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Frankfurt vor der Revolutioir
Man entschließt sich zu Anbauten, nicht zu Neubauten, das Resultat
ist ein schwerer unübersichtlicher Komplex, der fortdauernd die
Stilarten von mehreren Jahrhunderten aufweist. So ist auch das
Bild, wenn man die Hoheit der Stadt aus ihren Ursprung ansieht.
Sie war eine Summe von ganz heterogenen, auf Verträgen, Kauf
u. s. w. beruhenden Gerechtsamen, von denen sich bis in die Gegen-
wart des 19. Jahrhunderts die Spur uud Art der Herkunft in
Bräuchen und Lasten erhielt. So besaß über das eine der acht zum
Laudgebiet gehörenden Dörfer, Niederrad, die Stadt das Kondo-
minat mit Österreich, als dem Rechtsnachfolger des daselbst reich-
begüterten Deutschordens: in jedem vierten Jahre fielen bis 1842 die
Einkünfte der Ortschaft der K. K. Kommendeverwaltung zu. Auch
das Deutschordenshaus in Sachsenhausen besaß Österreich „mit
Souveränität"^). So übte ferner die Stadt als Rechtsnachfolgerin
der städtischen Stifter von St. Bartholomä und St. Leonhard die
Patronatsrechte in mehreren „auswärtigen" Dörfern aus?) —
eine beständige Quelle von Auseinandersetzungen sowohl mit der
kirchlichen Behörde — dem Bischof von Limburg — als der Landes-
Herrschaft — dem Kurfürsten von Hessen.
Auch die Finanzverwaltung der Stadt zeigt die seltsame Mischung
zwischen modernen Forderungen und altem Brauch, von dem man
sich nicht trennen konnte. Pläne zu einer neuen Steuergesetzgebung
wurden immer wieder entworfen — es blieb doch in der Hauptsache
bei der sehr bequemen, oben schon erwähnten Einkommensteuer.
Sie traf progressiv alle Einkommen von dreihundert bis achttausend-
fünfhundert Gulden, die darüber hinausgehenden, also die eigent-
lich großen Einkommen, unterlagen keiner größeren Steuerlast als
der Satz von achttausendfünfhundert Gulden — was eine un-
geschminkte Privilegierung der steuerkräftigsten Teile der Bevöl-
kerung bedeutete; wenigstens ist das die sehr verständliche, immer
wiederholte Klage der „nicht Privilegierten", das heißt ihrem
Einkommen entsprechend Herangezogenen Bevölkerungsschichten. —
Auch die Kontrolle war lax genug. Die Bürger schätzten sich selber
ein. Nahm die Behörde Anstand, so wurde der Bürger vor sie
beschieden und eine gütliche Übereinkunft versucht. Nur in
schwierigen Fällen wurde der Eid gefordert. Hatte aber eine
Berichtigung stattgefunden, so war ein für alle Mal die Sache
erledigt. Ferner existierten mäßige Abgaben auf Brot,
9 Wiener Kongreßakte, Artikel öl. Klüber a. a. O. I, § 173 a.
2) v. Oven, Patronatsrechte der Stadt Frankfurt. M. d. B. f. Gesch.
u. Alt. V, S. 449.'
Frankfurt vor der Revolutioir
Man entschließt sich zu Anbauten, nicht zu Neubauten, das Resultat
ist ein schwerer unübersichtlicher Komplex, der fortdauernd die
Stilarten von mehreren Jahrhunderten aufweist. So ist auch das
Bild, wenn man die Hoheit der Stadt aus ihren Ursprung ansieht.
Sie war eine Summe von ganz heterogenen, auf Verträgen, Kauf
u. s. w. beruhenden Gerechtsamen, von denen sich bis in die Gegen-
wart des 19. Jahrhunderts die Spur uud Art der Herkunft in
Bräuchen und Lasten erhielt. So besaß über das eine der acht zum
Laudgebiet gehörenden Dörfer, Niederrad, die Stadt das Kondo-
minat mit Österreich, als dem Rechtsnachfolger des daselbst reich-
begüterten Deutschordens: in jedem vierten Jahre fielen bis 1842 die
Einkünfte der Ortschaft der K. K. Kommendeverwaltung zu. Auch
das Deutschordenshaus in Sachsenhausen besaß Österreich „mit
Souveränität"^). So übte ferner die Stadt als Rechtsnachfolgerin
der städtischen Stifter von St. Bartholomä und St. Leonhard die
Patronatsrechte in mehreren „auswärtigen" Dörfern aus?) —
eine beständige Quelle von Auseinandersetzungen sowohl mit der
kirchlichen Behörde — dem Bischof von Limburg — als der Landes-
Herrschaft — dem Kurfürsten von Hessen.
Auch die Finanzverwaltung der Stadt zeigt die seltsame Mischung
zwischen modernen Forderungen und altem Brauch, von dem man
sich nicht trennen konnte. Pläne zu einer neuen Steuergesetzgebung
wurden immer wieder entworfen — es blieb doch in der Hauptsache
bei der sehr bequemen, oben schon erwähnten Einkommensteuer.
Sie traf progressiv alle Einkommen von dreihundert bis achttausend-
fünfhundert Gulden, die darüber hinausgehenden, also die eigent-
lich großen Einkommen, unterlagen keiner größeren Steuerlast als
der Satz von achttausendfünfhundert Gulden — was eine un-
geschminkte Privilegierung der steuerkräftigsten Teile der Bevöl-
kerung bedeutete; wenigstens ist das die sehr verständliche, immer
wiederholte Klage der „nicht Privilegierten", das heißt ihrem
Einkommen entsprechend Herangezogenen Bevölkerungsschichten. —
Auch die Kontrolle war lax genug. Die Bürger schätzten sich selber
ein. Nahm die Behörde Anstand, so wurde der Bürger vor sie
beschieden und eine gütliche Übereinkunft versucht. Nur in
schwierigen Fällen wurde der Eid gefordert. Hatte aber eine
Berichtigung stattgefunden, so war ein für alle Mal die Sache
erledigt. Ferner existierten mäßige Abgaben auf Brot,
9 Wiener Kongreßakte, Artikel öl. Klüber a. a. O. I, § 173 a.
2) v. Oven, Patronatsrechte der Stadt Frankfurt. M. d. B. f. Gesch.
u. Alt. V, S. 449.'