Lolitische Ztdersicht.
» küniasbera. 27. Juli.
Jn Krcisen, die niit dcr russischen Botschast in Bcrlin Fühlung
habe», wird mit aller Entschiedenheit versichert, dah der abermalige
Aufsckiub der Ncise des Ministers von Giers ins Ausland durch
Grüuds veranlaßt sei, die mit der Politik schlechterdings nichts zu
thun haben und nur persönlicher Natur scicn. Es ist dies
jedcnfalls die Auffassung. die nian in Petersburg über diese ncue
Verzögerung der Abrcise des Ministers der auswärtigen Angelegen-
heiten verbreitet zu sehen Wünscht. Da Herr v. Giers sich den jetzigcn
Bestunmnngen zufolge keinenfalls vor Miite nächsten Monats ins
Ausland bcgcben wird. so dürfte seine Begegnuug mit dem Fürsten
Bismarck nicht mehr in Kissingcu stattfinden. Wo der letztere als-
danu weilcn wird, ob in Gastein oder tn Varzin, laßt sich heute nvch nicht
vorausjagen. Wie niibestinimt seine Gasteiner Badcreise noch iminer
ist, zeigt dic Thaisachc, datz wegen einer passendcn Wohnung zwar
schon vor 14 Tagcn in Gastein Umfrage gehalten wordeu, datz aber
ein Mietsabschlutz bis heute nvch nicht ersolgt ist.
Die „Nordd. Allgem. Ztg." sprach vor wcnigen Tagen in cinem
Leitartikel die überzeugung aus, datz das schutzzöllnerische Kom-
promih zwischen dcn Agrariern und den Jndustriellen aufrecht er-
halten werde. Wcnn untcr dem Fortbcstehen des Kompromisses
nur vcrstanden wird, datz man den gegenwärtigen Zustand nicht
angrcist, so wird die „Nordd. Allgem. Ztg." vorläufig noch recht
haben. Soweit ist die Entwickelung noch nicht gekommen, datz
schon heute die Jndustriellen die B-'seitigung der Koruzölle vdcr die
Agrarier die Aufhebung dcr Eisenzölle beantragen solltcn, aber datz
sich die Verbündeten zur Forderung irgend welcher neuer Zölle von
Bcdeutung vereinigeii, schemt nach den bishcrigcn Ersabruugen schon
jetzt ansg eschlossen zu sein. Wedcr ist bei Lcn nächstcn Jnteressenten
solcher Zolle die llberzcugung, datz sie ihncn helfen werden, besonders
stark, noch sind sie imstande, diejenigen, wclchc die Zölle zu zahlen haben
werden, glauben zu macheu, daß ihneu irgend ein anderer die Last
abnehmen würde, z. B. das Ausland so srcundlich sein würde, die Woll-
zölle sür die Tuchfabrikanteii zu bezahlen. Die Schutzzvllpolitik scheint
zum Stillstand gekommen zu seiu, fie kann nicht wcitcr und mutz, wie die
„Nordd. Allg. Ztg." in dem angeführtcn Artikel auch ausspricht.sich darein
sinden, datz cine „nationale Wirtschaftspolitik", wie rücksichtslos fie
auch porgchen mag, doch Ursachen, welche in der gesamtcn Weltwirt-
schast bcruhen, nicht ändern kann. Geuau dieses ist von freihänd-
lerischcr Seite gesagt worden, als man die nationale Wirtschafts-
pvülik begann, dcrcn Aufgabe eben darin bestehen sollte, uns vor den
schädlichen Einwirkungcn weltwirischaitlicher Zustände zu schützen.
Tatz dics nicht gelungcn ift. muh jeZt offen anerkannt werden. Trotz
ollcr Bcmühungen, von Staats wegen Jndustrie und Landwirtschaft
zu schützen, haben sie doch wirtschastlich „magere Jahre". Der Trost,
doh rs noch schlechter stchen würde, wenn Liese liebevolle Fürsorge
gciehlt hätie, vcrfängt auch schon nicht recht mehr. Allmäh-
lich drängt sich unsercii Jndustriellen und selbst unsercn Agra-
riern dte überzeugung auf, datz der Schaden, welchen sie aus
der immer größer werdenden Absperrung des Auslandes er-
leiden, Niindestens ebenso grotz ist wie der Nutzen, wclchen
ihiien der Ausichlutz frcmder Konkurrenz aus dem cinheimischen Markte
gebracht hat. Wenn die Erfahrungen, welche die lctzten Iabre gebracht
haben, schon vor 1879 gemacht wären, so würde schwerlich für die Zoll-
vorlage eine Mehrhcit erlangtsein, und könnten wir durch unsere Beschlüffe
den srüheren Zustand ohne weiteres zurückführsn, so würden sehr vicle,
die damals in den Schutzzvllen ihr Hcil sahen, sie heate schon beseitigcn.
Abcr unscr Vorgehcn hat eine so allgemeine Schutzzöllnerei hervor-
gerufen, datz Dsutschland nuf allen Seiten vvn immcr höher werdenden
Maucrn umgeben ist. Jn den anderen curvpäischen Ländern sind die
schutzzöllnerischen Intcreffen auch noch so stark, daß noch weitere trüb-
Das HcidrLvrxger Faß.
Bon l)r. Ad. Konicki.
Die Ruperto-Carola, unsere hochberühmtc alma niatsr zu Heidel-
berg, steht am Vorabenv ihreS 50». Geburtstages. Allerortcn rüflen
sich die Söhue, die scltenc Jubelfcier ihrer viclgeliebtrn, altehrwür-
digen Mntter würdig zu begehen. Nur noch eine kurze Zeitspaune und
in hellen Scharen werden sie einziehen in die hcrrüche vielbesungene
Neckarstadt, nach dem Tummetplatz der goldenen Frciheit akade-
rmschcn Lebcns, den Tribut der Pietät darzubringen und im
Genusse schöner Gegcnwart und der Erinnerung noch schönercr Ver-
gangenheit zu schwelgen. Jhnen allen, d?n alten und jungen
Semestern, den Philistern und alten Herren, den Burschen,
rüichseii und Finkeii hat Bacchus Huld für Leu libationenreichen
Kult dieser frülisren und jetzigen Studentenvperationcn eine bcsondere
Gnade zugedacht. Seincm vcrhütschelten Liebliug, dem irdischen
Könige aller hölzernen Fässer. dat der gütige Gott der Nebe einen
jedcs Zechergemut entzückenden Äuftrag gegeben. Wie in den Tagen
der Psalzgrafcii und Kursürsten werdcn der durstigen Kehlen unge«
zählte Scharen zuIiem vielbewunderteu Riesenban genialer Böttcher.
kuiist pilgernd. vom Koloß da druntcn ini Schlotzkeller sich den golde.
ven Trunk dcr psälzer Berge kredenzen lassen. Was thut's, daß in
ocn gcwvlbten Riesenleib des Fasses, deffen gewaltige Dauben nicht
wchr flüjsjgkeitsdicht aneinanderschlietzen, eigens sür die Jubellibation
ein kleineres Fatz versenkt worden ist! kia krauZ non clsclsssl. — Die
^sllusion der Zechcnden, denen ein KeÜermcister oon der Größe und
Tracht des Zwcrgs Perkeo anfwarten, wird, stört dies nicht, zumal
der Krahn des grvhen Fasscs das edle Natz enlsenden wird.
Wis sich der hölzerne Koloß im Schloßkeller des „Friedrichsbaus"
zu Heidelberg heute präsentiert. ist er üicht mchr das ursprüngliche
Werk jcnes Meisters, vcm Johann KasiiM im Jahre 1591 den Anf-
trag gab, „das grögte Fatz dcr Welt" zu erbauen. Dieses erste Faß,
die Vcrwirklichung cmer originellen Jdee, die, später immer wieder
vcrsolgt und durchgefuhrt, geradezu zum Ruhme dcr alten Ncckarstadt
vciträgt, hat die Stürme des drcißigjährigen Kriegcs nicht überdauert.
Tillys Scharcn vermchteten es. Nicht weniger als 15800» Trink-
flaschcn (132 Fuder, 3 Ohm und 3 Viertel) barg dicser Riesenleib, der
von 24 eisernen Neifen umgürtet war. welche die Kleiiiigkeit von
122 Centnern wogen! Von seinem Rauminhalt macht man stch un-
gefähr eme Vorstellung. wenn man die chronistischen Aufzeich.
nungen cines Studenten aus jener Zeit liest, welcher erzählt:
„Als der Herzog von Steuburg in Heidelberg mit Kurpfalz die Erb-
verbrüderung bekräftigte. ließ der Kursüst in das grotze Fatz, das
damals leer war. die Trompeter und Pauker setzcn, und hiett oben
E Tafcl. Da nun die hohen Personen speisetcn, mußten
sich pwtzlich die Trompeter nnd Pauker hören lassen. woraus die
bochfuritliche Geiellschaft sonderliches Vergnüaen scböpste." Jn seiner
Anlage entspracheii diesem Faß alle scine Nachfolger. So groß war
der Rcipskt der nachgeborenen Kollegen der Böttcherzunft vor der
sekige Erfahrungen notwendig sind, ehe einc freihändlerische Nicktung
Aussicht auf rfolg hat- Freilich werden diese Erfahrungen. wcnn nicht
alle Anzeiche trügen, recht balb kommen und recht empfindlich sein.
Jnsolge dcs Verbvts eines Volksfcstes ist cs am Sonntag und
Montag in Amsterdam zn Au-rschreilungen eines Teils der Bcvölke-
rung gekoinmen, die das Einschrciten dcs Militärs nowendig machten.
Es scheiuen sich dabei förmliche Stratzenschlachten cntwickelt zu
haben, denn lie Zahl Ler dnrch das Feuer der Svldaten Getöteicn
wird ouf 8 bis 10 angegeb- (cf. tel. Dep.l. Ob und wie weit diese
tief bedauerüchen Vvrsälle mit der sclt einiger Zeit auch in Holland
lebhaft auftrctcnden Agitalion dcr socialcnAnarchistcn zusammeuhängen,
ist vorläusig noch ungewiß.
Der Ausliefermigsoertrag zoischen England und den Ver-
einigten Staaten von Ame^ia wirbelt jenseits dcs atlantischen
Ocsans viel Staub auf. Gine Washingtoner Depesche meldet, es sei
Grund für die Annahme vorhanben, daß der Senat wichtige Zusätze
zu dem Vertrage in Vorschlag bringen werde. Dic irisch-amerikani-
schen Jonrnale speien Fener uc-Ä Flammen und bedrohen die Ver-
cinigten Staaten mit dem Hitz der Jren, falls sie einen solchen .im
Jntereffe der Tyrannei" ersonnenen Bertrag annehmen sollten.
Der spanische Ministerpräsident Sagasta glaubte in Camach o
den Arzt gefunden zu habcn, wslcher Spanien von der übeln Finanz-
lage, dem KreK, haden, welmer den geiamten Staatskvrper ange-
fressen hat, würH vefreien könncn. Der neue Finanzminister sah ein,
<n tiefen Schuitt ins Fleisch dem Übel dauernd zu
:s Land scheint bereits so abgestumpft zu sein, daß
.fließ'n kann, den damit verbundenen eimnaligen
zu ertragen. Wie die „Epoca" erfährt, hätte
er habe ein Budget aufgestcllt, wie cs dem That-
datz nur mit e
stcuern sei, aber
cs stch nicht eic
Schmerz standhv
Camacho gcäutzcrt,
bestande entspreche, es könne zwar einzclnen Provinzen schaden, dem
Ganzcn abcr müffe cs zum Vortril gereichen. Er sei in das Kabinett
berufen, um die Finanzen zu rettsn, er würde daher das Bndget vor-
lcgen, auch wcnn es ihn sein Psrtefeuille kosten solle. Die Gefahr
seines Sturzcs ist allerdings nahegerückt, denn die Führer der gesamten
Opposition: Salmcron, Castclar, Lopez Dominguez, Romcro Nodledo,
Labra und Canovas haben sich dahin geeinigt, das von Camacho vor
gelegte Budget zu vcrwerfen. Die Mehrheit Sagastas war allerdings
groß, abcr uicht unbcdingt zuverlässig, jedeusalls dürste sich daher die
Abstimmmig über das Budget zu einer für die Zukmift maßgebenden
Kundgkbuug für oder wider das Kabinett Sagasta gestalten. —
Einen vorläufigen Sieg hat die Regierung in der Frage des eng-
lischen Handelsv ertrages ersochtcn, der am Sonnabend zur Än-
nahme gelangt ist. Der ehemalige konservative Ministcr Romero
Robledo bekämpft den Entwurf mtt Entschicdenhcit. Dagegcn betonte
der gegenwärtige Minister dcs Äns'iväüitzcn, daß die Regicrung ver-
pflichtet wäre, eine Handelskouvenüon mit England abzuschließen. Er
wics auf die Notwendigkeit hiu, die Handelsbeziehuugen Spaniens zu
säintüchen Mächtcn zn verbessern, weil man andernfalls die spanischen
Häfen schlicßen müßte, was doch den Ruin des Landcs bedeuten
würde. Und die Mehrhcit der Kammer war cinsichtig genug, sich
dieser Meinung anzuschließen.
Der neueste Griff zur Erweitcrung europäischen Kolonialgebietes
ist von Portugal gethan worden. Jn der Nähe seines südafrikaiiischen
Gebietcs sind Goldfeldcr entdcckt worden und da hat der nüchstwvhnende
portugiesische Beamte nicht verfehlt, sosort seine Hand darauf zu legen.
Wie das lctzier Zsit fast unvermeidlich gewordsn ist, wird dabei das
Jntereffe eines anderen Staates wenigstens indirekt berührt, insofern
die Entdeckung jener Goldfeldcr deutschem Unternehmungsgeist zu-
geschrieben wird. Eine in Liffabon am 23. Juli aus Mozambique ein-
gegangene Depesche sagt nämlich, daß der Gouverneur von Manica
in Ostofrika die zwischen Manica und Tete am Zambesi gelegcnen
Territorien und Goldfelder, die von einem deutschen Forscher entdeckt
Leistung des kurfürstlichen Werkmejstcrs, daß sie später allesamt ge-
trcuüch uach diesem Modell arbeiten. So hatte auch schon das crste
Faß eine cmf scinen Rücken hinaufführcnde Treppe. dercn Stufcnzahl
je ncich der Höhe des zu besteigenden Riesenrückens natürüch ver-
schieden war. Das erste mit einem Aufwand von 1500 Goldgulden
erbaute Faß vom Jahre 1591 erforderte 27 Stufen dis zu seincm
Rücken, dasjenige, welches Karl Ludwig von der Pfalz im Jahre 1664
bauen ließ, sogar 50 Stufen. Diese zmcite Auflage eines alle Fässer
der Welt überragendeu Riescnfaffcs übertraf die erste noch bei
wcitcm. Das Jnncre barg nicht weniger als 283000 Flaschen
(204 Fuder, 3 Ohm und 4 Viertel). Jn ihm konnte beqncm ein
Mann mit dem Rennspieß ausrecht stehcn. Oben darauf. wo Vie zum
Rücken des Fasses hinanführende bOstiifige Treppe einmündete. war
ein Altan erbaut, der, von cinem Gitter umsriedet, voll 20 Fuß
im Quadrat maß. Sechs Personen koiintcn bequem darauf tanzen,
wenn es einer kurfürstlichen Caprice wieder einmal beliebte, die Mu-
siker in dem Faß zu placieren! An Len Böden mid Rändern dieses
Riesenfaffes war viel kunstooller Zierrat angebracht, und die Arabcs-
ken, Satyren und Bacchanten werden in den Büchern aus jener Zeit
übereinstimmend so gelobt, daß der Bildhauer Reinhold v. Wertb, der
Hofschreiiicr Christoph, der Ziinmermeister Hans Klebkvff und dcr
Hofkellermeister Johann Meyer geradezu Kunstwerke geschaffen haben
müffen. Freilich, die tierische Roheit Melacscher Horden (1689 und
1693) hat auch vor dtesem Werke deutschcn Fleißes und KönnenS keine
andere Achtung gezeigt wie vor dem hcrrlichsten Denkmal deutscher
Baukunst, dessen Rninen jetzt im Sckloßgarten zu Heidclberg klagend
und anklagend auf den Beschauer herniederschen.
Daß der vordere und hmlere Boden dieses Fasses mit eingegra-
benen Versen geziert war, entsprach dem Zwecke und der Sitte- Der
Jnhalt dieser Gedichte, teils humoristisch teils lehrhaft. kann hier un-
verkürzt um so eher wiedcrgegeben werden, als er cine weitere Ver-
brcitung bisher kaum gefunden haben dürfte. Da wird ziinächst in
acht Vierzeilcn die Geschichte des Faffes aemeldet. Wir geben sie und
alle folgcnden Verse getreu nach den Überliefcrnngen der Quellen:
Als tausend und sünfhundert Jahr Hernach das Faß viel Jahre stund,
Und neunzig eins die Jahr-Zahl war, Daß man es nicht mehr brauchen knnt,
Da Fürst Johannes Casimir Hi-lt weder Wasssr, Bier noch Wem,
War diejes Landes Schutz unb Zier, Lag in dem Keller nur zum Schcin.
worden, den portugiesischen Besitzungen in dieser Rcgion einver»
leibt habe.
Ward hier ein grosses Faß erbaut
Und als ein Wunder angeschaut,
Desgleichen zu derselben Zeit
War keines m der Christenheit.
Nachdem hat man auch in dem Neich
Berühmte Fässer unierm gleich
Als man der Sachen nachgedacht
Und etwan grösser aufgemacht.
Carl Ludwig, Churfürst hochgebohrn
Des Landes Troft von GOtt erkohrn
Bracht' in die Psaltz nach vielem Leyd
Den Segen, Ruh uud Sicherheit.
WaS Feindes-Haud, was Schwerdt
verheert
Was Krieges-Feuer hat verzehrt,
Jn diesem Lande, Schloß und Stadt,
Der fromme Fürst emeuret hat.
DeMsches Keirr,.
— ilber den Aufeiithalt des Kaisers in Wildbad Gastei«
schreibt man dcr „M. Allg. Ztg." von dort unter dem 23. Juli:
Kaiser Wilhelm setzt seinc Kur mit besteni Erfolqe fort und be»
findet sich, wic cr dem Statthalter Grafen Täun gegenüber
geäußert hat, „so wohl wie seit lange nicht." Vvn den Stra-
pazen der Reise hat sich der hohe Gast schon vollkommen er-
holt, wie dies das frische Aussehen, dcr clastische Gang und
die aufrecbte Hallung dcs Mvnarchen deutlich zeigen. Nllge-
mcines frendiaes Erstaunen crregte cs, als Kaiser Wilhelm
gestern um 1 Nbr mittags der Nichte des Stntthalters Grasen Thua
einen Bcsuch abstattete. dic beidcn Stockwerke des Straubinger.Hotcls,
woselbst die Dame wohnt, mit einer Leichtigkeit erslieg, die das hohe
Alter des Monarchcn vollkommcii vergessen machte. Operndirektor
von Strantz bestndet sich seit vorgestern dier und wird, wie alljährlich,
in der Billa „Solitnde" Theatcrvorstellungen arrangieren. Bcreits
am nächsteii Montag soll die erste Vorstellung statlfinden uud cs sind
die Proben hierzn in vollem Gange.
— Die preußische Armee ist von einem neuen Verlust belroffe«
worden: der Gouverneur von Berlin Freiherr v. Williscn ist
am Sonnabend abend nach schwerem, langem Leiden gestorben. Willisen,
vor mehrercn Jahren zum Gouvenicur von Berlin crnannt, war im
Verlauf seiner glänzenden militärischen Carriere am 20. September
1884 zum General d er Kavallerie befördcrt ivorden. Mit einer Anzahl
hoher Orden, Preußischcr und nichtpreußischer, war der Verstorbene
dekoriert worden; 1870 wurde cr im deutsch-französischen Kriegc mit
dem eisernen Krcuze erster Klaffe ausgezeichnct. Dsr Geueral, welchcr
im Alter von 68 Jahren stand, war schon scit Dezember vorigen
Jahres wegen einer schweren Nicrenkrankheit »ezwungen, das Zimmer
zu hüten, cine Herztähmung machte dcm Leben dcs Patienten ein Ende.
— Mit Bezug aus die Darstellung, welche über die Beteiügung
des Frciherrn von Franckenstein bei dcn bckannten Ereignissen i«
Bahcrn die Münchener „Neucst. Nachr." publizierten, vcrösfentlicht
jetzt Herr von Franckenstein solgende Erkläruna:
„Am 11. morgens vor 8Uhr bekam ich in Marienbad vom Flügel»
adjutanten Grafen Dürckheim das im allerhöchsten Auftrage an mich
gerichtete Tclegramm aus Reutte, sofort dahin zu kommen. Zch be-
antwortete das Telegramm zusagend, reiste mit dem nächslen Zuge
von Marienbad ab und wurde alsbald nach meiner Ankunst in
München von Sr. königlichen Hoheit dem Prinzregeitten, bei
dem ich inich zur Audienz gemeldet hatte, empfangen. Jch teilte
Sr. königüchen Hoheit das im allerhöchsten Austrage an mich
gerichtete Telegramm mit unv sagte dem Prinzreqenten. datz
ich entschlossen sei. so bald als möglich dem Wunsche des
Königs Folge zu leisten. Durch Se. königliche Hoheit erfuhr ich,
daß der König nicht in Reutte, svndern in Hohenschwangau sei, und
nachdem der Prinzregent mir erkiärt hattl>, ich würde dort nicht zum
Konige qelaffen iverden, mußte ich die Reise nach Hohenschwanga»
ausgeben."
Hierzu bcmerken die „N. N-": „Der erste General der ultramon.
lanen Armee in Bayern, Baron Franckenstein, fühlt daS dringende
Bedürsins, sich und seine Partei noch tiefer in den Sumpf zu reite«.
Am 1l. Juni morgens erhiclt also Barou Fraiickenstein Las Telegramm,
welches er als Auftrag der Bildung des neuen Kabinetts ansehen mußte.
A>n 10., vormittags 10 Uhr, also 22 Siunden vorher, war die
Proklamation des Priuzregenten, laut welcher er die Regierung des
Königrcichs wegen schwerer geistiger Erkrankung des Monarchen übev»
nommcn hatte, ösfeutlich b^kannt gemacht worden und es muß auch
die Kunde von diesem Ereignis in das Jdyll von Marienbad
gedrungen sein. Aber selbst wenn Baron Franckenstein allein
von der die ganze Welt erschüttcrnden Kunde in Marienbad
und auf der ganzen langen Reise nach München kein Sterbens-
wörtchen erfuhr, hier in München hörte er ffe aus dem Munde deS
Prinzregenten, und trotzdem bestand er darauf, dem „Wunsche" deS
geisteskranken Königs Folge zu lcistcn, bis ihm der Prinzregcnt einea
Riegel vorschob."
— Ein Berliner Telegramm der »Kölnischen Zeitung" bezeichnet
d!e Nachrichten über bevorstchende wichtige Umwandlungen im
diplomatischen Pcrsvnal als mirichtig. Keine jener Verände»
rungen, welche den Grafen Münster, den Grafen Hatzfeldt und deu
Auf dessen Willen und Geheiß, Gott segne die Pfaltz bey Rhein
Das Heydelberg erhielt den Preiß, Von Jahr zu Jahr mit gutem Wein,
War dieses Faß so aufgeführt Daß dieses Jahr und andre mehr,
Und, wie mans siehet, ausgeziert. Nicht, wie das alte, werde lecr.
Auf der anderen Seite des Fasses wurde in dem derben Humor
des 17. Jahrhuiidcrts Wcin und Faß das Wort geredet:
Der Wein erqnicket Jung und Alten Wir können vieler Ding' entbehren,
Und wird darumben aufbehalten Auch diß und ;enes nicht begehren,
Er gibt dem Lands-Knecht Helden- Doch werden wenig Münner seyn,
Muth, Die Weiber hassen und den Wein.
Daß er srisch waget Leib und Blut. ^r Wein uns fremde Sprachen lehri,
Wann Jörg und Freudensberg lcben Den Blöden Hertz und Mnth vermehrt;
solte Berauscht man sich, so werden glcich
Und seinen Knechten geben wolte Der Knecht einHerr, der Bettler reich.
D--».«...
Man untersteht sich vieler Sachen Ein jedermann nach beyden trachtet,
Und will, was gut ist, besser machen, Der Mann bestehet in der Welt,
Der aber übertreffen wolt Der mäßig brauchet Wein und Geld.
Diß Faß, sich wohl besinnen solt. Man banet Bier im Land zu Meiffeu.
Jn diesem Faß sind angeschlossen Jn Sachsen, Pommern, Holland,
Viel schöner Sprüch', anch Schimpf Preussen.
und Possen, Goit Lob! Die edle Pfaltz am Rhci«
Nachdem in seinem Hirn der Mann. Gibt uns und ihnen guten Wein
Der trinkt, die Wein vertragen kann
Auf den vier Gestchtern ves Fasses standen folgende Verse:
1.
Seyd willkommen hier bey diesem Faß,
Kein größeres gesmiden wird als das.
2.
Eben mit dir sind unser vier.
3.
Warum solt ich nicht frölich seyn,
Bi» ich doch allzeit bey dcm Wein.
4.
Jch hab' mehr groß Faß gesehen,
Das behält den Ruhm, mnß ich gestehn.
Es ist bereits oben gesagt worden, daß im Sengen, Brennen uud
Plündern von Stadt und Schlvß durch Melacs Kriegsknechte dieseS
kunstvolle Werk der Schreiner-, Böttcher-, Bildhauer-, Maler- und
Schlosserkunst am 22. Mai 1693 fast ganz vernicktct worden ift. Nur
einzelne Teile konnten bei der späteren Reftanration wieder benutzt
werden, nicht aber mehr die beiden Bödcn mit den Jnschrifien uno
Verzierungen. Auf Kurfürst Karl Philipps Geherß wurde das neue
» küniasbera. 27. Juli.
Jn Krcisen, die niit dcr russischen Botschast in Bcrlin Fühlung
habe», wird mit aller Entschiedenheit versichert, dah der abermalige
Aufsckiub der Ncise des Ministers von Giers ins Ausland durch
Grüuds veranlaßt sei, die mit der Politik schlechterdings nichts zu
thun haben und nur persönlicher Natur scicn. Es ist dies
jedcnfalls die Auffassung. die nian in Petersburg über diese ncue
Verzögerung der Abrcise des Ministers der auswärtigen Angelegen-
heiten verbreitet zu sehen Wünscht. Da Herr v. Giers sich den jetzigcn
Bestunmnngen zufolge keinenfalls vor Miite nächsten Monats ins
Ausland bcgcben wird. so dürfte seine Begegnuug mit dem Fürsten
Bismarck nicht mehr in Kissingcu stattfinden. Wo der letztere als-
danu weilcn wird, ob in Gastein oder tn Varzin, laßt sich heute nvch nicht
vorausjagen. Wie niibestinimt seine Gasteiner Badcreise noch iminer
ist, zeigt dic Thaisachc, datz wegen einer passendcn Wohnung zwar
schon vor 14 Tagcn in Gastein Umfrage gehalten wordeu, datz aber
ein Mietsabschlutz bis heute nvch nicht ersolgt ist.
Die „Nordd. Allgem. Ztg." sprach vor wcnigen Tagen in cinem
Leitartikel die überzeugung aus, datz das schutzzöllnerische Kom-
promih zwischen dcn Agrariern und den Jndustriellen aufrecht er-
halten werde. Wcnn untcr dem Fortbcstehen des Kompromisses
nur vcrstanden wird, datz man den gegenwärtigen Zustand nicht
angrcist, so wird die „Nordd. Allgem. Ztg." vorläufig noch recht
haben. Soweit ist die Entwickelung noch nicht gekommen, datz
schon heute die Jndustriellen die B-'seitigung der Koruzölle vdcr die
Agrarier die Aufhebung dcr Eisenzölle beantragen solltcn, aber datz
sich die Verbündeten zur Forderung irgend welcher neuer Zölle von
Bcdeutung vereinigeii, schemt nach den bishcrigcn Ersabruugen schon
jetzt ansg eschlossen zu sein. Wedcr ist bei Lcn nächstcn Jnteressenten
solcher Zolle die llberzcugung, datz sie ihncn helfen werden, besonders
stark, noch sind sie imstande, diejenigen, wclchc die Zölle zu zahlen haben
werden, glauben zu macheu, daß ihneu irgend ein anderer die Last
abnehmen würde, z. B. das Ausland so srcundlich sein würde, die Woll-
zölle sür die Tuchfabrikanteii zu bezahlen. Die Schutzzvllpolitik scheint
zum Stillstand gekommen zu seiu, fie kann nicht wcitcr und mutz, wie die
„Nordd. Allg. Ztg." in dem angeführtcn Artikel auch ausspricht.sich darein
sinden, datz cine „nationale Wirtschaftspolitik", wie rücksichtslos fie
auch porgchen mag, doch Ursachen, welche in der gesamtcn Weltwirt-
schast bcruhen, nicht ändern kann. Geuau dieses ist von freihänd-
lerischcr Seite gesagt worden, als man die nationale Wirtschafts-
pvülik begann, dcrcn Aufgabe eben darin bestehen sollte, uns vor den
schädlichen Einwirkungcn weltwirischaitlicher Zustände zu schützen.
Tatz dics nicht gelungcn ift. muh jeZt offen anerkannt werden. Trotz
ollcr Bcmühungen, von Staats wegen Jndustrie und Landwirtschaft
zu schützen, haben sie doch wirtschastlich „magere Jahre". Der Trost,
doh rs noch schlechter stchen würde, wenn Liese liebevolle Fürsorge
gciehlt hätie, vcrfängt auch schon nicht recht mehr. Allmäh-
lich drängt sich unsercii Jndustriellen und selbst unsercn Agra-
riern dte überzeugung auf, datz der Schaden, welchen sie aus
der immer größer werdenden Absperrung des Auslandes er-
leiden, Niindestens ebenso grotz ist wie der Nutzen, wclchen
ihiien der Ausichlutz frcmder Konkurrenz aus dem cinheimischen Markte
gebracht hat. Wenn die Erfahrungen, welche die lctzten Iabre gebracht
haben, schon vor 1879 gemacht wären, so würde schwerlich für die Zoll-
vorlage eine Mehrhcit erlangtsein, und könnten wir durch unsere Beschlüffe
den srüheren Zustand ohne weiteres zurückführsn, so würden sehr vicle,
die damals in den Schutzzvllen ihr Hcil sahen, sie heate schon beseitigcn.
Abcr unscr Vorgehcn hat eine so allgemeine Schutzzöllnerei hervor-
gerufen, datz Dsutschland nuf allen Seiten vvn immcr höher werdenden
Maucrn umgeben ist. Jn den anderen curvpäischen Ländern sind die
schutzzöllnerischen Intcreffen auch noch so stark, daß noch weitere trüb-
Das HcidrLvrxger Faß.
Bon l)r. Ad. Konicki.
Die Ruperto-Carola, unsere hochberühmtc alma niatsr zu Heidel-
berg, steht am Vorabenv ihreS 50». Geburtstages. Allerortcn rüflen
sich die Söhue, die scltenc Jubelfcier ihrer viclgeliebtrn, altehrwür-
digen Mntter würdig zu begehen. Nur noch eine kurze Zeitspaune und
in hellen Scharen werden sie einziehen in die hcrrüche vielbesungene
Neckarstadt, nach dem Tummetplatz der goldenen Frciheit akade-
rmschcn Lebcns, den Tribut der Pietät darzubringen und im
Genusse schöner Gegcnwart und der Erinnerung noch schönercr Ver-
gangenheit zu schwelgen. Jhnen allen, d?n alten und jungen
Semestern, den Philistern und alten Herren, den Burschen,
rüichseii und Finkeii hat Bacchus Huld für Leu libationenreichen
Kult dieser frülisren und jetzigen Studentenvperationcn eine bcsondere
Gnade zugedacht. Seincm vcrhütschelten Liebliug, dem irdischen
Könige aller hölzernen Fässer. dat der gütige Gott der Nebe einen
jedcs Zechergemut entzückenden Äuftrag gegeben. Wie in den Tagen
der Psalzgrafcii und Kursürsten werdcn der durstigen Kehlen unge«
zählte Scharen zuIiem vielbewunderteu Riesenban genialer Böttcher.
kuiist pilgernd. vom Koloß da druntcn ini Schlotzkeller sich den golde.
ven Trunk dcr psälzer Berge kredenzen lassen. Was thut's, daß in
ocn gcwvlbten Riesenleib des Fasses, deffen gewaltige Dauben nicht
wchr flüjsjgkeitsdicht aneinanderschlietzen, eigens sür die Jubellibation
ein kleineres Fatz versenkt worden ist! kia krauZ non clsclsssl. — Die
^sllusion der Zechcnden, denen ein KeÜermcister oon der Größe und
Tracht des Zwcrgs Perkeo anfwarten, wird, stört dies nicht, zumal
der Krahn des grvhen Fasscs das edle Natz enlsenden wird.
Wis sich der hölzerne Koloß im Schloßkeller des „Friedrichsbaus"
zu Heidelberg heute präsentiert. ist er üicht mchr das ursprüngliche
Werk jcnes Meisters, vcm Johann KasiiM im Jahre 1591 den Anf-
trag gab, „das grögte Fatz dcr Welt" zu erbauen. Dieses erste Faß,
die Vcrwirklichung cmer originellen Jdee, die, später immer wieder
vcrsolgt und durchgefuhrt, geradezu zum Ruhme dcr alten Ncckarstadt
vciträgt, hat die Stürme des drcißigjährigen Kriegcs nicht überdauert.
Tillys Scharcn vermchteten es. Nicht weniger als 15800» Trink-
flaschcn (132 Fuder, 3 Ohm und 3 Viertel) barg dicser Riesenleib, der
von 24 eisernen Neifen umgürtet war. welche die Kleiiiigkeit von
122 Centnern wogen! Von seinem Rauminhalt macht man stch un-
gefähr eme Vorstellung. wenn man die chronistischen Aufzeich.
nungen cines Studenten aus jener Zeit liest, welcher erzählt:
„Als der Herzog von Steuburg in Heidelberg mit Kurpfalz die Erb-
verbrüderung bekräftigte. ließ der Kursüst in das grotze Fatz, das
damals leer war. die Trompeter und Pauker setzcn, und hiett oben
E Tafcl. Da nun die hohen Personen speisetcn, mußten
sich pwtzlich die Trompeter nnd Pauker hören lassen. woraus die
bochfuritliche Geiellschaft sonderliches Vergnüaen scböpste." Jn seiner
Anlage entspracheii diesem Faß alle scine Nachfolger. So groß war
der Rcipskt der nachgeborenen Kollegen der Böttcherzunft vor der
sekige Erfahrungen notwendig sind, ehe einc freihändlerische Nicktung
Aussicht auf rfolg hat- Freilich werden diese Erfahrungen. wcnn nicht
alle Anzeiche trügen, recht balb kommen und recht empfindlich sein.
Jnsolge dcs Verbvts eines Volksfcstes ist cs am Sonntag und
Montag in Amsterdam zn Au-rschreilungen eines Teils der Bcvölke-
rung gekoinmen, die das Einschrciten dcs Militärs nowendig machten.
Es scheiuen sich dabei förmliche Stratzenschlachten cntwickelt zu
haben, denn lie Zahl Ler dnrch das Feuer der Svldaten Getöteicn
wird ouf 8 bis 10 angegeb- (cf. tel. Dep.l. Ob und wie weit diese
tief bedauerüchen Vvrsälle mit der sclt einiger Zeit auch in Holland
lebhaft auftrctcnden Agitalion dcr socialcnAnarchistcn zusammeuhängen,
ist vorläusig noch ungewiß.
Der Ausliefermigsoertrag zoischen England und den Ver-
einigten Staaten von Ame^ia wirbelt jenseits dcs atlantischen
Ocsans viel Staub auf. Gine Washingtoner Depesche meldet, es sei
Grund für die Annahme vorhanben, daß der Senat wichtige Zusätze
zu dem Vertrage in Vorschlag bringen werde. Dic irisch-amerikani-
schen Jonrnale speien Fener uc-Ä Flammen und bedrohen die Ver-
cinigten Staaten mit dem Hitz der Jren, falls sie einen solchen .im
Jntereffe der Tyrannei" ersonnenen Bertrag annehmen sollten.
Der spanische Ministerpräsident Sagasta glaubte in Camach o
den Arzt gefunden zu habcn, wslcher Spanien von der übeln Finanz-
lage, dem KreK, haden, welmer den geiamten Staatskvrper ange-
fressen hat, würH vefreien könncn. Der neue Finanzminister sah ein,
<n tiefen Schuitt ins Fleisch dem Übel dauernd zu
:s Land scheint bereits so abgestumpft zu sein, daß
.fließ'n kann, den damit verbundenen eimnaligen
zu ertragen. Wie die „Epoca" erfährt, hätte
er habe ein Budget aufgestcllt, wie cs dem That-
datz nur mit e
stcuern sei, aber
cs stch nicht eic
Schmerz standhv
Camacho gcäutzcrt,
bestande entspreche, es könne zwar einzclnen Provinzen schaden, dem
Ganzcn abcr müffe cs zum Vortril gereichen. Er sei in das Kabinett
berufen, um die Finanzen zu rettsn, er würde daher das Bndget vor-
lcgen, auch wcnn es ihn sein Psrtefeuille kosten solle. Die Gefahr
seines Sturzcs ist allerdings nahegerückt, denn die Führer der gesamten
Opposition: Salmcron, Castclar, Lopez Dominguez, Romcro Nodledo,
Labra und Canovas haben sich dahin geeinigt, das von Camacho vor
gelegte Budget zu vcrwerfen. Die Mehrheit Sagastas war allerdings
groß, abcr uicht unbcdingt zuverlässig, jedeusalls dürste sich daher die
Abstimmmig über das Budget zu einer für die Zukmift maßgebenden
Kundgkbuug für oder wider das Kabinett Sagasta gestalten. —
Einen vorläufigen Sieg hat die Regierung in der Frage des eng-
lischen Handelsv ertrages ersochtcn, der am Sonnabend zur Än-
nahme gelangt ist. Der ehemalige konservative Ministcr Romero
Robledo bekämpft den Entwurf mtt Entschicdenhcit. Dagegcn betonte
der gegenwärtige Minister dcs Äns'iväüitzcn, daß die Regicrung ver-
pflichtet wäre, eine Handelskouvenüon mit England abzuschließen. Er
wics auf die Notwendigkeit hiu, die Handelsbeziehuugen Spaniens zu
säintüchen Mächtcn zn verbessern, weil man andernfalls die spanischen
Häfen schlicßen müßte, was doch den Ruin des Landcs bedeuten
würde. Und die Mehrhcit der Kammer war cinsichtig genug, sich
dieser Meinung anzuschließen.
Der neueste Griff zur Erweitcrung europäischen Kolonialgebietes
ist von Portugal gethan worden. Jn der Nähe seines südafrikaiiischen
Gebietcs sind Goldfeldcr entdcckt worden und da hat der nüchstwvhnende
portugiesische Beamte nicht verfehlt, sosort seine Hand darauf zu legen.
Wie das lctzier Zsit fast unvermeidlich gewordsn ist, wird dabei das
Jntereffe eines anderen Staates wenigstens indirekt berührt, insofern
die Entdeckung jener Goldfeldcr deutschem Unternehmungsgeist zu-
geschrieben wird. Eine in Liffabon am 23. Juli aus Mozambique ein-
gegangene Depesche sagt nämlich, daß der Gouverneur von Manica
in Ostofrika die zwischen Manica und Tete am Zambesi gelegcnen
Territorien und Goldfelder, die von einem deutschen Forscher entdeckt
Leistung des kurfürstlichen Werkmejstcrs, daß sie später allesamt ge-
trcuüch uach diesem Modell arbeiten. So hatte auch schon das crste
Faß eine cmf scinen Rücken hinaufführcnde Treppe. dercn Stufcnzahl
je ncich der Höhe des zu besteigenden Riesenrückens natürüch ver-
schieden war. Das erste mit einem Aufwand von 1500 Goldgulden
erbaute Faß vom Jahre 1591 erforderte 27 Stufen dis zu seincm
Rücken, dasjenige, welches Karl Ludwig von der Pfalz im Jahre 1664
bauen ließ, sogar 50 Stufen. Diese zmcite Auflage eines alle Fässer
der Welt überragendeu Riescnfaffcs übertraf die erste noch bei
wcitcm. Das Jnncre barg nicht weniger als 283000 Flaschen
(204 Fuder, 3 Ohm und 4 Viertel). Jn ihm konnte beqncm ein
Mann mit dem Rennspieß ausrecht stehcn. Oben darauf. wo Vie zum
Rücken des Fasses hinanführende bOstiifige Treppe einmündete. war
ein Altan erbaut, der, von cinem Gitter umsriedet, voll 20 Fuß
im Quadrat maß. Sechs Personen koiintcn bequem darauf tanzen,
wenn es einer kurfürstlichen Caprice wieder einmal beliebte, die Mu-
siker in dem Faß zu placieren! An Len Böden mid Rändern dieses
Riesenfaffes war viel kunstooller Zierrat angebracht, und die Arabcs-
ken, Satyren und Bacchanten werden in den Büchern aus jener Zeit
übereinstimmend so gelobt, daß der Bildhauer Reinhold v. Wertb, der
Hofschreiiicr Christoph, der Ziinmermeister Hans Klebkvff und dcr
Hofkellermeister Johann Meyer geradezu Kunstwerke geschaffen haben
müffen. Freilich, die tierische Roheit Melacscher Horden (1689 und
1693) hat auch vor dtesem Werke deutschcn Fleißes und KönnenS keine
andere Achtung gezeigt wie vor dem hcrrlichsten Denkmal deutscher
Baukunst, dessen Rninen jetzt im Sckloßgarten zu Heidclberg klagend
und anklagend auf den Beschauer herniederschen.
Daß der vordere und hmlere Boden dieses Fasses mit eingegra-
benen Versen geziert war, entsprach dem Zwecke und der Sitte- Der
Jnhalt dieser Gedichte, teils humoristisch teils lehrhaft. kann hier un-
verkürzt um so eher wiedcrgegeben werden, als er cine weitere Ver-
brcitung bisher kaum gefunden haben dürfte. Da wird ziinächst in
acht Vierzeilcn die Geschichte des Faffes aemeldet. Wir geben sie und
alle folgcnden Verse getreu nach den Überliefcrnngen der Quellen:
Als tausend und sünfhundert Jahr Hernach das Faß viel Jahre stund,
Und neunzig eins die Jahr-Zahl war, Daß man es nicht mehr brauchen knnt,
Da Fürst Johannes Casimir Hi-lt weder Wasssr, Bier noch Wem,
War diejes Landes Schutz unb Zier, Lag in dem Keller nur zum Schcin.
worden, den portugiesischen Besitzungen in dieser Rcgion einver»
leibt habe.
Ward hier ein grosses Faß erbaut
Und als ein Wunder angeschaut,
Desgleichen zu derselben Zeit
War keines m der Christenheit.
Nachdem hat man auch in dem Neich
Berühmte Fässer unierm gleich
Als man der Sachen nachgedacht
Und etwan grösser aufgemacht.
Carl Ludwig, Churfürst hochgebohrn
Des Landes Troft von GOtt erkohrn
Bracht' in die Psaltz nach vielem Leyd
Den Segen, Ruh uud Sicherheit.
WaS Feindes-Haud, was Schwerdt
verheert
Was Krieges-Feuer hat verzehrt,
Jn diesem Lande, Schloß und Stadt,
Der fromme Fürst emeuret hat.
DeMsches Keirr,.
— ilber den Aufeiithalt des Kaisers in Wildbad Gastei«
schreibt man dcr „M. Allg. Ztg." von dort unter dem 23. Juli:
Kaiser Wilhelm setzt seinc Kur mit besteni Erfolqe fort und be»
findet sich, wic cr dem Statthalter Grafen Täun gegenüber
geäußert hat, „so wohl wie seit lange nicht." Vvn den Stra-
pazen der Reise hat sich der hohe Gast schon vollkommen er-
holt, wie dies das frische Aussehen, dcr clastische Gang und
die aufrecbte Hallung dcs Mvnarchen deutlich zeigen. Nllge-
mcines frendiaes Erstaunen crregte cs, als Kaiser Wilhelm
gestern um 1 Nbr mittags der Nichte des Stntthalters Grasen Thua
einen Bcsuch abstattete. dic beidcn Stockwerke des Straubinger.Hotcls,
woselbst die Dame wohnt, mit einer Leichtigkeit erslieg, die das hohe
Alter des Monarchcn vollkommcii vergessen machte. Operndirektor
von Strantz bestndet sich seit vorgestern dier und wird, wie alljährlich,
in der Billa „Solitnde" Theatcrvorstellungen arrangieren. Bcreits
am nächsteii Montag soll die erste Vorstellung statlfinden uud cs sind
die Proben hierzn in vollem Gange.
— Die preußische Armee ist von einem neuen Verlust belroffe«
worden: der Gouverneur von Berlin Freiherr v. Williscn ist
am Sonnabend abend nach schwerem, langem Leiden gestorben. Willisen,
vor mehrercn Jahren zum Gouvenicur von Berlin crnannt, war im
Verlauf seiner glänzenden militärischen Carriere am 20. September
1884 zum General d er Kavallerie befördcrt ivorden. Mit einer Anzahl
hoher Orden, Preußischcr und nichtpreußischer, war der Verstorbene
dekoriert worden; 1870 wurde cr im deutsch-französischen Kriegc mit
dem eisernen Krcuze erster Klaffe ausgezeichnct. Dsr Geueral, welchcr
im Alter von 68 Jahren stand, war schon scit Dezember vorigen
Jahres wegen einer schweren Nicrenkrankheit »ezwungen, das Zimmer
zu hüten, cine Herztähmung machte dcm Leben dcs Patienten ein Ende.
— Mit Bezug aus die Darstellung, welche über die Beteiügung
des Frciherrn von Franckenstein bei dcn bckannten Ereignissen i«
Bahcrn die Münchener „Neucst. Nachr." publizierten, vcrösfentlicht
jetzt Herr von Franckenstein solgende Erkläruna:
„Am 11. morgens vor 8Uhr bekam ich in Marienbad vom Flügel»
adjutanten Grafen Dürckheim das im allerhöchsten Auftrage an mich
gerichtete Tclegramm aus Reutte, sofort dahin zu kommen. Zch be-
antwortete das Telegramm zusagend, reiste mit dem nächslen Zuge
von Marienbad ab und wurde alsbald nach meiner Ankunst in
München von Sr. königlichen Hoheit dem Prinzregeitten, bei
dem ich inich zur Audienz gemeldet hatte, empfangen. Jch teilte
Sr. königüchen Hoheit das im allerhöchsten Austrage an mich
gerichtete Telegramm mit unv sagte dem Prinzreqenten. datz
ich entschlossen sei. so bald als möglich dem Wunsche des
Königs Folge zu leisten. Durch Se. königliche Hoheit erfuhr ich,
daß der König nicht in Reutte, svndern in Hohenschwangau sei, und
nachdem der Prinzregent mir erkiärt hattl>, ich würde dort nicht zum
Konige qelaffen iverden, mußte ich die Reise nach Hohenschwanga»
ausgeben."
Hierzu bcmerken die „N. N-": „Der erste General der ultramon.
lanen Armee in Bayern, Baron Franckenstein, fühlt daS dringende
Bedürsins, sich und seine Partei noch tiefer in den Sumpf zu reite«.
Am 1l. Juni morgens erhiclt also Barou Fraiickenstein Las Telegramm,
welches er als Auftrag der Bildung des neuen Kabinetts ansehen mußte.
A>n 10., vormittags 10 Uhr, also 22 Siunden vorher, war die
Proklamation des Priuzregenten, laut welcher er die Regierung des
Königrcichs wegen schwerer geistiger Erkrankung des Monarchen übev»
nommcn hatte, ösfeutlich b^kannt gemacht worden und es muß auch
die Kunde von diesem Ereignis in das Jdyll von Marienbad
gedrungen sein. Aber selbst wenn Baron Franckenstein allein
von der die ganze Welt erschüttcrnden Kunde in Marienbad
und auf der ganzen langen Reise nach München kein Sterbens-
wörtchen erfuhr, hier in München hörte er ffe aus dem Munde deS
Prinzregenten, und trotzdem bestand er darauf, dem „Wunsche" deS
geisteskranken Königs Folge zu lcistcn, bis ihm der Prinzregcnt einea
Riegel vorschob."
— Ein Berliner Telegramm der »Kölnischen Zeitung" bezeichnet
d!e Nachrichten über bevorstchende wichtige Umwandlungen im
diplomatischen Pcrsvnal als mirichtig. Keine jener Verände»
rungen, welche den Grafen Münster, den Grafen Hatzfeldt und deu
Auf dessen Willen und Geheiß, Gott segne die Pfaltz bey Rhein
Das Heydelberg erhielt den Preiß, Von Jahr zu Jahr mit gutem Wein,
War dieses Faß so aufgeführt Daß dieses Jahr und andre mehr,
Und, wie mans siehet, ausgeziert. Nicht, wie das alte, werde lecr.
Auf der anderen Seite des Fasses wurde in dem derben Humor
des 17. Jahrhuiidcrts Wcin und Faß das Wort geredet:
Der Wein erqnicket Jung und Alten Wir können vieler Ding' entbehren,
Und wird darumben aufbehalten Auch diß und ;enes nicht begehren,
Er gibt dem Lands-Knecht Helden- Doch werden wenig Münner seyn,
Muth, Die Weiber hassen und den Wein.
Daß er srisch waget Leib und Blut. ^r Wein uns fremde Sprachen lehri,
Wann Jörg und Freudensberg lcben Den Blöden Hertz und Mnth vermehrt;
solte Berauscht man sich, so werden glcich
Und seinen Knechten geben wolte Der Knecht einHerr, der Bettler reich.
D--».«...
Man untersteht sich vieler Sachen Ein jedermann nach beyden trachtet,
Und will, was gut ist, besser machen, Der Mann bestehet in der Welt,
Der aber übertreffen wolt Der mäßig brauchet Wein und Geld.
Diß Faß, sich wohl besinnen solt. Man banet Bier im Land zu Meiffeu.
Jn diesem Faß sind angeschlossen Jn Sachsen, Pommern, Holland,
Viel schöner Sprüch', anch Schimpf Preussen.
und Possen, Goit Lob! Die edle Pfaltz am Rhci«
Nachdem in seinem Hirn der Mann. Gibt uns und ihnen guten Wein
Der trinkt, die Wein vertragen kann
Auf den vier Gestchtern ves Fasses standen folgende Verse:
1.
Seyd willkommen hier bey diesem Faß,
Kein größeres gesmiden wird als das.
2.
Eben mit dir sind unser vier.
3.
Warum solt ich nicht frölich seyn,
Bi» ich doch allzeit bey dcm Wein.
4.
Jch hab' mehr groß Faß gesehen,
Das behält den Ruhm, mnß ich gestehn.
Es ist bereits oben gesagt worden, daß im Sengen, Brennen uud
Plündern von Stadt und Schlvß durch Melacs Kriegsknechte dieseS
kunstvolle Werk der Schreiner-, Böttcher-, Bildhauer-, Maler- und
Schlosserkunst am 22. Mai 1693 fast ganz vernicktct worden ift. Nur
einzelne Teile konnten bei der späteren Reftanration wieder benutzt
werden, nicht aber mehr die beiden Bödcn mit den Jnschrifien uno
Verzierungen. Auf Kurfürst Karl Philipps Geherß wurde das neue