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Volkmann, Ludwig [Hrsg.]
Die graphischen Künste der Gegenwart (Band 3): Das moderne Buch — Stuttgart, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.37737#0739
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*- DIE HEUE BUCHKUNST 275

C- Und wie war es mit dem Satj bestellt? Wohl verfügte der Setter über eine Fülle
von Schriften, von Zierinitialen und anderen Buchornamenten, aber er wußte keinen
künstlerilchen Sa§, keine voll gelchlolsenen, ruhig hinlaufenden, ästhetilch befriedigenden
Seitenbilder mehr zustande zu bringen. Die Setter hatten sich, da frilches Leben fehlte,
einen Kanon von starren unverrückbaren Regeln, von Schemen ausgebildet. Der Sat$
wird so trocken und nüchtern, so Ichematilch wie möglich, wenn er nicht gar in öde
gelchmacklose Spielereien mit dem überreichen Material ausartet. Jet^t denken wir
nur noch mit Schrecken an die Musterkarten aus verlchiedenstem und verlchieden-
artigstem Typen- und Ziermaterial, die wir auf den Titeln und Akzidenzen jener Zeit
sahen. Und ich meine, wir sind alle heilfroh, daß wir die unglückselige sogenannte »freie
Richtung« des Satzes, die ganz und gar vergelten hatte, daß es sich beim Typensa^
um Dekorierung einer Fläche handelt, überwunden haben. Ein Vergleich nach rück-
wärts mit alten Büchern, sei es aus der Gotik oderRenailsance, sei es aus dem 18. Jahr-
hundert, und anderseits ein Vergleich nach vorwärts mit einem neuen Buche etwa des
Inselverlags oder aus S. Filchers Verlag zeigt evident, auf welche unbuchmäßigen
Abwege die Setter jener Tage geraten waren. Auch ihnen hatte am Ende für ihre
Sa^ästhetik die weisende Hand eines Ichöpferilchen Künstlers gefehlt.
Gewiß hat das 19. Jahrhundert hervorragende Künstler gehabt, die sich als Buch-
illustratoren betätigt haben, - ich brauche nur die Hamen Menzel und Ludwig Richter
auszusprechen, - aber in den illustrierten Büchern war die künstlerilche Einheitlichkeit
zwilchen Sa^ und Bild, zwilchen Type und Holzlchnitt, die wir an den Drucken aus
alter Zeit, aus der Gotik und Renailsance, immer so hoch bewundern, im Verlauf der
Jahrzehnte mehr und mehr verloren gegangen. Und diele Einheitlichkeit von Sa^ und
Bild ging vollends verloren, als an Stelle der LinienholzIchnitte die Halbtonbilder in
Autotypie oder Lichtdruck oder Heliogravüre als Illustrationen in die Bücher ein-
rückten. Diese Arten der photomechanilchen Ulustrationen bedeuten wohl für Werke
belehrenden Inhalts einen ungeheuren Fortlchritt, der nie und nimmer geleugnet werden
soll, aber eben so sicher waren sie vom Standpunkte rein künstlerischer Buch-
aussstattung ein Rücklchritt. Denn diese photographilchen Halbtonbilder können zu-
lammen mit der Linienwirkung der Typen, der Schwarz weiß Wirkung der aus diesen
zusammengesetften Druckseiten keine einheitliche künstlerilche Gesamtwirkung hervor-
bringen. Auch hier also mußte der Künstler reformierend eingreifen; er mußte mit
Strichzeichnungen, die sich dem Typenbilde der Druckseite in ihrer Schwarzweiß-
wirkung anpaßten, die dekorative Einheitlichkeit zwilchen Sat$ und Bild und Zierat
wiederherstellen, da wo ästhetilche Wirkungen beabsichtigt waren.
& Also bedurfte unsere Buchausstattung einer Reformation an Haupt und Gliedern,
wenn wir wieder wie in alten Zeiten das gedruckte Buch als ein Ganzes auffassen,
als ein künstlerilches Ganzes ausgestalten wollten, wenn tchöne Teile sich zu einem
Ichönen Ganzen harmonilch zusammenfügen süllten. Wir mußten Ichöne, künstlerilch
gestaltete, kraft- und charaktervolle Drucklchriften haben, bei denen die Versaßen
mit den Gemeinen in Form und Schnitt übereinstimmten. Wir mußten darauf achten

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