8. NM771M
FMag, 8en SS. Sepkemb'er 1983.
Sette 1!,
Ms GsldLKiar -ss »N
(am 22. September 1914.) Don Studienassessor K. A. Becker. Rimbach (Hessen).
Trotz aller moralischen Entrüstung über die
deutsche Grenzverletzung und aller von Hu-
manität triefenden Reden damaliger eng-
lischer Staatsmänner war 1914 der wahre
Grund für Englands Eingreifen in Len Wel-
kenbrand das ständige Verlangen, den auf-
strebenden Geschäftskonkurrenten Deutschland
auf dem Weltmarkt wirtschaftlich zu ver-
nichten.
Kurz nach seiner Kriegserklärung hatte
England an Deutschland in seinen Tages-
zeitungen die etwas kindliche Drohung aus-
gestoßen, Deutschlands Flotte werde in weni-
gen Wochen verschwunden sein. Es machte
für sich damals eine glatte Ueberschlagsrech-
nung, nach der eine doppelte Aebermacht an
Eeestreitkräften zur Erfüllung seines „Krä-
mer-Wunsches" verhelfen mußte. Mit einer
möglichen Siegesfähigkeit Deutschlands aus
dem Lande wollte man schon rechnen, mtt
einer Siegesmöglichkeit zu Wasser nie und
nimmer.
Majestätisch zeigte der „Tommy" u. a. in
der Nordsee seine Stahlrosse, mit einer Ele.
ganz durchfurchten Dreadnougths, zusammen-
gestellt mit Kreuzern und anderen Kriegs-
schiffen, die See, vor dem deutschen Gegner
werden wir standhalten und mit Sicherheit
ihn sehnsüchtig niederschmettern. Besondere
Borsicht wird nur beim Passieren eines Mi-
nenfeldes nötig sein, das Uebrige bürdet eine
ernste, aber nicht allzu schwere Aufgabe auf.
So dachte wohl der Engländer noch in den
Tagen des September 1914.
Seine schweren Panzerkreuzer bewegten
sich wie andere Kriegsschiffe stolz in der
Nordsee. „U 9" lief sofort bei Kriegsausbruch
aus, und in der ersten Hälfte des August
kehrte sein kaltblütiger und unerschrocken
mutiger, jugendlicher Kommandant, Kapitän-
leutnant Okto Weddigen, nach glücklich
vollendeter llnkerseebootfahrt nach den Shett-
land-Inseln schon nach Wilhelmshaven zurück.
Nach schlichter Kriegskrauung drängte es ihn
bald wieder in die Ferne zu neuen Taten, des
Vaterlandes Not spornte ihn zu neuen küh-
nen Unternehmungen an.
Mit seemännischem Scharfblick lenkte er
seine Stahlbraut, wobei 20 „Blaue Jungens"
mit ganzer Hingabe ihm halfen, die klaren
Befehle auszuführen. Nordwestlich von Hoek
van Holland zeichnete „U 9" am 22. Sep-
tember seine Spur in die verhältnismäßig
ruhig daliegende See, als in der Frühe des
Morgens auf seiner Patrouillenfahrt Otto
Weddigen die 3 englischen Panzerkreuzer
„Hogue", „Cressy" und „Aboukir" am Hori-
zont sichtete. Die übrige Hälfte des 7. eng-
lischen Kreuzergeschwaders hatte eine andere
Route eingeschlagen. Die Pulse der Besatzung
flogen in Erregung, als Signal ertönte, das
Book klar zum Tauchen zu machen und blitz-
schnell raumke die erforderliche Arbeit.
Der Kommandokurm wird abgebauk, die
Flagge geborgen, der Mast umgelegt, die
obere Turmklappe geschlossen, die zum Ab-
schied von der dünneren Materie noch einen
metallig-dumpfen Ton hinterläßt. Am Peri,
skop such! ein sicheres lebhaftes Auge, und
rauschend strömt das Wasser in die Außen-
bordtanks ein. „U 9" taucht unter den Mee-
resspiegel. Der Elektromotor löst seinen „Pe-
Iroleum-Artgenossen" ab und treibt die
Schrauben an. Die Mannschaft ist in fiebern-
der Spannung und starker Atemnot. Ein-
gezwängt im Dunkeln innerhalb der Stahl-
wände bei eintönig lautem Stampfen der
Stahlblöcke erwartet sie den eindeutigen Be-
fehl. Endlich — jeder fährt auf. Leuchtende
Buchstaben erscheinen auf der Tafel des Sig-
nalapparates: — Achtung —. Alle Hände
legen zur Arbeit an. Gleich den 2. Torpedo
bereit zum sofortigen Nachschieben in das
Ausstoßrohr. — Jetzt muß das Boot in der
richtigen Entfernung vom 1. Kreuzer sein. —
Das Lichtzeichen „Los" löst den ersten Ab-
schuß aus. Das Geschoß ist fort, ein Gurgeln
und Schluchzen im Wasser, das in die leere
Kammerschleuse des Rohres einskrömt. Mit
Behendigkeit wird der 2. Torpedo in die
dunkle Rohröffnung eingeführt. Zeder an
Bord zählt die Sekunden: war es auch ein
Volltreffer? Doch den Einschlag können sie,
die braven „Blauen Jungens" nicht hören,
das Dröhnen der Maschinen übertönt jeg-
liches, sekundlich erwartetes Geräusch. Kein
Ton dringt zu ihnen herunter. Die Bewegun-
gen des Schiffes werden unregelmäßiger, der
Schiffskörper wird wie ein Ball hin und her
geschleudert. Durch schnelles Skeuermanöver
werden die Matrosen im Dunkeln gegenein-
ander geworfen. Das Boot geht aus seiner
ursprünglichen Richtung. Der Angriff ist ge-
lungen.
Gegen 6 Ahr morgens sank „Aboukir" mit
fast 800 Mann Besatzung in die Tiefs, War
das Schiff vielleicht auf eine Mine gelaufen?
Der englische Kommandant suchte im Trüben,
einen Feind hatte er ja nicht gesichtet. Doch
kurz darauf ereilte „Hogue" dasselbe Schick-
sal. Sofort wurden Boote ausgesetzt, und der
3. Kreuzer „Cressy" war bemüht, die über-
lebenden Kameraden aufzufischen. Kein Feind
war inzwischen im weiten Umkreis zu sehen.
Die Bergungsarbeit nahm fast 2 Stunden an
Zeit in Anspruch. Da arbeiteten schon wie-
der die deutschen „Blauen Helden" an den
Hebeln der Maschinen und des Ausstoßrohres
und versetzten dem letzten Panzerkreuzer
jenen gewaltigen Stoß, der ihn seinen schon
versenkten Schwesterschiffen in die tiefe Nacht
nachfolgen ließ.
Nun brauchen die „stoben und sicheren"
Engländer nicht mehr zu zweifeln, daß ein
deutsches Unterseeboot in der Nähe war, und
daß die 3 Panzer von deutschen Torpedos in
den Grund gebohrt wurden. Ein Teil der eng-
lischen Besatzung wurde von dem holländischen
Frachtdampfer „Flora" in notdürftiger Klei-
dung und vollkommen erschövtt nach 3 Stun-
den schweren Wellenkampfes ausgenommen.
20 „Blaue Jungens" nehmen es mit fast
2400 englischen Matrosen auf. England mußte
aber von diesem denkwürdigen Tage an
gründlich seine Ansicht ändern, daß dem
„deutschen Michel" leicht und bequem zu
Wasser beizukommen wäre.
So bildet der 22. September 1914 «inen
Markstein in der Geschichte des Untersee-
boot- und überhaupt des Seekrieges. Mik
goldenen Lettern sind der Name Otto Wed-
digen und die seiner treuen Heldenschar in
der Ruhmesgeschichke der deutschen Flotte
für alle Zeiten unauslöschbar verankert.
„Otto Weddigen hieß der Kapitän,
„U 9" sein schlankes Book,
Und prasselnd ließ es im Sturme weh'n
Die Flagge „Schwarz-Weiß-Aok."
rEer
Das Tagebuch des Zaren gesunden?
Letzte Eintragung em 18. Juli 1918. — Russische
Historiker untersuchen den Fund.
Im Verlauf von Ausfchachtungsarbeiten, die
man in Jekaterinburg, in der Nähe des Hauses,
in dem die Zarenfamilie ermordet wurde, vor-
nahm, wurde ein interessanter Fund gemacht. Nach
den bisher vorliegenden Berichten fand man in
einer verklebten Mauernische ein Heft, das sich
als das Tagebuch des Zaren entpuppte. Drei
bekannte russische Historiker und Sachverständige
sind mit der Prüfung des Fundes und der Fest-
stellung seiner Echtheit beauftragt worden.
Das Gebäude selbst, in dem an jenem unse-
ligen 16. Juli 1918 der Zar den Tod fand mit-
samt seiner ganzen Familie, ist längst abgerissen
und wurde schon zweimal überbaut. Aber man
benutzte offenbar immer wieder die gleichen
Grundmauern, die erst jetzt bei der Anlage neuer
Kraftstromanlagen entfernt werden mutzten.
Bei dieser Gelegenheit stietz man auf jenes
in Leder gebundene Heft, dessen Blätter trotz
eines fast luftdichten Abschlusses in der Mauer-
ritze ganz vergilbt und teilweise brüchig waren.
Da man auf der ersten Seite einen zaristi-
schen Stempel entdeckte, informierte man die
GPU, die den Fund beschlagnahmte und unter-
suchen lietz.
Wie bekannt wird, soll das Heft, das erst
flüchtig durchgesehen wurde und dann unter
strengen Verschluß kam, wichtige Aufzeichnungen
über die Politik des Zaren aus der Zeit vor dem
Weltkrieg enthalten. Vor allem die Bedürfnis-
fragen, die persönlichen und staatspolitischen Hin-
tergründe, bisher unbekannte lleberlegungen u.
a. mehr sollen hier behandelt werden.
Sollten sich diese Andeutungen bewahrheiten,
dann würden die Sowjets ja bald die Welt mit
einigen politischen Ueberraschungen beglücken, so-
fern die augenblickliche politische Lage es zulätzt.
Bisher haben sich freilich alle Gerüchte über
Funde in dem Mordhaus der Zarenfamilie nicht
bewahrheitet. Weder die Juwelen, noch Briefe
der Zarin und der Töchter, schließlich letzte No-
tizen der Begleitung der Zarsnfamilie konnte
man entdecken oder sicherstellen.
Ob es mit dem Tagebuch des Zaren anders
ist, wird die abschließende Untersuchung erst be-
stätigen müssen.
Saarkundgebung und Saarzukunft.
Die großen Tagungen des Bundes der Saar-
vereine, die alljährlich in Deutschland stattfanden,
waren stets Höhepunkte des deutschen Bekennt-
nisses zur Saar. Die große diesjährige Kundge-
bung aus dem Niederwald hat diesen Eindruck
erneuert und vertieft. Der im Verlage der Ge-
schäftsstelle „Saar-Verein" erscheinende „Saar-
freund" hat es sich in seiner Nr. 18 vom 15. Sep-
tember 1933 zur Aufgabe gemacht, in Wort und
Bild wenigstens einen Teil des gewaltigen Ein-
drucks jenen zu übermitteln, die nicht dabei sein
konnten. In seinem Leitartikel hebt Chefredak-
teur Richard Posselt die Worte Adolf Hitlers
hervor „Es gibt nur die dritte Lösung"- Weder
die Angliederung an Frankreich noch eine Bei-
behaltung des augenblicklichen fragwürdigen Zu-
stands eines „Völkerbundstaates" kämen eben-
so wenig für die 80 000 zur Tagung erschienenen
Saarländer wie für die überwältigende Mehr-
heit der zu Hause Gebliebenen in Betracht. Wenn
die Abstimmung wirklich unbeeinflußt und ge-
heim sein würde, wie es das Saarstatut be-
stimmt, käme nur eine Lösung in Frage: Zurück
zum Reich! Verwaltungsdirektor Th. Vogel
hat es in einem Aufsatz „Nachhall vom Nieder-
wald" zu zeigen unternommen, daß ein bestimm-
ter Teil der ausländischen Presse auch heute noch
bestrebt ist, seinen Lesern das wahre Bild vom
Kampf um die Saar zu verschleiern. Anstatt daß
Frankreich eine Lehre aus der spontanen Ein-
mütigkeit der großen Kundgebung zieht, arbeitet
die französische Presse daran, entweder diese
Kundgebung lächerlich zu machen, oder ein neues
Schlagwort in den Streit der Meinungen zu wer-
fen: „Die Saar den Saarländern!". Darunter
verstehst sie natürlich nicht -eine freie Abstim-
mung, sondern die Schaffung eines „autonomen
Pufferstaates!" Doch die vorliegende „Saar-
Freund"-Nummer ist durchaus nicht nur dem Rück-
blick gewidmet. Eine Reihe von Artikeln be-
schäftigt sich mit den Gewaltmaßnahmen, die die
Saarregierung gegen die deutschgesinnte Bevöl-
kerung ständig vornimmt. Weder die Bergarbei-
ter, noch die Eltern der Schuljugend, ja nicht ein-
mal die Geistlichkeit, sind — gerade heute — vor
dem Druck der jetzigen Saarmachthaber sicher.
Turnern wird das freie Wort unterdrückt, und
Denkmalsweihen für Deutschlands Helden wer-
den untersagt. Glaubt die Saarregierung durch
derartige Akte wirklich die Volksabstimmung in
einem ihr genehmen Sinne beeinflussen zu kön-
nen? Es ist weit eher anzunehmen, daß das Ge-
genteil eintritt.
Das Septemberheft der „neuen linke" (wa-
rum übrigens heute noch solche bolschewistische
Orthographie?) veröffentlicht u. a. sein diesjäh-
riges Erzähler-Preisausschreiben. 8 000 RM. sind
zu erobern für die beste deutsche Novelle von
höchstens 2000 Silben Umfang. Alles nähere da-
rüber findet man in dem Heft selbst- — Eine der
letzten Preisnovellen „Der Wald" gehört in der
Tat zum Echtesten und Schönsten, was von zeit-
genössischer Erzählerkunst geschaffen wurde. Eine
sehr originell und zynisch geschriebene Plauderei
über Sitten und Unsitten bei Tischgesellschaften,
; mit Zeichnungen illustriert, ergänzen das Heft,
! das außerdem wieder Neuheiten der Mode und
vieles andere Lesenswerte bringt. erla.
> EAL»«-!
MM «ES
kill ksma» SlöS klÄKsttMSWMS
18. Fortsetzung.
„Ah na, was is denn da für a Knocheng'rüst
hint', für a banert's? Entschuldigen scho, Sie...
Herr..., Sie Ham mi ang'rempelt g'nug. Las-
send des Frauerl vor. Elauben's leicht, sie kann
durch Ihr dürr's G'stell durchschlupf'n wie durch
a Nadelöhr?"
„Pst! Pst! Pst!"
Es wird still.
Die Deutschmeister spielen.
Auf dem Balkon erscheint Dollfuß.
Oberstleutnant Seifert des Deutschmsisterbun-
des hält eine Rede.
„...und unsere alte Deutschmeistermusik wird,
begleitet von den guten Wünschen der Regierung
und begrüßt von dem Jubel des Volkes, hinaus-
ziehen zu ihrer aufgetragenen Mission, werbend
zu sein für österreichische Geschichte und öster-
reichische Musik. Heilige und große Erinnerun-
gen belebend und den österreichischen Gedanken
wieder neu hinaustragend in Städte und Dörfer,
über Berge und in die Täler; denn Deutsch-
meister und ihre Musik sind Symbol österreichi-
schen Wesens."
„Heil! Heil unsere Deutschmeister!"
„Heil Dollfuß!"
„Heil..."
„Sie! Sie haben wieder nicht „Heil Dollfuß"
geschrien!"
Fridolin Mohrs Augen werden rund und groß.
„Waas? Was wollen Sie scho wieder von mir?
Eengan', Frau Wagner, sagen's dem Depp'n...
hab' i geschrien oder net? Mir scheint, ber Herr-
gott hat Jhna Ihre abstehend'n Ohrwaschl grab'
so für mein'n Daum'n un Zeigefinger wuchs'n
lass'». I hab „Heil" g'schrien... brüllt bab' i
wie a g'stochner Stier. Was i für die Deutsch-
meister fühl', des hab' i da!" Und schlägt wieder
mit der Hand auf die Brust, daß es knallt.
„Weil i selber einer g'wss'n bin."
„Heil Dollfuß... hätten Sie rufen sollen."
„Waas? Sie wer':n mer was d'erzähl'n. Was
i z'schrei'n hab' als a Oest'reicher, des 'atz i wer
von so an dreckig'n Judeng'fries net vorderzähl'n.
Verstehn's mi jetzt? Schauen's aber, daß af.ahr'n
... daß i net in Versuchung komm..."
Und Fridolin Mohr krempelt seine Aermel auf.
Ein Wachtmann schaut herüber. Er schiebt ein"
paar Leute zur Seite.
„Was gibt's denn dort?"
In diesem Augenblick fährt blitzend der Takt-
stock zur Höhe. Klingend braust es nieder: Ra-
detzkymarsch.
Da streift Fridolin Mohr seine Aermel wie-
der herunter. Der Judenjüngling ist verschwun-
den. Er denkt nicht mehr an ihn.
Radetzkymarsch... Kommandos tönen auf. Die
Musik marschiert. Alle Hüte fliegen von den
Köpfen.
Eine Gaste wird, die sich wieder schließt. Eine
schwarze Schlange zieht den Marschierenden nach.
„Geng'n mer!" sagt Fridolin Mohr. „Frau
Wagner, kommen's mit! Jetzt spielens den
Hpch- und Deutschmeistermarsch." .Und Fridolin
Mohr wischt unbemerkt mit dem Aermel über die
Augen.
„Mir san vom k, u. k.... Infanterie.. .regi-
ment Hoch- und Deutschmeister... Nummro vier
und weil... stier..."
„Ja... so wird's nimmer. Da können's ma-
chen, was wolln'. Des is ... vorbei! Geng'n
mer durch die Spiegelgass'n, da verwischen mer's
no a mal, wenn's auf d' Kärntnerstraß m außi-
komm'n."
„2a, ja. Eelln's, Herr Mohr, daß mer's do no
a mal g'sehn Ham. Aber gellen's, Sie sagn's
auch, schön wär' scho, des ganze. Aber, i kenn
halt not dran glaub'n. Wisssn's bei uns is des
net a so, wie draußt. Bei uns is des so a g'-
machte E'schicht. Des kennt mer glei. I
mutz mer des einschreib'n in mei Büch'!... am
zweit'n Juni Ham d' Deutschmeister g'spielt. Sie,
i hab' fast g'weint... des schreib' i a dazu."
Es ist Sonntagmorgen-
Der Platz vor der Polnischen Kirche ist leer.
Die Sonne scheint grell. Im Schatten einer
Säule steht Hans und wartet.
Aus der offenen Kirchentüre dringt der Or-
gelton, dünn und hell schellen die Wandlungs-
glocken dazwischen.
„Jetzt ist es bald aus. . . dann kommt sie!"
Hans schaut vom sonnenhellen Platz auf das
Portal. Er hat den Wunsch, da drinnen im küh-
len Gotteshaus niederzuknien und zu beten - . .
für Anneri ... für sich . . . für seine deutsche
Sache, für sein deutsches Volk. . -
„Wir wollen dir treu sein, Herr, wir wollen
treu sein einander, wir wallen einen heiligen
Kampf kämpfen gegen die, die unsere Rechte tre-
ten .. . und bitten um Hilfe."
Da fallen ins dämmernde Schiff der Kirche
die Töne der Orgel stärker, brechen sich an der
Kreuzwölbung und stürzen kraftvoller durch die
offene Türe zu dem Einsamen da draußen.
Tantum ergo . . . sacramentum . - .
Da beugt Hans seinen Kopf tief und andäch-
tig.
Plötzlich schiebt sich eine kleine, feste Hand von
der Seite her in seine leichtgeschlossene Hände.
„Hans I"
Er schließt die Finger schnell, wie man einen
Vogel, der sich verflogen hat, einfängt.
„Du! . . ." sagt er nur, und es ist wie ein
Aufschrei aus Qual und Not-
„Ja, Hans . . . wie geht es dir?"
„Ach, Annerl", seufzt er, „vierzehn Tage weiß
ich nichts von dir."
Leute kommen aus der Kirche. Annerl schaut
sich ängstlich um. „Bekannte werden uns sehen
und es Papa sagen."
„Komm!" sagt Hans nur. Er läßt ihre Hand
los. „Ich weiß in der Taubstummenstraße eine
kleine Konditorei." —
Wenige Minuten später sitzen sie in einem
ganz winzig kleinen Raum. Ein Fenster in den
Hof, mit billigem Store verhangen, rote, ein we-
nig verschossene Samtbänke und drei kleine,
weiße, Marmortische - . . ganz leer.
Da muß Hans lächeln. „Möchtest du jetz in
der Konditorei Eerstner sein, Annerl?"
„Nein, um Gottes willen nicht, hier ist's besser,
da sieht uns niemand."
„Bringen Sie zwei Portionen Eis, willst du
Himbeer oder Vanille?"
„Vanille, bitte."
Während sie ihr Eis löffelt, betrachtete Hans
sie. „Annerl, du siehst nicht gut aus ... gar nicht
gut. Bist du denn am Ende krank gewesen? Du
verheimlichst mir etwas?"
„Ich bin nicht krank gewesen."
„Oder war sonst etwas?"
Es zuckt um ihren Mund. Sie legt den Eis-
löffel nieder und sieht ihn an-
„Ich bleibe dir treu, Hans", sagte sie einfach.
Da fällt sein Kopf ganz tief nach vorn.
„Hans, sei nicht traurig, hab' keine Angst. Mich
zwingt kein Mensch. Keine Gewalt reißt mich
von dir."
Er tastet über den glatten Mormar zu ihrer
Hand hin und hält sie fest.
Da ißt sie mit der Linken ihr Eis fertig.
(Fortsetzung folgt!)
FMag, 8en SS. Sepkemb'er 1983.
Sette 1!,
Ms GsldLKiar -ss »N
(am 22. September 1914.) Don Studienassessor K. A. Becker. Rimbach (Hessen).
Trotz aller moralischen Entrüstung über die
deutsche Grenzverletzung und aller von Hu-
manität triefenden Reden damaliger eng-
lischer Staatsmänner war 1914 der wahre
Grund für Englands Eingreifen in Len Wel-
kenbrand das ständige Verlangen, den auf-
strebenden Geschäftskonkurrenten Deutschland
auf dem Weltmarkt wirtschaftlich zu ver-
nichten.
Kurz nach seiner Kriegserklärung hatte
England an Deutschland in seinen Tages-
zeitungen die etwas kindliche Drohung aus-
gestoßen, Deutschlands Flotte werde in weni-
gen Wochen verschwunden sein. Es machte
für sich damals eine glatte Ueberschlagsrech-
nung, nach der eine doppelte Aebermacht an
Eeestreitkräften zur Erfüllung seines „Krä-
mer-Wunsches" verhelfen mußte. Mit einer
möglichen Siegesfähigkeit Deutschlands aus
dem Lande wollte man schon rechnen, mtt
einer Siegesmöglichkeit zu Wasser nie und
nimmer.
Majestätisch zeigte der „Tommy" u. a. in
der Nordsee seine Stahlrosse, mit einer Ele.
ganz durchfurchten Dreadnougths, zusammen-
gestellt mit Kreuzern und anderen Kriegs-
schiffen, die See, vor dem deutschen Gegner
werden wir standhalten und mit Sicherheit
ihn sehnsüchtig niederschmettern. Besondere
Borsicht wird nur beim Passieren eines Mi-
nenfeldes nötig sein, das Uebrige bürdet eine
ernste, aber nicht allzu schwere Aufgabe auf.
So dachte wohl der Engländer noch in den
Tagen des September 1914.
Seine schweren Panzerkreuzer bewegten
sich wie andere Kriegsschiffe stolz in der
Nordsee. „U 9" lief sofort bei Kriegsausbruch
aus, und in der ersten Hälfte des August
kehrte sein kaltblütiger und unerschrocken
mutiger, jugendlicher Kommandant, Kapitän-
leutnant Okto Weddigen, nach glücklich
vollendeter llnkerseebootfahrt nach den Shett-
land-Inseln schon nach Wilhelmshaven zurück.
Nach schlichter Kriegskrauung drängte es ihn
bald wieder in die Ferne zu neuen Taten, des
Vaterlandes Not spornte ihn zu neuen küh-
nen Unternehmungen an.
Mit seemännischem Scharfblick lenkte er
seine Stahlbraut, wobei 20 „Blaue Jungens"
mit ganzer Hingabe ihm halfen, die klaren
Befehle auszuführen. Nordwestlich von Hoek
van Holland zeichnete „U 9" am 22. Sep-
tember seine Spur in die verhältnismäßig
ruhig daliegende See, als in der Frühe des
Morgens auf seiner Patrouillenfahrt Otto
Weddigen die 3 englischen Panzerkreuzer
„Hogue", „Cressy" und „Aboukir" am Hori-
zont sichtete. Die übrige Hälfte des 7. eng-
lischen Kreuzergeschwaders hatte eine andere
Route eingeschlagen. Die Pulse der Besatzung
flogen in Erregung, als Signal ertönte, das
Book klar zum Tauchen zu machen und blitz-
schnell raumke die erforderliche Arbeit.
Der Kommandokurm wird abgebauk, die
Flagge geborgen, der Mast umgelegt, die
obere Turmklappe geschlossen, die zum Ab-
schied von der dünneren Materie noch einen
metallig-dumpfen Ton hinterläßt. Am Peri,
skop such! ein sicheres lebhaftes Auge, und
rauschend strömt das Wasser in die Außen-
bordtanks ein. „U 9" taucht unter den Mee-
resspiegel. Der Elektromotor löst seinen „Pe-
Iroleum-Artgenossen" ab und treibt die
Schrauben an. Die Mannschaft ist in fiebern-
der Spannung und starker Atemnot. Ein-
gezwängt im Dunkeln innerhalb der Stahl-
wände bei eintönig lautem Stampfen der
Stahlblöcke erwartet sie den eindeutigen Be-
fehl. Endlich — jeder fährt auf. Leuchtende
Buchstaben erscheinen auf der Tafel des Sig-
nalapparates: — Achtung —. Alle Hände
legen zur Arbeit an. Gleich den 2. Torpedo
bereit zum sofortigen Nachschieben in das
Ausstoßrohr. — Jetzt muß das Boot in der
richtigen Entfernung vom 1. Kreuzer sein. —
Das Lichtzeichen „Los" löst den ersten Ab-
schuß aus. Das Geschoß ist fort, ein Gurgeln
und Schluchzen im Wasser, das in die leere
Kammerschleuse des Rohres einskrömt. Mit
Behendigkeit wird der 2. Torpedo in die
dunkle Rohröffnung eingeführt. Zeder an
Bord zählt die Sekunden: war es auch ein
Volltreffer? Doch den Einschlag können sie,
die braven „Blauen Jungens" nicht hören,
das Dröhnen der Maschinen übertönt jeg-
liches, sekundlich erwartetes Geräusch. Kein
Ton dringt zu ihnen herunter. Die Bewegun-
gen des Schiffes werden unregelmäßiger, der
Schiffskörper wird wie ein Ball hin und her
geschleudert. Durch schnelles Skeuermanöver
werden die Matrosen im Dunkeln gegenein-
ander geworfen. Das Boot geht aus seiner
ursprünglichen Richtung. Der Angriff ist ge-
lungen.
Gegen 6 Ahr morgens sank „Aboukir" mit
fast 800 Mann Besatzung in die Tiefs, War
das Schiff vielleicht auf eine Mine gelaufen?
Der englische Kommandant suchte im Trüben,
einen Feind hatte er ja nicht gesichtet. Doch
kurz darauf ereilte „Hogue" dasselbe Schick-
sal. Sofort wurden Boote ausgesetzt, und der
3. Kreuzer „Cressy" war bemüht, die über-
lebenden Kameraden aufzufischen. Kein Feind
war inzwischen im weiten Umkreis zu sehen.
Die Bergungsarbeit nahm fast 2 Stunden an
Zeit in Anspruch. Da arbeiteten schon wie-
der die deutschen „Blauen Helden" an den
Hebeln der Maschinen und des Ausstoßrohres
und versetzten dem letzten Panzerkreuzer
jenen gewaltigen Stoß, der ihn seinen schon
versenkten Schwesterschiffen in die tiefe Nacht
nachfolgen ließ.
Nun brauchen die „stoben und sicheren"
Engländer nicht mehr zu zweifeln, daß ein
deutsches Unterseeboot in der Nähe war, und
daß die 3 Panzer von deutschen Torpedos in
den Grund gebohrt wurden. Ein Teil der eng-
lischen Besatzung wurde von dem holländischen
Frachtdampfer „Flora" in notdürftiger Klei-
dung und vollkommen erschövtt nach 3 Stun-
den schweren Wellenkampfes ausgenommen.
20 „Blaue Jungens" nehmen es mit fast
2400 englischen Matrosen auf. England mußte
aber von diesem denkwürdigen Tage an
gründlich seine Ansicht ändern, daß dem
„deutschen Michel" leicht und bequem zu
Wasser beizukommen wäre.
So bildet der 22. September 1914 «inen
Markstein in der Geschichte des Untersee-
boot- und überhaupt des Seekrieges. Mik
goldenen Lettern sind der Name Otto Wed-
digen und die seiner treuen Heldenschar in
der Ruhmesgeschichke der deutschen Flotte
für alle Zeiten unauslöschbar verankert.
„Otto Weddigen hieß der Kapitän,
„U 9" sein schlankes Book,
Und prasselnd ließ es im Sturme weh'n
Die Flagge „Schwarz-Weiß-Aok."
rEer
Das Tagebuch des Zaren gesunden?
Letzte Eintragung em 18. Juli 1918. — Russische
Historiker untersuchen den Fund.
Im Verlauf von Ausfchachtungsarbeiten, die
man in Jekaterinburg, in der Nähe des Hauses,
in dem die Zarenfamilie ermordet wurde, vor-
nahm, wurde ein interessanter Fund gemacht. Nach
den bisher vorliegenden Berichten fand man in
einer verklebten Mauernische ein Heft, das sich
als das Tagebuch des Zaren entpuppte. Drei
bekannte russische Historiker und Sachverständige
sind mit der Prüfung des Fundes und der Fest-
stellung seiner Echtheit beauftragt worden.
Das Gebäude selbst, in dem an jenem unse-
ligen 16. Juli 1918 der Zar den Tod fand mit-
samt seiner ganzen Familie, ist längst abgerissen
und wurde schon zweimal überbaut. Aber man
benutzte offenbar immer wieder die gleichen
Grundmauern, die erst jetzt bei der Anlage neuer
Kraftstromanlagen entfernt werden mutzten.
Bei dieser Gelegenheit stietz man auf jenes
in Leder gebundene Heft, dessen Blätter trotz
eines fast luftdichten Abschlusses in der Mauer-
ritze ganz vergilbt und teilweise brüchig waren.
Da man auf der ersten Seite einen zaristi-
schen Stempel entdeckte, informierte man die
GPU, die den Fund beschlagnahmte und unter-
suchen lietz.
Wie bekannt wird, soll das Heft, das erst
flüchtig durchgesehen wurde und dann unter
strengen Verschluß kam, wichtige Aufzeichnungen
über die Politik des Zaren aus der Zeit vor dem
Weltkrieg enthalten. Vor allem die Bedürfnis-
fragen, die persönlichen und staatspolitischen Hin-
tergründe, bisher unbekannte lleberlegungen u.
a. mehr sollen hier behandelt werden.
Sollten sich diese Andeutungen bewahrheiten,
dann würden die Sowjets ja bald die Welt mit
einigen politischen Ueberraschungen beglücken, so-
fern die augenblickliche politische Lage es zulätzt.
Bisher haben sich freilich alle Gerüchte über
Funde in dem Mordhaus der Zarenfamilie nicht
bewahrheitet. Weder die Juwelen, noch Briefe
der Zarin und der Töchter, schließlich letzte No-
tizen der Begleitung der Zarsnfamilie konnte
man entdecken oder sicherstellen.
Ob es mit dem Tagebuch des Zaren anders
ist, wird die abschließende Untersuchung erst be-
stätigen müssen.
Saarkundgebung und Saarzukunft.
Die großen Tagungen des Bundes der Saar-
vereine, die alljährlich in Deutschland stattfanden,
waren stets Höhepunkte des deutschen Bekennt-
nisses zur Saar. Die große diesjährige Kundge-
bung aus dem Niederwald hat diesen Eindruck
erneuert und vertieft. Der im Verlage der Ge-
schäftsstelle „Saar-Verein" erscheinende „Saar-
freund" hat es sich in seiner Nr. 18 vom 15. Sep-
tember 1933 zur Aufgabe gemacht, in Wort und
Bild wenigstens einen Teil des gewaltigen Ein-
drucks jenen zu übermitteln, die nicht dabei sein
konnten. In seinem Leitartikel hebt Chefredak-
teur Richard Posselt die Worte Adolf Hitlers
hervor „Es gibt nur die dritte Lösung"- Weder
die Angliederung an Frankreich noch eine Bei-
behaltung des augenblicklichen fragwürdigen Zu-
stands eines „Völkerbundstaates" kämen eben-
so wenig für die 80 000 zur Tagung erschienenen
Saarländer wie für die überwältigende Mehr-
heit der zu Hause Gebliebenen in Betracht. Wenn
die Abstimmung wirklich unbeeinflußt und ge-
heim sein würde, wie es das Saarstatut be-
stimmt, käme nur eine Lösung in Frage: Zurück
zum Reich! Verwaltungsdirektor Th. Vogel
hat es in einem Aufsatz „Nachhall vom Nieder-
wald" zu zeigen unternommen, daß ein bestimm-
ter Teil der ausländischen Presse auch heute noch
bestrebt ist, seinen Lesern das wahre Bild vom
Kampf um die Saar zu verschleiern. Anstatt daß
Frankreich eine Lehre aus der spontanen Ein-
mütigkeit der großen Kundgebung zieht, arbeitet
die französische Presse daran, entweder diese
Kundgebung lächerlich zu machen, oder ein neues
Schlagwort in den Streit der Meinungen zu wer-
fen: „Die Saar den Saarländern!". Darunter
verstehst sie natürlich nicht -eine freie Abstim-
mung, sondern die Schaffung eines „autonomen
Pufferstaates!" Doch die vorliegende „Saar-
Freund"-Nummer ist durchaus nicht nur dem Rück-
blick gewidmet. Eine Reihe von Artikeln be-
schäftigt sich mit den Gewaltmaßnahmen, die die
Saarregierung gegen die deutschgesinnte Bevöl-
kerung ständig vornimmt. Weder die Bergarbei-
ter, noch die Eltern der Schuljugend, ja nicht ein-
mal die Geistlichkeit, sind — gerade heute — vor
dem Druck der jetzigen Saarmachthaber sicher.
Turnern wird das freie Wort unterdrückt, und
Denkmalsweihen für Deutschlands Helden wer-
den untersagt. Glaubt die Saarregierung durch
derartige Akte wirklich die Volksabstimmung in
einem ihr genehmen Sinne beeinflussen zu kön-
nen? Es ist weit eher anzunehmen, daß das Ge-
genteil eintritt.
Das Septemberheft der „neuen linke" (wa-
rum übrigens heute noch solche bolschewistische
Orthographie?) veröffentlicht u. a. sein diesjäh-
riges Erzähler-Preisausschreiben. 8 000 RM. sind
zu erobern für die beste deutsche Novelle von
höchstens 2000 Silben Umfang. Alles nähere da-
rüber findet man in dem Heft selbst- — Eine der
letzten Preisnovellen „Der Wald" gehört in der
Tat zum Echtesten und Schönsten, was von zeit-
genössischer Erzählerkunst geschaffen wurde. Eine
sehr originell und zynisch geschriebene Plauderei
über Sitten und Unsitten bei Tischgesellschaften,
; mit Zeichnungen illustriert, ergänzen das Heft,
! das außerdem wieder Neuheiten der Mode und
vieles andere Lesenswerte bringt. erla.
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18. Fortsetzung.
„Ah na, was is denn da für a Knocheng'rüst
hint', für a banert's? Entschuldigen scho, Sie...
Herr..., Sie Ham mi ang'rempelt g'nug. Las-
send des Frauerl vor. Elauben's leicht, sie kann
durch Ihr dürr's G'stell durchschlupf'n wie durch
a Nadelöhr?"
„Pst! Pst! Pst!"
Es wird still.
Die Deutschmeister spielen.
Auf dem Balkon erscheint Dollfuß.
Oberstleutnant Seifert des Deutschmsisterbun-
des hält eine Rede.
„...und unsere alte Deutschmeistermusik wird,
begleitet von den guten Wünschen der Regierung
und begrüßt von dem Jubel des Volkes, hinaus-
ziehen zu ihrer aufgetragenen Mission, werbend
zu sein für österreichische Geschichte und öster-
reichische Musik. Heilige und große Erinnerun-
gen belebend und den österreichischen Gedanken
wieder neu hinaustragend in Städte und Dörfer,
über Berge und in die Täler; denn Deutsch-
meister und ihre Musik sind Symbol österreichi-
schen Wesens."
„Heil! Heil unsere Deutschmeister!"
„Heil Dollfuß!"
„Heil..."
„Sie! Sie haben wieder nicht „Heil Dollfuß"
geschrien!"
Fridolin Mohrs Augen werden rund und groß.
„Waas? Was wollen Sie scho wieder von mir?
Eengan', Frau Wagner, sagen's dem Depp'n...
hab' i geschrien oder net? Mir scheint, ber Herr-
gott hat Jhna Ihre abstehend'n Ohrwaschl grab'
so für mein'n Daum'n un Zeigefinger wuchs'n
lass'». I hab „Heil" g'schrien... brüllt bab' i
wie a g'stochner Stier. Was i für die Deutsch-
meister fühl', des hab' i da!" Und schlägt wieder
mit der Hand auf die Brust, daß es knallt.
„Weil i selber einer g'wss'n bin."
„Heil Dollfuß... hätten Sie rufen sollen."
„Waas? Sie wer':n mer was d'erzähl'n. Was
i z'schrei'n hab' als a Oest'reicher, des 'atz i wer
von so an dreckig'n Judeng'fries net vorderzähl'n.
Verstehn's mi jetzt? Schauen's aber, daß af.ahr'n
... daß i net in Versuchung komm..."
Und Fridolin Mohr krempelt seine Aermel auf.
Ein Wachtmann schaut herüber. Er schiebt ein"
paar Leute zur Seite.
„Was gibt's denn dort?"
In diesem Augenblick fährt blitzend der Takt-
stock zur Höhe. Klingend braust es nieder: Ra-
detzkymarsch.
Da streift Fridolin Mohr seine Aermel wie-
der herunter. Der Judenjüngling ist verschwun-
den. Er denkt nicht mehr an ihn.
Radetzkymarsch... Kommandos tönen auf. Die
Musik marschiert. Alle Hüte fliegen von den
Köpfen.
Eine Gaste wird, die sich wieder schließt. Eine
schwarze Schlange zieht den Marschierenden nach.
„Geng'n mer!" sagt Fridolin Mohr. „Frau
Wagner, kommen's mit! Jetzt spielens den
Hpch- und Deutschmeistermarsch." .Und Fridolin
Mohr wischt unbemerkt mit dem Aermel über die
Augen.
„Mir san vom k, u. k.... Infanterie.. .regi-
ment Hoch- und Deutschmeister... Nummro vier
und weil... stier..."
„Ja... so wird's nimmer. Da können's ma-
chen, was wolln'. Des is ... vorbei! Geng'n
mer durch die Spiegelgass'n, da verwischen mer's
no a mal, wenn's auf d' Kärntnerstraß m außi-
komm'n."
„2a, ja. Eelln's, Herr Mohr, daß mer's do no
a mal g'sehn Ham. Aber gellen's, Sie sagn's
auch, schön wär' scho, des ganze. Aber, i kenn
halt not dran glaub'n. Wisssn's bei uns is des
net a so, wie draußt. Bei uns is des so a g'-
machte E'schicht. Des kennt mer glei. I
mutz mer des einschreib'n in mei Büch'!... am
zweit'n Juni Ham d' Deutschmeister g'spielt. Sie,
i hab' fast g'weint... des schreib' i a dazu."
Es ist Sonntagmorgen-
Der Platz vor der Polnischen Kirche ist leer.
Die Sonne scheint grell. Im Schatten einer
Säule steht Hans und wartet.
Aus der offenen Kirchentüre dringt der Or-
gelton, dünn und hell schellen die Wandlungs-
glocken dazwischen.
„Jetzt ist es bald aus. . . dann kommt sie!"
Hans schaut vom sonnenhellen Platz auf das
Portal. Er hat den Wunsch, da drinnen im küh-
len Gotteshaus niederzuknien und zu beten - . .
für Anneri ... für sich . . . für seine deutsche
Sache, für sein deutsches Volk. . -
„Wir wollen dir treu sein, Herr, wir wollen
treu sein einander, wir wallen einen heiligen
Kampf kämpfen gegen die, die unsere Rechte tre-
ten .. . und bitten um Hilfe."
Da fallen ins dämmernde Schiff der Kirche
die Töne der Orgel stärker, brechen sich an der
Kreuzwölbung und stürzen kraftvoller durch die
offene Türe zu dem Einsamen da draußen.
Tantum ergo . . . sacramentum . - .
Da beugt Hans seinen Kopf tief und andäch-
tig.
Plötzlich schiebt sich eine kleine, feste Hand von
der Seite her in seine leichtgeschlossene Hände.
„Hans I"
Er schließt die Finger schnell, wie man einen
Vogel, der sich verflogen hat, einfängt.
„Du! . . ." sagt er nur, und es ist wie ein
Aufschrei aus Qual und Not-
„Ja, Hans . . . wie geht es dir?"
„Ach, Annerl", seufzt er, „vierzehn Tage weiß
ich nichts von dir."
Leute kommen aus der Kirche. Annerl schaut
sich ängstlich um. „Bekannte werden uns sehen
und es Papa sagen."
„Komm!" sagt Hans nur. Er läßt ihre Hand
los. „Ich weiß in der Taubstummenstraße eine
kleine Konditorei." —
Wenige Minuten später sitzen sie in einem
ganz winzig kleinen Raum. Ein Fenster in den
Hof, mit billigem Store verhangen, rote, ein we-
nig verschossene Samtbänke und drei kleine,
weiße, Marmortische - . . ganz leer.
Da muß Hans lächeln. „Möchtest du jetz in
der Konditorei Eerstner sein, Annerl?"
„Nein, um Gottes willen nicht, hier ist's besser,
da sieht uns niemand."
„Bringen Sie zwei Portionen Eis, willst du
Himbeer oder Vanille?"
„Vanille, bitte."
Während sie ihr Eis löffelt, betrachtete Hans
sie. „Annerl, du siehst nicht gut aus ... gar nicht
gut. Bist du denn am Ende krank gewesen? Du
verheimlichst mir etwas?"
„Ich bin nicht krank gewesen."
„Oder war sonst etwas?"
Es zuckt um ihren Mund. Sie legt den Eis-
löffel nieder und sieht ihn an-
„Ich bleibe dir treu, Hans", sagte sie einfach.
Da fällt sein Kopf ganz tief nach vorn.
„Hans, sei nicht traurig, hab' keine Angst. Mich
zwingt kein Mensch. Keine Gewalt reißt mich
von dir."
Er tastet über den glatten Mormar zu ihrer
Hand hin und hält sie fest.
Da ißt sie mit der Linken ihr Eis fertig.
(Fortsetzung folgt!)