Franz Schubert: Sinfonie Nr. 9 C-dur
Eineinhalb Jahre nach der Komposition der “Unvollendeten“, im März 1824,
berichtete Schubert seinem Freund Kupelwieser in einem Brief, er habe neue
Streichquartette und ein Oktett in Angriff genommen und wolle sich “auf diese Art
den Weg zur großen Sinfonie bahnen“. Doch was ihm damals als sinfonisches Ideal
vorschwebte, konnte er nur noch in einem einzigen Werk realisieren, bevor er, 31
Jahre alt, im November 1828 starb: in der großen C-dur-Sinfonie.
Zur Entstehungsgeschichte dieser Sinfonie wird vielfach angenommen, daß
zumindest die Vorarbeiten dazu bis in den Sommer 1825 zurückreichen. Das
Autograph läßt erkennen, daß Schubert den größten Teil der Partitur in wenigstens
zwei Arbeitsgängen niederschrieb: zunächst den Entwurf der führenden Stimmen,
dann die gesamte Ausarbeitung. Die Niederschrift der Partitur, die er im März 1828
beendete, zeigt mehr Anzeichen der Überarbeitung als andere Manuskripte
Schuberts.
Eine erste Aufführung der Sinfonie sollte, wenige Wochen nach Schuberts Tod, am
14. Dezember 1828 in Wien stattfinden, wurde aber, ebenso wie die zweite, für den
15. Dezember 1839 geplante Wiener Aufführung, durch die Orchestermusiker
vereitelt. Sie hielten die Sinfonie für zu lang und zu schwierig. Auch ein Versuch
Ferdinand Schuberts, den vierten Satz am 17. April 1836 im Redoutensaal allein
aufführen zu lassen, schlug aus diesen Gründen fehl. Ähnlichem Widerstand
begegneten spätere Aufführungen in Paris 1842 und in London 1844. Die Leipziger
Uraufführung kam vor allem durch die Bemühungen Schumanns zu stände. Nach
Schuberts Tod verwahrte sein Bruder Ferdinand die Partitur. Dort entdeckte sie
Robert Schumann zehn Jahre später und veranlaßte ihre Übersendung an das
Leipziger Gewandhaus, wo die C-dur-Sinfonie am 21. März unter Felix
Mendelssohn Bartholdys Leitung zum ersten Mal erklang und, nach Schumanns
Wort, auf die Zuhörer wirkte, “wie nach den Beethoven’schen keine noch“.
In seinen letzten Werken, vor allem in der Neunten Sinfonie, folgte Schubert den
Kompositionsprinzipien des bewunderten Beethoven und versuchte, jedem Werk
eine schlüssige und individuelle Formentwicklung zu geben. Dies gelang ihm auf
eine durchaus eigenständige Weise. So läßt sich aus jedem der vier Sätze der
Neunten Sinfonie ablesen, wie Schubert sich die kompositorischen Praktiken der
Wiener Klassiker angeeignet und bruchlos in die eigene Tonsprache integriert
hatte. Für den ersten Satz fand Schubert eine ebenso originelle wie schlüssige
Formlösung, als er im Allegro-Teil mehrfach das Hornthema des einleitenden
Andante anklingen ließ und den Satz durch dessen Fortissimowiederkehr am
Schluß abrundete. Die Themenkomplexe des Finale sind in Melodie und
Begleitung bis zur letzten Note aus dem bisher verwendeten Material abgeleitet.
Der begeisterte “Schubertianer“ Robert Schumann bemerkte nach der
Uraufführung in Leipzig: “In dieser Sinfonie liegt mehr als bloßer schöner Gesang,
mehr als bloßes Leid und Freud, wie es die Musik schon hundertfältig
ausgesprochen, verborgen, ja, sie führt uns in eine Region, wo wir vorher gewesen
zu sein uns nirgends erinnern können“. Und der Musikologe Hermann Kretschmar
schrieb über Schuberts Neunte: “Die schönste, die musikalisch reichste Sinfonie des
19. Jahrhunderts“.
Guido Barth
Eineinhalb Jahre nach der Komposition der “Unvollendeten“, im März 1824,
berichtete Schubert seinem Freund Kupelwieser in einem Brief, er habe neue
Streichquartette und ein Oktett in Angriff genommen und wolle sich “auf diese Art
den Weg zur großen Sinfonie bahnen“. Doch was ihm damals als sinfonisches Ideal
vorschwebte, konnte er nur noch in einem einzigen Werk realisieren, bevor er, 31
Jahre alt, im November 1828 starb: in der großen C-dur-Sinfonie.
Zur Entstehungsgeschichte dieser Sinfonie wird vielfach angenommen, daß
zumindest die Vorarbeiten dazu bis in den Sommer 1825 zurückreichen. Das
Autograph läßt erkennen, daß Schubert den größten Teil der Partitur in wenigstens
zwei Arbeitsgängen niederschrieb: zunächst den Entwurf der führenden Stimmen,
dann die gesamte Ausarbeitung. Die Niederschrift der Partitur, die er im März 1828
beendete, zeigt mehr Anzeichen der Überarbeitung als andere Manuskripte
Schuberts.
Eine erste Aufführung der Sinfonie sollte, wenige Wochen nach Schuberts Tod, am
14. Dezember 1828 in Wien stattfinden, wurde aber, ebenso wie die zweite, für den
15. Dezember 1839 geplante Wiener Aufführung, durch die Orchestermusiker
vereitelt. Sie hielten die Sinfonie für zu lang und zu schwierig. Auch ein Versuch
Ferdinand Schuberts, den vierten Satz am 17. April 1836 im Redoutensaal allein
aufführen zu lassen, schlug aus diesen Gründen fehl. Ähnlichem Widerstand
begegneten spätere Aufführungen in Paris 1842 und in London 1844. Die Leipziger
Uraufführung kam vor allem durch die Bemühungen Schumanns zu stände. Nach
Schuberts Tod verwahrte sein Bruder Ferdinand die Partitur. Dort entdeckte sie
Robert Schumann zehn Jahre später und veranlaßte ihre Übersendung an das
Leipziger Gewandhaus, wo die C-dur-Sinfonie am 21. März unter Felix
Mendelssohn Bartholdys Leitung zum ersten Mal erklang und, nach Schumanns
Wort, auf die Zuhörer wirkte, “wie nach den Beethoven’schen keine noch“.
In seinen letzten Werken, vor allem in der Neunten Sinfonie, folgte Schubert den
Kompositionsprinzipien des bewunderten Beethoven und versuchte, jedem Werk
eine schlüssige und individuelle Formentwicklung zu geben. Dies gelang ihm auf
eine durchaus eigenständige Weise. So läßt sich aus jedem der vier Sätze der
Neunten Sinfonie ablesen, wie Schubert sich die kompositorischen Praktiken der
Wiener Klassiker angeeignet und bruchlos in die eigene Tonsprache integriert
hatte. Für den ersten Satz fand Schubert eine ebenso originelle wie schlüssige
Formlösung, als er im Allegro-Teil mehrfach das Hornthema des einleitenden
Andante anklingen ließ und den Satz durch dessen Fortissimowiederkehr am
Schluß abrundete. Die Themenkomplexe des Finale sind in Melodie und
Begleitung bis zur letzten Note aus dem bisher verwendeten Material abgeleitet.
Der begeisterte “Schubertianer“ Robert Schumann bemerkte nach der
Uraufführung in Leipzig: “In dieser Sinfonie liegt mehr als bloßer schöner Gesang,
mehr als bloßes Leid und Freud, wie es die Musik schon hundertfältig
ausgesprochen, verborgen, ja, sie führt uns in eine Region, wo wir vorher gewesen
zu sein uns nirgends erinnern können“. Und der Musikologe Hermann Kretschmar
schrieb über Schuberts Neunte: “Die schönste, die musikalisch reichste Sinfonie des
19. Jahrhunderts“.
Guido Barth