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Hooch, Pieter de; Valentiner, Wilhelm Reinhold [Editor]
Pieter de Hooch: des Meisters Gemälde in 180 Abbildungen : mit einem Anhang über die Genremaler um Pieter de Hooch und die Kunst Hendrik van der Burchs — Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben, Band 35: Stuttgart, Berlin, Leipzig: Deutsche Verlags-Anstalt, 1929

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Pieter de Hooch
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https://doi.org/10.11588/diglit.57089#0017
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PIETER DE HOOCH
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Die Wirkung bedeutender Gemälde auf die Allgemeinheit hängt vor allem mit
gewissen allgemein menschlichen Empfindungen zusammen, die von dem Motiv
der Darstellung ausgehen. Pieter de Iloochs Kunst, die mit Recht um der Schil-
derung behaglicher Innenräume willen berühmt ist, baut sich auf der instink-
tiven Erkenntnis des Meisters auf, daß das Gefallen an einem stillen, von der
Sonne freundlich beschienenen Raum tief in der menschlichen Natur begründet
ist. Da der Mensch auf den Wechsel des Lebens im Innenraum und im Freien
angewiesen ist, hat sich sein Empfinden dieser Notwendigkeit derart angepaßt,
daß er dieses Wechsels auch zum Gleichgewicht seiner inneren Kräfte bedarf.
Er verlangt, wenn er sich zu lange im freien Raum aufhält, nach der Rückkehr in
einen engen Raum, um sich auf sich selbst zu konzentrieren und wieder in eine
ihm begreifliche Beziehung zu seiner Umgebung zu kommen. Namentlich wenn
sich gegen Abend die Formen der Natur verallgemeinern und ins Riesenhafte
wachsen, weiß er sich nicht mehr in ein meßbares Verhältnis zum Raum zu
setzen; ein Gefühl der Unsicherheit beschleicht ihn. der unendliche Raum wirkt
bald mehr bedrückend als erhebend, und nach einer vorübergehenden Bewun-
derung des ungeheuerlichen Maßstabes des Weltalls, mit dem sein Verstand nichts
anfangen kann, kehrt er gern in seine Behausung zurück. Hier überkommt ihn
sogleich Ruhe und Behagen, hier fühlt er sich trotz seiner Kleinheit groß. Denn
die Wände, die andere seinesgleichen gebaut haben, sind seinen winzigen Ver-
hältnissen angepaßt. — Bei Pieter de Hooch sind diese Verhältnisse noch beson-
ders angenehm. Der Bewohner wird sich doppelt überlegen fühlen, da er sein-
groß im Verhältnis zu den Räumen erscheint, ein charakteristisches Verhältnis
für den Bewohner des Flachlandes, der, vielleicht weil er dauernd mit dem
unendlichen Raum unmittelbar in Berührung kommt, kleine, niedere Behau-
sungen liebt.
Noch um eines anderen Momentes willen erfreuen sich die Innenräume Pieter
de Floochs besonderer Beliebtheit: aus den halbdunklen Gemächern öffnet sich
durch Fenster und Tür ein Blick in einen belichteten Nachbarraum und ins Freie.
Auch dem Gefallen an diesem Motive liegt ein allgemeines Empfinden zugrunde.
Der Mensch fühlt sich im völlig umschlossenen Raum nicht wohl; er braucht
die Verbindung mit der Außenwelt. Entsprechend jenem ihm zur Notwendigkeit
gewordenen Wechsel des Aufenthaltes im Innenraum und im Freien wechselt in
ihm der Wunsch, nach Hause zurückzukehren, mit der Sehnsucht, ins Freie zu

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