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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0045
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Die bürgerlichen Zeitungen und ihre belletristischen Beiblätter ZZ

gegen alle Regierungen, frei und wahr nach den bestehenden
Gesetzen die politischen Ereignisse des Tages in einer gut gewählten
Auswahl guter Quellen und aus den besten politischen Blättern"
mit. Es war also ein gesinnungstüchtiges, harmloses Raubblatt.
Später wuchs es sich zu einem bedeutenden liberalen Organ aus.
Auf dem gleichen Standpunkt stand das Frankfurter Staatsristretto
(1816), das sich auch „Sammlung der merkwürdigsten Ereignisse"
nannte. Kommentare oder politische Erörterungen fanden auf den
täglich erscheinenden vier Seiten in Quartformat keinen Raum, ein
Leitartikel kam nicht vor, außer etwa einem sehr überschwänglichen
Morgengruß zum Jahresanfang, der sich von allen Erdbewohnern
an die deutschen Fürsten und so nach und nach zur „guten freien"
Stadt wandte. Aus diesem Blatt hat Börne ein politisches Journal
machen wollen — es hieß seitdem (1817) Zeitung der freien Stadt
Frankfurt. Aber die beständigen Konflikte mit der Zensur Haben
seine Tätigkeit empfindlich geschmälert und nach wenigen Monaten
beendet. Bis 1831 erschien das Blatt dann unter dem neuen
Namen in der alten braven Weise.
Es ist charakteristisch für Verallgemeinerung und Berflachuntz
des literarischen Interesses, daß diese bürgerlichen Zeitungen
belletristischer Beiblätter bedurften, um ihren Leserkreis zu be-
friedigen. Auf der niedersten Stufe in dieser Beziehung standen
die „Wöchentlichen Unterhaltungen für Stadt und Land" (1817—33)
(zum Journal), deren Material aus Anekdoten, alten Sagen, ver-
ziert mit modern-pädagogischem Schluß, auch Aufsätzen von so
nützlicher Art: Wie dem Brotmangel bei einem Volke abzuhelfen
sei — bestand. Beiträge aus dem Leserkreis waren üblich, natürlich
Lyrik. Da konnte man einen Anonymus eine Schauspielerin
rührend und begeistert ansingen Hören, und wie aufgeklärt der
Frankfurter Philister war, der sich Heinrich der Franke (!) nannte,
beweist sein Hymnus an den Namens- und Dichterbruder Heinrich
Heine:
„Heine, Heine, lieber Heine,
Laß die Finsterlinge schwärzen —
Reiner Liebe Liebeslieder
Klingen doch zu reinem Herzen.
Wollen fühllos, pfauenschwänzig
Dich die hohen Nasen necken,
Wirst du sie mit deinen Blitzen,
Wie der Adler Kröten schrecken."
Die Verse beweisen auch, welch ästhetisches Unheil das Buch der
Lieder schon gleich nach dem Erscheinen unter dem Volke anrichtete.
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