Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Volksführer — 1849

DOI issue:
No. 86 - No. 90 (13. April - 18. April)
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52472#0257
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
349

aber der brave Kirchengemeinderath ließ sich weder durch
die Gegenwart, noch durch die Beredsamkeit der gelehrten
Herren abhalten, ihnen hier den wohlverdienten Verweis
mündlich zu geben, den er ihnen schriftlich ertheilt hatte.
Bei dieser Gelegenheit wollte der Pfarrer zwei katholische
Ortsbürger, die sich in der Kirche eingefunden hatten, durch
den Ortsdiener ausweisen lassen. Vermuthlich hat er zur
Entschuldigung seines groben Schwiegervaters die Bettler
und Diebe in die katholische Gemeinde stecken wollen, und
da kamen ihm die zwei Katholiken natürlich sehr in die Quere.
Zum Lohn bekamen die Zwei am Osterdienstag eine pracht-
volle Katzenmusik.
<< Nirkendorf bei Bonndorf, 6. April. Gestern
wurde hier ein eigenthümliches Fest gefeiert. Die Wehrmann-
schaft, welche vor'm Jahr am grünen Donnerstag zu Kan-
dern im Gefecht stand, versammelte sich vor Beginn des Got-
tesdienstes vor dem Gasthaus zum Hirschen, und zog von
da still und ernst in geordnetem Zug in die Kirche, um das
Jahresgedächtniß für unsere im Kampfe gefallenen Brüder
zu feiern. Manches nasse Auge betrauerte, was zwischen
gestern und einem Jahr vorgefallen ist. Nach beendigtem
Gottesdienst ging der Zug wieder ebenso geordnet aus der
Kirche, und man versammelte sich dann im Hirschen, woselbst
die Wehrmannschaft von republikanischen Freunden bewirthet
wurde. Allmählig kehrte auch der Frohsinn wieder unter
die Versammelten zurück; einige auf das Fest bezüglichen
Trinksprüche erhöhten noch die Freuden des Mahls.
Ungehindert glaubte man dieses Fest schließen zu kön-
nen; aber dem war nicht so. Die Polizei mußte, wie über-
all, so auch hier, beschäftigt sein. Der diensteifrige und fein-
schmeckende Schandarm Kefer zu Grafenhausen witterte,
wie Welcker, daß zu Birkendorf das Vaterland in Gefahr
sei, denn die „Freischaaren" seien versammelt. Augenblicklich
machte er sich auf und eilte im Sturmschritt Birkendorf zu,
vor Diensteifer den Tschako in der Linken und das Gewehr
in der Rechten. In Birkendorf angekommen, hörte er, daß
es im Hirschen etwas laut herging, getraute sich aber nicht,
daselbst seine Aufwartung zu machen, sondern eilte 1 Stunde
weiter, und holte einen zweiten seiner Kollegen in der besten
Hoffnung, auch er könne hier ein Jahresfest feierns. So
schnell, als wie wenn der Dampf hier seine Dienste geliehen
hätte, kehrte Herr Kefer mit dem Zweiten zurück. Die so-
genannten Freischaaren kamen ihnen zuvor und thaten, als
ob sie glaubten, diese Herren kämen so von ungefähr; sie
luden sie ein, Platz in ihrer Gesellschaft zu nehmen. Nun,
sie ließen sich einladen; aber die heiteren und fröhlichen Ge-
sichter gaben keinen Anlaß zu Verhaftungen und dergleichen.
Das war dem Herrn Kefer freilich nicht recht, und als er
dem Freischärlerbier ordentlich zu gesprochen hatte, wischte er
seinen Schnabel, und ging mit einer ellenlangen Nase davon.
Uihlingen bei Bonndorf, 9. April. Heute wurde
dahier ein Volksverein nebst mehreren Zweigvereinen gebil-
det, und es haben in einer Stunde sich 155 Mitglieder dem-
-I Als nämlich vorigen Jahres die Freischaaren von Riedern, todt-
müde von Kandern zurückkehrend, in Grafenhausen angekommen wa-
ren, übernachteten sie dort im Hirschen. Um Mitternacht kamen un-
gefähr 1000 Mann würtembergisches Mliitär von Waldshut daselbst
an, umstellten den Hirschen, drangen hinein, und weckten mit Ungestüm
die Leute aus dem Schlaf. Wo die Freifchaaren und ihre Waffen
seien? war ihr erstes Begehren. Nachdem alle Zimmer mit Gewalt
durchstöbert waren, so fanden sie, was sie suchten. Nach einiger Miß-
handlung und derbem Fluchen wurden die Freischaaren entlassen, ihre
Bewaffnung aber sammt und sonders Weggenommen. Dieser Verrath
wird allgemein Herrn Kefer gut geschrieben.

selben angeschlossen. Wir können mit Bestimmtheit versichern,
daß diese Vereine in Bälde sich sehr verstärken werden.
Ungarn.
Die letzten Nachrichten aus Ungarn sind vom 6. April.
Die Madscharen haben durch ihre klugen Manöver eine un-
geheuere Armee über die Theiß gebracht, die zunächst den
Zweck hat, Ofen und Pesth zu erobern und die unüberwind-
liche Festung Komorn zu entsetzen, sodann aber die Oester-
reicher ganz aus dem Lande hinaus zu schlagen. Der Kampf
hat jetzt wahrscheinlich seinen Ausgang gefunden; er zog sich
dis dicht in die Nähe von Pesth hin, das durch den Ban
Jellachich gedeckt wurde. Die Berichte der österreichisch-
gesinnten Allgemeinen Zeitung lassen den Sieg der Madscha-
ren vermuthen. Am 6. April hatte der Kampf bereits 3
Tage lang gedauert; die Allgemeine meldet zwar, daß die
Ungarn im Rückzug begriffen seien und die Oefterreicher auf
allen Punkten siegten, aber so kleinlaut, daß man nach den
bisherigen Wahrnehmungen über Vie Wahrhaftigkeit dieser
Zeitung das Gegentheil annehmen kann. Auch sagt sie selbst,
daß es nur Gerüchte seien, die noch der Bestätigung be-
dürfen. Hätten die Oesterreicher wirklich gesiegt, so wäre
des Trompetens kein Ende. Hoffentlich kann die nächste
Nummer den Sieg der Madscharen vermelden.
Italien.
Der italienische Unabhängigkeitskriegs) kann nur sieg-
reich geführt werden, wenn er zugleich gegen die inneren und
äußeren Feinde des Volkes und der Freiheit geführt wird.
Dafür hat uns der kurze siegreiche Feldzug Radetzky's
wieder den schlagendsten Beweis geliefert. Nicht seine „Feld-
herrntalente", seine „geschickten Kombinazionen", oder die
Tapferkeit seiner Truppeu haben seine Siege so schnell ent-
schieden. Dieselben waren längst vorbereitet im Innern des
Landes. Von der Umgebung des Thrones aus waren die
Fäden des Netzes, in dem die Volksfreiheit erwürgt werden
sollte, über das ganze Land gesponnen; es bedurfte nur ei-
nes geeigneten Anlasses, um dasselbe zuzuziehen. Nicht den
Oesterreichern galt die Kriegserklärung des sardinischen Kö-
nigs, sondern dem eigenen Volke, den Republikanern und
Demokraten, welche Karl Albert mehr fürchtete, als alle Kro-
aten. Diese Kriegserklärung war nur eine andere Form des
Schutz- und Trutzbündniffes des sardinischen Thrones und
seines scheinbar größten Feindes Radetzky. Die Oesterrei-
cher mußten ins Land gerufen werden, um die zu übermü-
thigen Piemontesen zu bändigen. — Die Piemontesen haben
es nicht minder theuer bezahlt, daß sie vor dem Throne ste-
hen geblieben sind, als wir Deutschen.
Nur zu deutlich geht es aus allen Berichten hervor,
daß der Verrath kein plötzlicher, unvorhergesehener war; er
ist lange und allseitig vorbereitet. Der Abenteurer Noma-
rino war das niedere Werkzeug der großen monarchischen
Verschwörung. Oesterreich hatte im piemontesischen Heere so-
gar seine Söldner.
„In diesem kurzen Kriege, schreibt der sardinische De-
putate Macaria der Pariser Zeitung „Reform", hat die
piemontesische Armee zu gleicher Zeit einen unerhörten Muth
und eine schimpfliche Laßheit gezeigt, denn ein Theil und be-
sonders die Artillerie, Kavallerie und Bersagkeri (leichte Rei-
---) Unabhängigkeitskrieg heißt der italienische Krieg, weil er neben
der Vereinigung des gleich Deutschland aus vielen Ländern bestehenden
Italiens auch bezweckt, daß kein italienisches Land mehr unter fremder
Regierung stehe, daß z. B. die Lombardei unabhängig werde von
Oesterreich.
 
Annotationen