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Volkmann, Ludwig [Hrsg.]
Die graphischen Künste der Gegenwart (Band 3): Das moderne Buch — Stuttgart, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.37737#0738

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272 DIE NEUE BUCHKUNST *

hinzuweisen, was eine künstlerilche Reform im Buchdruck notwendig gemacht hat.
Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts war die künstlerische Ausstattung von Büchern
und Akzidenzen in dem gleichen Maße zurückgegangen, wie die Produktion anwuchs.
Das nahmen wir in Deutlchland ebenso wahr wie in den anderen Ländern. Und es
ist genau derselbe Niedergang, den wir im 19. Jahrhundert in atlen gewerblichen
Künden wahrgenommen haben. Überall hat die Technik glänzende Triumphe ge-
feiert, während die Kunst zurückblieb.
C- So also auch im Buchdruck und in allen anderen Zweigen des Buchgewerbes. Auch
hier hatte die Technik bedeutende Erfolge aufzuweisen. Die BuchdruckerpresTe wird
technilch vervollkommnet und kann mit der Schnellprelse den hochgesteigerten An-
forderungen einer Ichnellen und malsenhaften Produktion Genüge leiden.
Die Schridgießerei bildet immer größere Exaktheit für Typenlchnitt und -Guß
aus. Set^- und Gießmafchinen mit enormer Arbeitsleidung konkurrieren erfolgreich
mit der Handarbeit des Sehers und dem Gießindrument für Einzeltypen. Holzlchnitt
und Kupferdich, bisher Alleinherrlcher in dem Bereich der Buchilludration, werden
durch die bewundernswürdig ausgebildeten mechanilchen Reproduktionsverfahren,
die auf Photographie und Chemie beruhen, mehr und mehr erset^t.
C" Die Papierfabrikation, die Bereitung der Druckfarben, die malchinenmäßige
Malsenherdellung von Bucheinbänden, alles das schreitet, entsprechend den hohen
Anforderungen und der (chnelleren und billigeren Ausführung der Bücher und Einzel-
drucksachen in der Technik unaufhaltsam vorwärts.
Überall tritt die Malchine mit der Arbeit der Hand in Wettbewerb, aus dem sie
Ichließlich, - dahin hat die Entwicklung machtvoll gedrängt, - als Sieger auf der
ganzen Linie hervorgeht. Es ist unbestreitbar: in allen Zweigen des Buchgewerbes
hat die Technik mächtige Fortlchritte gemacht, aber dabei ist die Kunst, das muß ich
wiederholen, zurückgeblieben und arg vernachlässigt worden, ein Vorgang, den wir
ebenso auf anderen Arbeitsgebieten im 19. Jahrhundert lieh haben abspielen sehen.
ln der Weiterentwicklung der D ruck s ehr ift, wenn wir diese als Kunstäußerung
betrachten, war ein Stillstand eingetreten. Von einer neuen künstlerilchen Weiter-
bildung sah man nichts mehr. Ja dadurch, daß der Schriftlchneider seine Technik zu
größerer Präzision ausbildete, und daß der Schriftgießer durch Verbelserung seines
Gießinstruments zur höchsten Exaktheit und Feinheit der Typen und Ornamente ge-
langte, trat sogar ein unverkennbarer Rückschritt ein. Dem Typenbilde, und damit
dem Satjbilde, geht Ichließlich alle Kraft verloren. Mit den feinen dünnen Schriften
läßt lieh nun einmal kein sattes volles Saty- und Seitenbild mehr erreichen, wie wir es
in den Büchern der alten Drucker der deutlchen Gotik, der italienischen Frührenais-
sance immer von neuem bewundern. Überdies blieb man lange Zeit in unselbstän-
digen Variationen und bedeutungslosen Abwandlungen der Fraktur- und Antiqua-
Typen Hecken. Gewerbsmäßige Schriftzeichner und Schriftlchneider arbeiteten zwar
technilch gut und exakt, aber unkünstlerilch und ästhetilch unfruchtbar. Es fehlte die
neu gestaltende Hand des Künstlers.
 
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