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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (3) — 1933 (September-Oktober)

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Nr. 221-250 (1. - 30. September)
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Sette 8

Freitag, den 22. September 1833.

Versammlung -es ASLB

Vor etwa 70 Mitgliedern des nationalsozia-
listischen Lehrerbundes sprach am Samstag im
Haus der Arbeit Pg. Rektor Geisel, Heidel-
berg, über die beiden großen Reichstagungen des
NS. Lehrerbundes in Bayreuth und Nürnberg.
Ganz allgemein werden von den Lehrern aller
Schulgattungen die Einigungsbestrebungen des
NS.-Lehrerbundes und die neuen Zielsetzungen
in der Jugenderziehung begrüßt, und deshalb
sah man den vielversprechenden Ausführungen
des Redners, der an beiden Tagungen teilze-
nommsn hatte, erwartungsvoll entgegen. Rektor
Geisel, der sich nur allgemein verbreiten konnte,
führte über dis Beschlüsse etwa folgendes aus:
Die nationalsozialistische Partei ist die Vertre-
terin einer Weltanschauung, die eine überwiegend
heroisch eingestellte Rasse zur Führung gebracht
hat und ihr die Führung erhalten will. Erste-
res war möglich dank dem weltanschaulich be-
gründeten Opfermut der alten Nationalsozia-
listen, die in Hervorkehrung dieses alten rassisch
bedingten Erbgutes die Bewegung vorwärts-
trieben. Um das Erste aber in Zukunft zu
sichern, muß es vornehmste Aufgabe
der Erzieher sein, diesen Opfersin« der Jugend
anzuerziehen. Deswegen müssen 1. alle Erzieher
vom Bund organisatorisch erfaßt werde» und 2.
das ganze Erziehungswesen umgestaltet werden.
Das organisatorische Ziel, das der Lehrerbund
als Kampftruppe erstrebt, ist ein einheitlicher

Verband mit entsprechenden Untergliederungen.
Ehrengerichte werden über das Tun der Erzie-
her wachen und die dadurch bedingte Hebung von
Standes- und Verantwortungsbewußtsein wird
die Erzieher zu zuverlässigen und geachteten
Volksgenossen machen, fürwahr eine für unser
Volkstum wichtige Entwicklung, deren Früchte
in Bälde sichtbar sein werden. In Bayreuth soll
als der Erziehungszentrale ein »Haus der deut-
sche» Erziehung" für die Organisation und Lehr-
amtswalterschulung gebaut werden. Eine Ge-
dächtnishalle für die im Weltkrieg gefallenen
Lehrer soll damit verbunden werden.
Sodann sprach der Redner hauptsächlich über
die Aufgaben des Lehrers auf dem Lande und
in der Stadt. Aus all seinen Worten trat im-
mmer wieder die starkbetonte Forderung nach
Einsatzbereitschaft für Jugend und Volk hervor.
Mit der eindringlichen Mahnung an die An-
wesenden, sich an irgendeiner Stelle dem NS-
Lehrerbund für seine bevorstehende, gewaltige
Arbeit zur Verfügung zu stellen, fanden die von
Beifall oft unterbrochenen, lehrreichen Ausfüh-
rungen ihr Ende.
Nach Erledigung wichtiger geschäftlicher An-
gelegenheiten, konnte der 1. Vorsitzende die Ta-
gung mit einem Heil auf den Führer schließen.
Die nächste Tagung des NSLV wird voraussicht-
lich am Samstag, den SO. Sept., stattfinden.

Die neue theoretische VMung iür
das Lehramt an -er Volksschule
Wie bereits kurz mitgeteilt, findet an Ostern
1934 erstmals eine zweite Prüfung für das Lehr-
amt an Volksschulen statt, die sogenannte Theo-
retische Prüfung. Ihr haben die Anfertigung der
„wissenschaftlichen Arbeit" und die „Praktische
Prüfung" voranzugehen. Bezüglich der Theore-
tischen Prüfung sind in der neuesten Nummer Les
Amtsblattes der llnterrichtsverwaltung nähere
Bestimmungen enthalten. Darnach sollen die
Gegenstände der „Vildungs- und allgem. Unter-
richtslehre" im Rahmen der Teilprüfungsfächer
(Historische Pädagogik, Theor. Pädagogik, Allgem.
u. besondere Unterrichtslehre) geprüft werden. Die
Prüfung in diesen Fächern wird ihren Ausgang
nehmen von einem bedeutenden Werk des betref-
fenden Gebietes und soll ergeben, daß der Be-
werber die in diesen Werken behandelten Pro-
bleme gründlich verstanden und von hier aus
Urteilsfähigkeit für die zusammenhängenden er-
zieherischen und bildnerischen Fragen der Gegen-
wart gewonnen hat. Wenn die schriftliche wissen-
schaftliche Arbeit sich eng an ein einzelnes Werk
anschließt, so kann dieses nicht auch als Studien-
werk für die mündliche Prüfung angesehen wer-
den.

Mit Rücksicht auf die Bedeutung des deutsch-
kundlichen Unterrichts für die nationale Jugend-
erziehung wird erwartet, daß jeder Kanditat sich
schon bei der Vorbereitung auf die tägliche Schul-
stunde eingehend mit dem Deutschunterricht
befaßt.
Die Prüfungsordnung sieht auch eine Prü-
fung in der Religionslehre vor. Die Prüfung
in der katholischen Religionslehre richtet sich noch
dem im Amtsblatt abgedruckten Erlaß des Erz-
bischöflichen Ordinariats, vom 6. Juli 1933.
Ueber die Abnahme der Prüfung in der evange-
lischen Religionslehre enthält die neueste Num-
mer des Amtsblattes die Zusammenstellung der
Anforderungen. Erstmals verlangt wird dabei
Lektüre der reformatorischen Hauptschriften Lu-
thers und Vertrautheit mit den Grundideen des
Kultuskreises der Reformation und denen des
Mittelalters, beide in ihrer geschichtlichen Aus-
wirkung.

Standesamtliche Nachrichten
Ehe-Aufgebote
13. 9.: Maler Karl Ernst Philipp mit Ma-
ria Barbara Dett. — Lederarbeiter Joseph Neu-
ner mit Maria Elisabeths Kröncke. — 14. 9.:
Elektro-Monteur Georg Christian Adolf Jakobi

mit Emilie Anna Schmid. — Kaufm. Angestellter
Peter Emil Hofstätter mit Maria Margareta
Seitz. — Kaufmann Dr. jur. Wilhelm Joseph
Strauß mit Hildegard Berta Siegel. — Säger
Max Peterhans mit Frida Renner. — Bankbe-
amter Ludwig Kenne mit Elsa Johanna Wetzel.
Kaufmann Johann Josef Meier mit Else Meix-
ner. — Marqueteur Heinrich Knaup mit Emilie
Emma Gieratsch. — 15. 9.: Glaser Walter Mi-
chael Putler mit Elsa Kalbrunner. — Kaufm.
Jakob Müller m. Anna Maria Hagele. — Schlos-
ser Gustav Anweiler mit Magdalena Mayer. —
Kaufmann Clemens Walter Wust mit Rosina
Straßmeier. — 16. 9.: Lackierer Peter Schmitt
mit Margaretha Sommer. — Schreiner Johann
Heinrich 'Kaus mit Anna Albrecht. — 18. 9.:
Verkäufer Karl Sommer mit Margaretha Jul-
chen Joho. — Dentist Aloisius Josef Balthassar
Lehmer mit Gerda Irma Lebert. — Küfer Jo-
hann Manz mit Anna Schmitt. — Polizei-Rot-
tenmeister Ludwig Maurer mit Luise Rosa Fen-
der. — Landwirt Willy Flörchinger mit Hen-
riette Pohlmann. — Fahrikarbeiter Anton Steck
mit Maria Hofmann. — Kaufmann Albert Win-
dig mit Gertrud Borgmeier. — 19. 9.: Holz-
arbeiter Peter Schmitt mit Frieda Rehm. —
Kaufmann Hans Eötzinger mit Anna Sofie
Elisabeth Livvoner. — Schneider Emil Josef
Denner mit Maria Anna Barthelme. — Kauf-
mann Hans Georg Helmut Däuber mit Eva ge-
nannt Martha Kabel. — Zabnarzt Dr. med. dent.
Gerbard Bühler mit Hella Ruth Pfeifer. — Me-
chanikermeister Felix Michael Scheid mit Paula
Berta Heckmann. — Färbermeister Ludwig Fried-
rich Weigel mit Sofie Jakobine Stuntz. — Mes-
serschmied Albert Friedrich Maner mit Anna
Süß. — Landwirt und Korbflechter Georg Mi-
chael Arnold mit Barb. Arnold. — 15. 9. städt.
Bestattvngswart Johann Friedrich Wsrnz mit
Elise Barbara Knecht.
Eheschließungen
14. 9.: Kaufm. Angestellter Wilhelm Reichsn-
speraer mit Margareta Müßig. — Oberpost-
schaffner a. D. Wilhelm Bohn mit Frieda Mül-
ler. — Büroangestellter Carl Rudolf Albert
Friedrich mit Susanns Elisabeths Weritz. — 15.
9. : Angestellter Walter Karl Hans Cerff mit
Alexandrine Katharine Jngeborg Helber. —
10. 9.: Ingenieur Rudolf Ernst Schüler mit
Alma Maria Hoch — Mebger Wilhelm Heinrich
Müller mit Elisabeths Häuser. — Werkmeister
Adam Weichert mit Susanna Kurz. — Schuh-
macher Paul Albert mit Ida Herta Hildegard
Schliebus. — Chirurgie-Mechaniker Georg Adam
Haas mit Maria Verger. — Gärtner Ludwig
Adam Dörsam mit Elisabeth Julchen Susanna
Marie Ehmann. — Redakteur Dr. jur. Bert-
hold Hans Conrad Hildebrand mit Katharina
«»MMSKMWWWWSMWW»
mukte sieb llie nationglsorialietisclie
Leitung in cken weiten ckee Kampkee unck
pingens um Oeutscblsncks Fettung aus
Lcbmscb unck Scbancks. 8ie >vsr cker kalln-
drecber aut ckem Weg rum ckritten peicli.
lllnck ckas soll ibr nie vergessen wercken.

8. 3-rhrg. / Nr. 2-<2

Alma Gruber. — 19. 9.: Taglöhner Willi Hetz
mit Anna Maria Theobald. — Opernsänger
Heinrich Albert Bernhard Erich Christel mit
Marie Anna Elisabeth Dippel. — Kaufmann
Georg Otto Hartmann mit Gertrud Walli Else
Pistor. — Bankdirektor Richard Julius Wolfs
mit Hedwig Katharina Rupp.

Der Leser schreibt:
Schützet die Brieftauben
Die Eröffnung der Hühnerjagd ist erfolgt,
deshalb ergeht an alle Jäger die Bitte: Schützt
die edlen Brieftauben, die ihr im Felde antrsfft!
Vergeßt nicht, daß im Weltkriege die Brieftau-
ben Tausende deutscher Brüder durch pünkt-
liches und zuverlässiges Ueberbringen von wich-
tigen Meldungen aus Todesgefahr errettet ha-
ben. Alljährlich klagen dis Besitzer der Brief-
tauben darüber, daß ihre während des Sommers
mit großer Mühe ausgebildeten Tauben im
Herbste zum größten Teile abgeschossen werden,
Vielfach ist noch die irrige Ansicht verbreitet,
daß jede im Felde angetroffene Taube geschossen
werden darf. Es wird deshalb besonders darauf
aufmerksam gemacht, daß nach den heutigen ge-
setzlichen Bestimmungen das Erlegen und Ver-
nichten von Tauben strafrechtlich verfolgt wird.
Ein wahrer Jäger schießt keine Brieftauben, aber
aus Unkenntnis oder Uebermut wird doch hie
und da gesündigt. Die meisten Menschen haben
keine Ahnung davon, was eine Brieftaube kostet,
wieviel Opfer an Zeit und Geld der Besitzer auf-
gewendet hat, bis die Taube als Nachrichten-
Bote ausgebildet war. Wenn nun ein solches
Tierchen, das schon seit mehreren Jahren von
entfernten Plätzen seine Heimat immer wieder
gefunden und seinem Besitzer so manche Freude
bereitet hat, niedergeschossen wird, so ist das für
den Vrieftaubenzüchter ein enormer Verlust.
Die Brieftaube ist eine ins Feld fliegende
Taube, die bei der besten Pflege von selbst das
Feld aufsucht, was auch vom Züchter für ihre
Abhärtung und Orientierung gern gesehen wird.
Die vielfach in landwirtschaftlichen Kreisen noch
verbreitete Ansicht, daß die feldernden Tauben
nur schaden, ist längst wissenschaftlich widerlegt.
Es ist festgestellt, daß die Tauben eine Unmenge
Unkrautsamen und Schnecken verzehren und von
einem geringen Schaden nur zur Zeit der Saat
geredet werden kann. Darum ergeht auch an die
Landwirte die dringende Bitte: Schützet die
Tauben! Zur Zeit der Saat werden die Brief-
taubenliebhaber von selbst ihre Tiere schon vom
Felde zurückhalten, aber augenblicklich können
die Tauben nicht den geringsten Schaden verur-
sachen. An alle Feldhüter, Jagdaufseher und
-Pächter ergeht die Bitte, schon aus nationalem
Interesse darauf zu achten, daß aufs Feld flie-
gende Brieftauben nicht geschaffen werden, und
diejenigen, die trotzdem aus Jagdeifer oder aus
Uebermut es nicht unterlassen können, Brieftau-
ben zu erlegen, zur Anzeige zu bringen!
A.Stt.

Zur Aufführung von Schillers dramatischem Gedicht
„Wallenstein" im Städt. Theater am 23. September

Einführende Worte von Stadtbibliothekar
Georg Zink
Am Abend des 25. Februar 1634 wurde zu
Eger im Böhmischen der des Verrates norm
Feind bezichtigte, bereits seines Oberbefehls ent-
hobene Albrecht von Wallenstein, Herzog zu
Friedland, Mecklenburg und Sagan, kaiserlicher
Generalissimus und Feldmarschall, auf höheren
Befehl von eigenen Soldaten ermordet. Viel ist
über diesen mächtigen, reichen und ehrgeizigen
Heerführer geschrieben worden. Schon zu seinen
Lebzeiten wurden zahllose Liedchen über ihn ge-
sungen und bezügliche Gedichte auf Flugblättern
verbreitet. F. W. Freiherr von Ditfurth hat
welche in seiner, auf Bemühen von Karl Bartsch
hier gedruckten Sammlung „Die historisch-poli-
tischen Lieder des 30jährigen Krieges" erhalten,
ebenso Dr. Hans Benzmann in seiner „Auslese
aus der gesamten deutschen Balladen-, Roman-
zen- und Legenden-Dichtung". Namhafte Ge-
schichtsschreiber haben sich mit diesen etwas dü-
steren Geschehnissen aufs Eingehendste befaßt, be-
sonders Professor Leopold von Ranke, der Hi-
storiograph des preußischen Staates, dessen mei-
sterliche Quellenforschung und unparteiische,
künstlerische Gestaltung auch hier ein Werk von
bleibendem Wert geschaffen hat. Unter den Le-
bensbeschreibungen nimmt die wesentlich jüngere
Arbeit der gegenwärtig hier wohnenden Schrift-
stellerin Dr. Ricarda Huch eine Vorzugsstellung
ein. Ihre „Charakterstudie Wallenstein" befrie-
digt vollauf, denn alle bislang gegebenen Auf-
schlüsse sind wohlberücksichtigt und mit der eige-
nen Auffassung nach gewissenhafter Prüfung ver-
flochten. In Erzählungen haben, ebenfalls erst
in neuerer Zeit, Dr. Bruno Wille in der tief-
angelegten „Chronik eines Gottsuchers": „Die
Abendburg", sowie der 1918 gefallene Walter
Flex in dem geheimnisvollen Nachtstückchen „Wal-
lensteins Antlitz", ferner Alfred Döblin in dem
etwas überladen angelegten, zweibändigen Ro-
man „Wallenstein" dafür gesorgt, diese ruhelose,
dunkle Natur vorm Verblassen im Daseinsge-
triebe zu bewahren.
Daß das außergewöhnliche Zugrundegehen
eines seiner hochfliegenden Triebe nicht Herr
bleiben Könnenden auch viele für das Theater
Denkende zu einer Bühnenerhaltung des in sei-
ner Art gewaltigen Mannes veranlaßte, ist
leicht zu verstehen. Bereits zu Zeiten der nach
den langen Elaubenskämpfen wieder auffrischend
wirkenwollenden Gesellschaften schriftkundiger
Männer wurde Wallenstein dramatisch verklärt.

Der holsteinische Pfarrer Johann Rist, der Grün-
der des „Elbischen Schwanenordens", schrieb
wohl eines der ersten Trauerspiele. Selbst hol-
ländische, englische und spanische Theaterdichter
taten ein ähnliches. Bei den „Haupt- u. Staats-
aktionen", der um 1700 nach der Glanzzeit der
ausländischen Wanderkomödianten bei uns auf-
gekommenen Wanderbühnen wurde auch das
seltsame Los dieses großen Soldatenführers nicht
vergessen. Als im Süden unseres Vaterlandes
die Fürstenhöfe sich ihre eigenen Theater anleg-
ten, fand sich dort Wallensteins Geist in der von
Gerhard Anton von Halem gebildeten, poetischen
Bekleidung ein. Daß er nie mehr aus dem
Rampenlicht verschwinden wird, ist Schillers Ver-
dienst. Das Höchstwertvolle an seiner Theater-
dichtung, welche bei Goethe Worte ehrlicher Be-
wunderung auslöste, besteht darin, daß alle
Handlungen auf eine breite, feste Grundlage
aufgestellt sind, auf der, von ersteren umflutet,
dem Helden selbst ein derart erhöhter Vorzugs-
platz, errichtet worden ist, daß dem Beobachtenden
selbst im lautwogenden Treiben der von ihm an-
gezogenen Massen seine Person niemals aus den
Augen verloren gehen kann. Ein weiterer, nicht
in den dramatischen Bildern, sondern in dem sich
daraus offenbarenden Hineinverinnerlichten zu
suchender Vorzug ist die seltenfest erfolgte, drei-
fache Belichtung des Hauptdarstellers, sowohl
mit dem lodernden Herzensfsuerschein der Liebe
und Hochachtung, als auch dem von jedem Wind
beeinflußten Fackellicht der Muse, der Geschichte
und schließlich dem kalten, oft schwindenden Glanz
der Sterne.
„Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt,
Schwankt sein Charakterbild in der Geschichte;
Doch euren Augen soll ihn jetzt die Kunst
Auch eurem Herzen menschlich näher bringen.
Denn jedes Aeußere führt sie, die alles
Begrenzt und bindet, zur Natur zurück,
Sie sieht den Menschen in des Lebens Drang
Und wälzt die grötz're Hälfte seiner Schuld
Den unglückseligen Gestirnen zu."
Schiller hat sich lange mit dieser, seiner Mei-
sterdichtung beschäftigt. Sie trat schon hervor,
als er seine „Geschichte des 30jährigen Krieges"
abfaßte. 1791, auf einer Erholungsreise nach
Böhmen tauchte der Plan auf's neue auf. Krank-
heit legte sich hemmend in den Weg. In der
schwäbischen Heimat, die er erstmals wieder nach
seiner Flucht aus der Karlsschule unbehelligt,
aber auch unbeachtet 1793/94 betreten durst«,

kamen endlich einige Szenen zu Papier. Neue
Einfälle drängten sich dazwischen. Ein Brief
aus dem Jahre 1796 bekundet: „Vordem habe
ich, wie im Posa und Karlos, die fehlende Wahr-
heit durch schöne Idealität zu ersetzen gesucht;
hier im Wallenstein will ich es probieren und
durch die bloße Wahrheit für die fehlende Ide-
alität (die sentimentale nämlich) entschädigen.
Unglücklicherweise aber hat Wallenstein den Er-
folg gegen sich und nun erfordert es Geschicklich-
keit, ihn auf der gehörigen Höhe zu erhalten."
Vis 1798 blieb nun jede schaffensfrohe Zeit dem
Wallenstein vorbehalten, und was über 5 Jahre
in einem Geiste liebevoll gepflegt worden wer,
wurde vortrefflich zu Ende geführt.
In dem zuerst fertigen Vorspiel „Wallen-
steins Lager" verspürt man nur den gewaltigen
Anhang, den sich dieser Reichsgeneral zu wer-
ben verstanden hat. Er selbst bleibt unsichtbar,
doch aus all dem Gezeigten spricht die außerge-
wöhnliche Gewalt, mit welcher er sich bei jedem
seiner Untergebenen in Achtung und Verehrung
zu setzen wußte. Im zweiten Teil, nach den bei-
den Unterführern, welche zugleich die Vertreter
der kaiser-, andernseits wallensteintreuen Armee-
gruppen vorstellen, „Die Piccolomini" (Vater
und Sohn; letzterer, in Verehrung zu seines
Marschalls Tochter, zwiefach mit diesem verbün-
det, zur Stärkung der Gegensätze hinzu erfun-
den) geheißen, tritt uns der Oberführer dann
selbst gegenüber. Doch schon wandelt dieser auf
einer sich senkenden Bahn, die in den Abgrund
führen muß. Daß die Zuschauenden dennoch Mit-
leid mit diesem kühldenken Streber empfinoen,
ist des Dichters verständnisvollem Hervorkehrsn
von Wallensteins vertrauensseligem Hang an die
Untrllglichkeit der Gestirns zu verdanken. Be-
wegt sehen wir sich in „Wallensteins Tod", der
Trilogie letztem Abschnitt, das Geschick dieses
unglücklichen Sichhochbringenden erfüllen und
nicht der verräterische, sondern der bitter ent-
täuschte und ob seiner Verblendung leiden müs-
sende Wallenstein bleibt in unserem Gedächtnis.
Wir sehen, wie es Schiller wollte:
„Des Glückes abenteuerlicher Sohn,
Der, von der Zeiten Gunst emporgetragen,
Der Ehre höchste Staffeln rasch erstieg,
Und, ungesättigt immer weiterstrebend,
Der ungezähmten Ehrsucht Opfer fiel."
Am 12. Oktober 1798 wurde das neuherge-
richtete Weimarer Hoftheater mit „Wallensteins
Lager" eingeweiht. Goehte und Schiller leiteten
die Proben. Am folgenden 30. Januar gingen
ebenda und ebenso eingelernt „Die Piccolomini"
als Festvorstellung anläßlich des Geburtstages
der Herzogin erstmalig in Szene. In Berlin gab

Jffland dieses Stück schon am 18. Februar 1798.
Die Weimarer Uraufführung der vollständigen
Tragödie fand im April 1799 statt, und zwar an
drei Abenden. (Im Laufe der Jahre ist es ge-
radezu lleberlieferung geworden, die 11 Auf-
tritte des „Lagers" mit den fünf Aufzügen (31
Auftritte) der „Piccolomini" zu einer Vorstel-
lung zu verbinden, „Wallensteins Tod" mit eben-
falls fünf Aufzügen (63 Auftritte) aber für sich
zu spielen. So ist es erfahrungsgemäß am be-
sten und man erzielt deshalb auch für die Zu-
hörer die leicht faßbarsten und tiefgehendsten
Eindrücke.) Der Mai brachte die Berliner In-
szenierung vom „Tod". Am 2. Juli 1799 wurde
„Wallenstein" auf Wunsch Friedrich Wilhelms
des Dritten von Preußen und seiner Gemahlin
Luise, welche beide damals am Weimarer Hofe
zu Besuche weilten, auf den Spielplan gesetzt.
„Schiller genoß lebhaft die Arbeit von Jahren.
Er wurde der liebenswürdigen Königin vorge-
stellt, und er sagte uns, daß sie sehr geist- und
gefühlvoll in den Sinn seiner Dichtungen ein-
gegangen wäre", meldet Karoline von Wol-
zogen, des Dichters Schwägerin, in ihrem Buch
„Schillers Leben". Gedruckt erschien das drama-
tische, streng im fünffüßigen Jambenvors mit
Reimklang bei den Aktschlüssen durchgesllhrte
Gedicht er 1800 bei Cotta in Tübingen. Nach
zwei Monaten waren 3500 Exemplare verkauft
und Schiller durfte drei Auflagen erleben. Sein
Honorar für die Aufführungen in Weimar und
Berlin betrug 150 Reichstaler bzw. 60 Fried-
richsd'or. Prof. Karl Bergers verständnisvoll
und fleißig ausgearbeitete Würdigung von Schil-
lers Dichtungen bestätigt, daß er im „Wallen-
stein" auf der Höhe seines dramatischen Stils
mit dem Streben nach Naturwahrheit und Le-
bensfrische, vollendeten Wohllaut und durchgei-
stigte Klarheit, eherne Wucht mit edelstem Maß,
persönliche Wärme mit künstlerischer Kühle ver-
bindet, die schwungvolle Kühnheit und die lei-
denschaftliche Kraft des Ausdruckes durch An-
mut bändigt."
Schiller ist und bleibt für immer der Unsrige,
als der volkstümlichste der Dichter unserer Hei-
mat. Darum rufe ich auch jetzt allen zu, was
einstens er seinem „Wallensteins Lager" hat
Vorhersagen lassen:
„Und wenn die Muse heut,
Ihr altes, deutsches Recht, des Reimes Spiel,
Bescheiden wiederfordert — tadelt's nicht!
Ja, danket ihr's, daß sie das düstre Bild
der Wahrheit in das heit're Reich der Kunst
Hinüberspielt, die Täuschung, die sie schasst,
Aufrichtig selbst zerstört und ihren Schein
Der Wahrheit nicht betrüglich unterschiebt;
Ernst ist das Leben, heiter ist di« Kunst."
 
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