Die Victoria von Fossombrone
Forum Sempromi
Aufgrund ihrer Beliebtheit und Schönheit hat man die
Kasseler Bronzestatuette der römischen Siegesgöttin nach
ihrem angeblichen Fundort in Italien benannt: Victoria
von Fossombrone (Kat. Nr. 1, Abb. 1-4, Falttafel). Eine
individuelle Bezeichnung dieser Art wird in der Archäo-
logie nur bedeutenden Kunstwerken zugestanden.
Der Ortsname von Fossombrone in den Marken geht
auf das römische Forum Sempromi zurück. Die antike
Kleinstadt wurde etwa zwei Kilometer östlich des moder-
nen Fossombrone entdeckt. Vermutlich erhielt der Ort an
der Via Flaminia, einer wichtigen römischen Fernstraße,
seinen Namen durch Caius Sempronius Gracchus, einen
Reformpolitiker des 2. Jahrhunderts v. Chr. Bereits im 15.
Jahrhundert fand man hier römische Antiken, was inten-
sive Grabungen in den folgenden Jahrhunderten nach sich
zog. Großes Interesse an den Funden aus Forum Sempromi
kommt unter anderem in Schriften des italienischen Topo-
graphen Leandro Alberti und des Philosophen Michel de
Montaigne zum Ausdruck.4 Immer wieder wurden bron-
zene, zum Teil vergoldete Bruchstücke von Statuen ge-
nannt. Forum Sempromi war ein reicher Fundplatz von
Bronzen. Das konnte durch Ausgrabungen der letzten
Jahre bestätigt werden.’ In keiner älteren Publikation über
Forum Sempromi wird jedoch eine weibliche Statuette mit
Flügeln erwähnt.6 Auch in den Archivalien des Kasseler
Museums ist kein Dokument erhalten, das den Erwerb
durch Landgraf Friedrich und die Umstände des Kaufes
belegt. Viele der alten Akten sind im Zweiten Weltkrieg
verbrannt. Wir können deshalb Forum Sempromi oder
Fossombrone als Fundort der Victoria nicht sicher bele-
gen. Unser Wissen über die Herkunft der Figur basiert
auf Angaben von Autoren des 19. Jahrhunderts, denen
umfangreichere Quellen zur Verfügung standen, als wir
sie heute haben.7 Auch die Nennung des Kunsthändlers
Sibilio stützt sich lediglich auf die Erwähnung Margarete
4 Leandro Alberti (1479-1552):
Descrittione di tutta Italia,
1550, S. 284; Michel de
Montaigne (1533-1592):
Journal de voyage en Italie par
la Suisse et l’Allemagne en
1580 et 1581, hrsg. 1774.
5 Pergola 2002, S. 27.
6 Vernarecci 1903.
7 Appel 1849, S. 38;
Kassel 1870, S. 12.
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Forum Sempromi
Aufgrund ihrer Beliebtheit und Schönheit hat man die
Kasseler Bronzestatuette der römischen Siegesgöttin nach
ihrem angeblichen Fundort in Italien benannt: Victoria
von Fossombrone (Kat. Nr. 1, Abb. 1-4, Falttafel). Eine
individuelle Bezeichnung dieser Art wird in der Archäo-
logie nur bedeutenden Kunstwerken zugestanden.
Der Ortsname von Fossombrone in den Marken geht
auf das römische Forum Sempromi zurück. Die antike
Kleinstadt wurde etwa zwei Kilometer östlich des moder-
nen Fossombrone entdeckt. Vermutlich erhielt der Ort an
der Via Flaminia, einer wichtigen römischen Fernstraße,
seinen Namen durch Caius Sempronius Gracchus, einen
Reformpolitiker des 2. Jahrhunderts v. Chr. Bereits im 15.
Jahrhundert fand man hier römische Antiken, was inten-
sive Grabungen in den folgenden Jahrhunderten nach sich
zog. Großes Interesse an den Funden aus Forum Sempromi
kommt unter anderem in Schriften des italienischen Topo-
graphen Leandro Alberti und des Philosophen Michel de
Montaigne zum Ausdruck.4 Immer wieder wurden bron-
zene, zum Teil vergoldete Bruchstücke von Statuen ge-
nannt. Forum Sempromi war ein reicher Fundplatz von
Bronzen. Das konnte durch Ausgrabungen der letzten
Jahre bestätigt werden.’ In keiner älteren Publikation über
Forum Sempromi wird jedoch eine weibliche Statuette mit
Flügeln erwähnt.6 Auch in den Archivalien des Kasseler
Museums ist kein Dokument erhalten, das den Erwerb
durch Landgraf Friedrich und die Umstände des Kaufes
belegt. Viele der alten Akten sind im Zweiten Weltkrieg
verbrannt. Wir können deshalb Forum Sempromi oder
Fossombrone als Fundort der Victoria nicht sicher bele-
gen. Unser Wissen über die Herkunft der Figur basiert
auf Angaben von Autoren des 19. Jahrhunderts, denen
umfangreichere Quellen zur Verfügung standen, als wir
sie heute haben.7 Auch die Nennung des Kunsthändlers
Sibilio stützt sich lediglich auf die Erwähnung Margarete
4 Leandro Alberti (1479-1552):
Descrittione di tutta Italia,
1550, S. 284; Michel de
Montaigne (1533-1592):
Journal de voyage en Italie par
la Suisse et l’Allemagne en
1580 et 1581, hrsg. 1774.
5 Pergola 2002, S. 27.
6 Vernarecci 1903.
7 Appel 1849, S. 38;
Kassel 1870, S. 12.
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