS in ber StiftungSurfunbe Reifst, baS „®e«

neralfiubium" ju errieten. $f;r erfter IRector war ber „Pfaffe"
931arft(iuS oon Sngen, ber, als Slnijcinger llrban'8 bon öariS
tiertrieben, fid) in fjcibelberg ttiebergelaffen Ijatte. Unter
Sngen'S reger geftaltenber S:I)ättgfeit blühte bie junge Süfabemie
fv5t)ttd) empor unb bilbete balb einen mädjtigcn 2InjieIntngS-
uunft für bie wiffenSburftige beutfdje Sugenb. Sdjon im
©ecember 1487 jä^tte man 579 Stvtbeuten unb würben bis
1449 jäljrlid) etwa 127 immatriculirt.

©ie Uniuerfitat bat bis um bie ÜDlitte beS fed)jel)nten
3af)rt)unbert3 ganj im äBaune SiomS gelegen, }ebt !e|erifdje
SKeinung würbe juriiefgewiefen unb ber ßefcer oI)ne 92ad)fid)t
beftraft. ©ie Sßnnnertrftgcr ber Sreformation, bie §umaniften,
WieS fie fdjroff bon ifjrer Sd)WeKe, obwob,! ber Äurfürft
fPbilitjj) bie Slnb^änger ber neuen 9?id)tung an feinem Jfpofe
willfommen rjicfl. 9113 enblid) bie Sei)« Sutfier'S unbKalbin's
immer fiegreidjer borbrang, gab ihttfftrft griebvieb, bem SBillen
beS SöoIfeS nad) unb geftattete ba§ beutfd)e ^ivdjcnücb, beutfdje
Sßrebigt unb Sßricfterelje, aber bie Uniberfität belmrrte in ib,rem
SSiberftanbe gegen bie Abtrünnigen tson 9tom. (Sfft ihwfürft
Otto ^etnrid), 8er e§ fid) jur Aufgabe gefegt Ijatte, bie immer
weniger befud)te unb wiffenfdjaftlid) gauä entartete Uniberfität
3u beben, »unb wenn eS iljm ben legten geller toften foHte" —
berftanb eS, bie Pforten ber 3Juberto=(iav'Ola ber Seljre beS
SSJittenberger SBtönrbeS jn öffnen.

Siad) feinem £obe ^iclt ber unfclige «Streit jwifdjen Sal«
biniften unb Sutberanern ßinpg in fteibelberg, unb faub tjicr
ben frud)tbarftcnS3oben für att' bie wabnwi^igeu, bafeerfüllten,
blinbwütljigen tl)eologifd)en jfftmbfe, weldje bie £auptfdjutt>
baran tragen, bafj baS SBerl ber SReformation nad) bem Stöbe
Suttjcr's jum ©tittftanb fam unb enb(id) ©efab,r lief, gauj
unterbrüeft ju werben. Metrie beutfdie Uniberfität Ijat fdjmerj»
lidjer unter biefem Sibtefpalt ber Geologen ju leiben gehabt,
als bie ju §eibelberg. ®od) ftanben ihx nod) fdjwercre Prü-
fungen bebor. ©ie ©d)tad)t am weisen öerge, in weldjer
Äurfürft griebrid) V. bie tnv'äe fjreube feiner böbmifdjen ÄiSnigS»
I)errlid)!eit mit bem Sßerlufte feiner ffrone unb feiner ©rblanbe
büßte, brnd)te aud) Säcibclberg uab,e bem Untergang. 3m
September 1623 fjielt Stillt) unter bem äöiitljen feiner barbarifefien
SolbateSfa 6tnjug in bie eroberte Stabt, mit iljm famen bie
Sünger Sot>ola'§, um bie abgefallene Stabt unb Uniberfität ber
aüeinfeligmad)enbeu ifird)e toieber ju gewinnen. SDie 93ibIiotl)ef,
ein ßleinob, wie eS bieSfeitS unb jenfeitS ber Alpen faum ein
^weites gab, überlieferte ber glüdlidje gelbljerr feinem Surften
üftarimilian bon latent, ber fMj beeilte, bie uufdjäfc&are Sbüdjer»
fammlung bem %od)f8lg« -iJetti ju püjjen ju legen. 3u 134
Giften oerpnrft würbe fie und) 9tom übergeführt; ber QtjrQciäioe
Dläuber beS pfäljiftbeu ßnrl)itteä hatte auf grofte, feine poli»
tifd)eu Siele uuterftü^enbe Auerfennung beS SjäapftcS gerechnet,
aber er fat> fid) mit bem »päpftlid)en Segen" abgefpeift. ®ie
§od)fd)ule gerieth unter ben Sefuiten in immer tieferen SßerfaH,
aus bem fie aud) tro& wieberljolter SJerfudjc, fie ju reformiten,
bis jum Anfang unfereä 3ahrl)unbertä uidjt emporgebradjt
werben tonnte; benn immer wieber würbe bie }reunblid)e 31ecfar*
ftnbt ber Sd)auplaj5 be§ ganatiSnutS unb ber Söarbarei friege»
rifcher Horben. Stbermann tennt ba§ Sdjirffal, wcldjeS bem
alten QJcufenfiJ bon bem 9{aub= unb SHtorbgcfinbct bereitet
worben ift, baS ber atlerd)riftlid)fte ßönig bon granfreid),
ßubwig XIV., in bie Sßfalj fd)icfte pour brfiler le palatinat.

grfi mit bem SM 1803 beginnt bie SSiebergeburt ber
altchrwürbigen §iod)}d)ule. ihtrfürft <?arl Ofriebrid) ließ fie
unter ber tlugen Seitung feines SDcinifterS t». SRci^enftcin nad)
bem Sßorbilbe Böttingens ju neuem Seben erftehen. Seit jenen
SEagen hat fie allen Stürmen ber 3eit getrost unb fid) ju immer
größerer ©lütrje entfaltet; troj beS ®rucfeS beS 9Jietternicrj'fttjen
ißegimenteS ging bort) bon ihr ein Sldjtftrabl liberaler unabhängiger
©ejinnung aus, Icljrten hier freifinnige SEl)eotogen unb ^pfjitalDgen,
Suriften unb £nftorifer, wie Sdjloffet unb ©erbiuuS. ©te an»
mutl)ige Sage £eibelberg8 hat nid)t weniger bap beigetragen, als
bie berühmten 'Dlänner, weldje bort lehrten, um bie afabemifd)e
3ugenb nid)t nur ©eutfd)lanb3, fonbern aud) beS AuSlanbeS
anjuloden. S3on bem SEage ihrer ©rünbung bor fünf&nnbcrt
Sahren ift bie §ochftf)uIe am 3?edar bon ber begeifterten
Sugcnb, wie bon Dem finnigen Alter in S!5ort unb Srf)rift, in
93ei§ unb 5ßrofa gefeiert worben. ©er 9Jame ^>cibel6erg werft
ben ganjen 3auber ber Scomantif in unferer Süruft, eS giebt
außer Scua feine §od)fd)ule, welcher eine fo fd)Wärmerifd)e 3"'
ncigung ber ÜDiufenfö^ne entgegengebracht wirb, wie ber SRuperto«
Garola. AIS 3ena 1858 fein brcihunbertjährigeS Subiläum fcftlict)
beging, nal)m ba6 gebilbete ©cutfdjlqnb gewiß freubigen Au-
tljeil an ber Seier, aber eS fehlte bod) ber frohe 3»g ber
geifterung, weldjer in biefen SEagen bie ebelften Greife beS
beutfd)en SoIteS belebt. Dh"e Uebcrtreibung bürfen wir be»
haupten, baß in ben nädjften SEagen an ben Ufern beS Weefa«
bie SSliithe ber beutfdjcn atabemifdjeu SBelt oerfammelt fein wirb.

©er greife iiaijcr hat c§ fid) oerfagen muffen, ber Gin-
Iabung beS ©roßhei'äoge, feines SdjwiegerfohncS, ju folgen,
bafür fenbet er feinen Sohn, beu ßronprinjen, ber fclbft bie
«beutfd)e S8nrfd)enhcrrlid)leit" empfunben hat unb mit 8«ube an
bie SEage feiner UnitierfitätSjeit in 39onn gurüefbeuft. Obgleich
jeber politiidje Gebaute bei ben Seierlidjfcitcu ferngehalten wirb,
fo brängt fiel) bcrfclbe jebod) 3cbcm auf bei ber Dcadjricht, baß
Stapft ßeo XIII. einen Specialgefanbteu, ben gelehrten (£nrico
Stephenfon, nad) £>etbclberg entfenbet. Sie Ohipcrto ■ Eavola
ift heute eine burd)auS proteftantifdtje Uniberfität unb benn od)
Wirb ein Abgefanbter beS sJlad)foIgerS IJSetti an ber ßeier tf)eil-
nehmen! Sßeldje SöauMttngcn haben fid) boü>gen. Qtin
S^iuS IX. würbe niemals ben ©ebanlen 311 einer foldjen Scn-
butro, haben faffen fönnen. AIS geftgeffhen! überbringt bei
vapftlid)e ©efanbte einen loftbar anSgeftattetcn ßotalog ber bon
StiHg geraubten SBiMiotbef, ber Palatino, welche mit Ausnahme
weniger 1815 auS ^3ari3, wol)ia fie Scapoleon geffhleppt, nad)
f)cibelberg surücfgelangter fnu^u^riften ben werlhbollficn 33e»
ftanb'thcU — an)ttaufeub ^»m.ViCu: -- ber>üüd)«ei be« 5?aiivanä
auSmadjt. Sßor b»nbert Sahren riflehte bie ^od)fd)iiIe »mit
unterthänigften gußlüffen" oen Segen beS SßnpfteS. p ihrem
bierhuubertjaheigen Jubiläum, heute empfängt fie ben SBoie»
fleo'S XIII. als einen ©hrengaft, beffen Anmefenheit währeuh
ber Öffttgm bie Äluft wol)l uergeffen laffen mag, weldje baS
mittelalterliche fatljolifdje oon bem mobcvncu protcftatitiiüjeu
§eibelberg trennt.

ÜRöge bie nlma raater am 9?ecTarftranbe inmurbar bleiben
eine Seud)te beutfdjen ©cifteS unb beutfd)en ©emiitheS, beitlfctjer
SBiffenfdjaft unb beutfdjer ©elehvjamfeit, möge fie iiumcrbar
wadjfen, blühen unb gebeihen!

Vivat, crescat, fioreat!

© #efpen(l ber f^ve.

Uloman in brei Säuben bon ^an* SSJac^eitljnfeii.
(20, gprtfe&img.)

§enrife'S Augen ruhten träumerifd) unb oon Sd)wcrmuth
ttmflort auf bem romantifd)en Panorama; aud) fie, bie wohl
niebergefämpft, was SErübeS jene ßlofterfcenerie in ihr herauf»
befd)Woren, aud) fie oermieb jebe Unterhaltung mit bem Araber.
Sie hatte errathen, wa§ im ßloftergewölbe oorgegangen, unb
jürnte öertholb, unb er feinerfeitS gab fid) bie lücieue, als fei
il;m bieS gleid)giltig, benn fie wiffe ja bon feiner ßeibenfdjaft.

3n ber 3Jähe einer ber Sanbebrücten ber ©ampffdjiffe,
on welcher ber Sßeg oorüberführte, warb Sßcta's SBIit! gcfefjelt
burd) eine jarte grauengeftalt in lichter ffleibung, bie, baS
Strobhütdjen in ber öanb, auf bem äußerften, burd) feine
aöehr nbge}d)loffcnen 3tanbe ber ©rüde ftanb unb in bie Con
bem eben oorüberfahrenben ©ampfer gegen ba§ Ufer getriebenen
gellen hinabfdjaute.

Söie ein geenbilb ftanb fte ba. ©er Abenbwinb fpielte mit
bem ährenfarbenen bloubcn feaat, mit bem leichten weißen ©e*
wanbe, bie jarten Konturen ber lieblichen ©cftalt in bem
magifdjen Abenblidjt jeid)nenb, baS, mit bem blouben ^aar
fid) mifchenb, bie firtblictjen Süge wie eine ©lorie umftral)tte.
GS war ein Sßilb oon zauberhafter SBirfung. «öleta blidte
lange unb mit SßohlgefaHen auf baffelbe hin; plöiUicfj aber
fefjraf fie ä"fa'nmen, benn ber §anb ber gee entfanf'je&t eben
ber §ut, bie 2öeHen trieben ihn mit fich babon, unb fie, bie
tom Abeublid)t Umgoffene, ftanb regungslos ba unb fdjaute
bem §ütchen nad), wie in finblicfjer greube über bie 3er»
ftörung beffelben.

»®do! ßoa!" erfchaüte jeijt gaiij in ber 9Iähe be§
SBageuS eine ängftlid) rufenbe fjranenftimme, bie alle brei in
bemfelben erfd)redte.

©ine nod) junge f?tcu in bunflem 5proinenabencoftüm
ftanb am Ufer unb wtufte in hßchfter Seforgniß ber Seicht»
finnigen, bereu ßleibung eben bom Abcnbwinbe fo ftarf be»
«legt warb, als müfje er auch fie, bie äieriidje ßlfe, hinab»
beben, flüchtigen fußeS betrat auch bie ©ante bie Sörücle,
unb neugierig hielt ber ßutfdjcr, \f)t nad)fd)auenb, bie Sßferbe an.

»©Da!" fd)de fie nod) einmal. «53ift ®u tofl?" 3n
Ijemfelbe« Augenblicl aber war'S, al§ habe ber äßinb fchon bie
SJidjtgeftalt in bem Sonnennebel babongetragen, ber fid) auf
ben ©trom gelagert, unb ein gellenber Sd)rei braug oon ber
U3rude tytubtx.

«3u §ilfe! Sie treibt im SBaffer!" frhrie TOeta auf, fid)
(eichenblaß im SBagen erhebenb unb über beu Dianb beugenb.
„33ertl)oIb, hilf ber Aermften! . . . ®ie arme OJiutter!»

©iefer ftanb bereits mit einem Sprunge auf ber Straße.
®ie beiben 9CRäbcf)en fahen sitternb, wie er hinter ber bie
Spänbe riugenben S^au borübet ju SEhal baS Ufer entlang
eilte. Unb je^t brong ein neuer Schrei über baS Sßaffer, benn
23ertl)oIb fdjleubcrte Diocf unb §ut in bie Suft, ftürgte fich bom
Uferbamm ber Unglüdlidjcn nach in bie ^lutt) unb rang fid)
mit träftigen Armen in ben Strom, ber laugen heranraufdjenben
SBeHe 31t, in beren fdjäumenb weißem ßamm er bie Iidjte
fileibung oon ber Strömung pfammengewirbelt fat). 9?ur
Secuuben oerftridjen, bange Secunben, bis SSertholb bie ihm
entgegenrollenbe SÖeÜe erreicht unb mit j)oei gewaltigen 3ügen
fid) auf biefelbe hob.

„©oit fei gelobt!" rief TOeta, bie Qäube faltenb, als fie,
hoch aufgerichtet im Söageu, gewährte, Wie S8ert()olb, ber Sßelte
bie StBrnft bteteub, fid) über biefelbe fchwang, einen weißen Arm
ergriff, ber eben über bem SSaffcr fidjtbar warb, wie über
feinem Arm ein blonbeS SDMbd)enhaupt aus bem Schaum
auftaudjte, unb er, fid) ber äöeHe überlafjenb, oon blefer ans
Ufer surüdgetragen warb.

«ertholb hotte leid)tereS Spiel, als er felbft hatte er»
Warten bürfen. Seine ÜBürbe im Arm, richtete er fid) auf
bem furjen Sorlanb auf, fdjwang fid) bie leichte ©eftalt auf
bie Schultet unb ertletterte ben Uferbamm, auf welchem mit
Segen§fprüd)en ihm bie 3Jiutter ber SSerunglüdten entgegenfam.

Aud) bie beiben DJläbdjen waren je|t herbeigeeilt. Söer»
thotb trat ihnen entgegen, unentfrhloffen auSfdjaucnb nad) ben
nädjften §ättferu beS StäbtchenS, in bereu Stljüren bie Sße»
Wppet mit ernannten SDcienen erftf)ienen waren.

»D, er ift bod) gut!" pfterte DJieta bewunbernb bor ftd)
hin, unb wie er fich ie|t nach ben Käufern wanbte, blidte fie
mit angftuoller Neugier in baS bletdje Autli^, auf bie gefdjloffenen
Augen ber Unglüdiid)en.

,,3d) meine, fie lebt nod)!" rief S8ertf)olb, feine fetjöne
Saft oon ben Schultern fjebenb, fie bor fid) in beibe Sinne
legeub unb auf fie nieberfchauenb. «3d) wette barauf, eS ift..."

„SräuIeiuSBefterftröm!" rief5Jceta, fdjon beforgt an feiner
Seite fdjreitenb unb bann boraneilenb, um ber Aermften ein
Obbad) bei ben Sd)iffern 3u bereiten.

Aud) SSertboIb hatte feine fd)öne SEänserin bereits erfannt.
„5ßie mag bie nur ins SBaffer gefommen fein!" brummte er mit
einem ©lief auf bie TOntter, bie fcfjweigenb unb beferjämt neben
ihm fd)titt. «Sammerfchabe war'S gewefen! . .

Mühelos erreichte er baS nädjfte fianS, wo ihn bie DTäb»
d)en fdjon empfingen unb (Soa aßeftciftvom bewußtlos auf ein
ärmliches 93ctt gelegt warb.

«©eh unb übcrlaß uns baS SSettere!" gebot ihm 9)ceta
je&t. ©ie SJJutter hatte fich bereits über bie ißeruuglüdte ge»
beugt unb bie ßleibung berfelben aufgeriffen.

SJltt pl)lcgmatifct)cr IDcteue folgte Söertljolb ber Aufforberung
unb trat hinaus.

„fräulcin SBefierflröm! Gi fieh bod)l Sätt' id) neultd)
auf bem Satt ahnen fönnen, baß id) ihr im SEanj ber SBelicu
wieber begegnen foHte!" S3ertl)olb, triefenb bon fflaffer, fc^te
fid) mit Seelenruhe auf einen fmublod bor ber SEhür, nahm
einem giidjcrjuugen 3cocf unb §ut ab, bie biefer ihm bradjte,
unb ftarrte auf. baS SBaffer hinaus, bis bie Sdjwcficr tciin
unb ihm melbete, baß bie Unglüdlid)e attmälig wieber 3U fid)
fomme.

„So feib 3l)r ja uid)t meljr nßtl)ig hier!" antwortete er,
ftd) erhebenb. „fahrt 3ur Stabt, id) folge föud) mit betx
nädjften 33ahnjuge. 2)2an wirb hier ja einen warmen |)crb
haben, an bem id) flüchtig meine Kleiber trodneu fauu. Sdiaben
beruijadjt ja fo ein Sab im Sommer uidjt!"

ßr trat ins ifjauä zuri'td unb fud)te bieffüd)e. ®ie beiben
DJMbdjcn bergeffenb, fjoefte er fich an baS f euer, über bem ein
qualmenber Sped)fefjel hing, bis enblid) aud) bie Slhttter ber
Uuglüdlichen 3n ihm trat, um ihm in fdjtedjtcin ©eutfd) ihren
©auf auSjufpredjeu.

„3um ©lücf war id) bem fräulein fdjon fürjlicf) auf bem
Sali oorgeftellt unb burfte mir alfo bie (Srlaubniß nehmen,
fie 31t retten," Iadjte er gtitmütlug. „Aber fagen Sie mir, hat
fie bielleid)t eine nnglücflidje Siebe, bie fie ju einem folche'i
föntfd)Iuß getrieben?"

frau SBefierftröm fd)ien Oerlegen. Sertholb fdjiittelte fid)
bor froft unb ftijje, benn feine Äleibung bampfte ihm am
£>erb fd)on auf ber §aut. ßr legte ben 9iod an unb fuhr
ftd) burd) baS nod) nnffe §aar.

„SOleine SEodjter ift fo feltfam unb unberechenbar," fagte
fte 3ögernb. „Sie fifct fdjon brüben in beu ärmlichen Kleibern,
bie man ihr geborgt unb . . . fragte, wer eS fei, ber fie ge»
rettet, ©ie ©amen gaben ihr AnSfunft."

„£nn, follte id) ihr fchon meine Aufwartung machen fönnen?"

„Sie berlangt, nod) heute Abenb 3urürf3ufehren."

Son frau SBefierftröm begleitet, trat er in baS enge
3imtuerchen. 6ba faß in einem ärmlichen plumpen ffattuu»
fleibe, baS £mar im Jcaden aufgeheftet, bie §änbe im Sdjooß.
 
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