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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0025
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Die Stellung der Inden: ihre Ansprüche 13

zu Dotationen für seine Minister —, daß die Humanität als Haupt-
motiv nicht anzusehen ist. Die Frage war nun, ob dies Geschäft
rechtsgültig sein sollte. Wenigstens beschäftigten sich damit vor-
zugsweise die Gutachtelt der verschiedenen während des langen
Streites angerufenen Fakultäten. Die Stimmung der Stadt Hatte
sich nach dem Zeugnis Kirchners in den wenigen Jahren völlig
verändert. Zur Zeit der Emanzipation hätte man jeden ungebildet
gescholten, der gezweifelt hätte, daß die Juden „nicht schon jetzt
zu allem reif seien, was man unter der Sonne aus ihnen machen
wollte"^). Viele Gründe mögen zum Umschwung beigetragen
Haben. Die berechtigte, aber wohl zu deutlich zur Schau getragene
Siegesfrohheit der Juden, ihre schleunige Ausdehnung über die
Stadt, vor allem ihr glücklicher Erfolg bei den gerade damals sa
voZus kommenden Geldspekulationen — das erregte Zorn, Mißmut
und ganz besonders gesteigerte Konkurrenzfurcht bei der christlichen
Bürgerschaft. Die juristische Fakultät von Berlin drückte Erwägungen
dieser Art so aus?): „Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß
nun auch noch rationss salutig reipublioae obriZtianao in vorzüg-
lichen Betracht kommen müssen." Damit war etwas geschraubt
die Lehre vom christlichen Staat formuliert, und der Senat erklärt
im Namen der Stadt Frankfurt deutlich genug: „Soll sich Hiesige
Freie Stadt nicht in eine Judenstadt verwandeln, so müssen die
jüdischen Einwohner beschränkt bleiben." Die seit 1815 im Flor
stehende Deutschtümelei verstärkte und rechtfertigte diesen Egoismus.
Die Judenschaft hat ihr wohlerkauftes Recht gegen solche staats-
klugen Erwägungen zäh verteidigt. Die Frage der Wohnung, des
Gewerbes und der Handlung waren die am meisten umstrittenen
— auf die sozialwirtschaftliche Gleichberechtigung legten also die
Juden besonderes Gewicht. — Erst das Gesetz von 1824 hat die
Angelegenheit geregelt. Die Juden wurden als „israelitische Bürger"
privatrechtlich den Christen völlig gleichgestellt. Der Charakter
ihrer ehemals reichsstädtischen Stellung — sie waren damals ein

H Kirchner, Ansichten von Frankfurt a. M. 1818, I, 200.
^ Gegenerklärung Hohen Senats an Hohe deutsche Bundesversammlung.
Die Widerlegung der von der Frankfurter Judenschaft an H. B. gebrachten
Ansprüche. (Abgedruckt in den nachträglichen Aktenstücken zu den Protokollen.)
Anlage 2. Gutachten der Juristenfakultät zu Berlin über die rechtliche Lage
der Juden zu Frankfurt und über die Kompetenz des Bundestages in dieser
Sache. IV, 43 f. Bender, Der frühere und jetzige Zustand der Israeliten zu
Frankfurt nebst Verbesserungsvorschlägen. Frankfurt 1833. — Frankfurter Pri-
vatrecht, S. 64 ff.
 
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