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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 281 - Nr. 290 (2. Dezember - 13. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44128#0438

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Die rsWhe Boftswirlschast bedarf zu ihrer Auffrischung des aus-
ländischen Kapitals, sie kann sich nicht loslösen von der Wcs'iwirt-
schlaft, die unter kapitalistischer Herrschaft ihre eigenen Wege Acht.
Leider kommen auch wir in Deutschland, bei der Schwäche unserer
Wirtschafiskonstettation nicht ohne Unterstützung ausländischen Ka-
pitals aus, wobei allerdings mehr als uns zuträglich ist das Eindrin-
gen des ausländischen Kapitals sich vollzieht und wir in eine harte
Schuldknechtschaft zum Ausländ gelangen. Ein Zustand, der des-
halb noch erträglich ist, weil wir annehmen können, daß damit auch
das Interesse im Ausland wächst, daß unsere Volkswirtschaft wieder
aufiommt. Bedenklicher ist das Eindringe n des auslän-
dischen Finanzkapitalis. Der 'Aufkauf einer deutschen
Bank in Koblenz von amerikanischen Finanziers hat ein berüchtigtes
Aufsehen erregt, zumal das Unternehmen, wie berichtet wird, das
Aktienkapital von 1,8 Millionen Mark auf 50 Millionen sofort
hinanfbringen will. Die Verlegung der Bank nach Köln läßt ver-
muten, daß man an dieser Zentralstelle des besetzten Gebietes den
Eeschäftsvorkehr des Unternehmens konzentrieren will und es ist
naheliegend, daß ein solches Unternehmen zur Kapitalverschiebung
nach dem Airsland sehr leicht benutzt werden kann. Allerdings
muß darauf hingewiesen werden, daß die ausländischen Bankfilia-
len im besetzten Gebiet wie Pilze aus der Erde emporwuchern und
im Hinblick darauf ein Unternehmen, das nicht ganz ohne deutschen
Einfluß geleitet wird, noch den Vorzug verdient.
Die Schäden des gegenwärtigen Wirtschaftsgetriebes treten
auch rechts kraß wieder zutage durch den überraschend glänzenden
Geschäftsabschluß des Baroper Walzwerkes. Das Unternehmen
kommt zu einer Dwidendenvertcriung von 56 Prozent, gegenüber
6 Prozent im Vorfahre. Der Abschluß hat die Gesellschaft veranlaßt,
das Aktienkapital um 9 Millionen zu erhöhen; es erhält jeder Ak-
tionär auf 2 Aktien drei neue zum Kurse von 100. Ganz offen-
sichtlich betreibt man damit eine B erwässerun g d esAk-
tienkapitis, um die Gewinnquote im nächsten Geschäftsabschluß
geringer erscheinen zu lasten. Au berücksichtigen ist bei der Wertung
des Geschäftsabschlusses, daß schon im verflossenen Geschäftsjahr
das Aktienkapital von drei auf sechs Millionen Mark erhöht wurde
und diese jungen Aktien bereits an d-er Dividendenausschüttung teil-
nahmen.
Das Unternehmen stellt Feinbleche her, und die Blechwalz-
werke unterliegen leider nicht den Preisbestimmungen des Eisen-
wirtschaftsbundes. Es konnte deshalb die Marktlage rücksichtslos
ausgenutzt werden; daß es geschehen ist, dafür spricht der gewinn-
reiche Abschluß des Unternehmens, besten Aktien an der Börse bis
auf 1055 hinausgingen. Ls kann keinem Zweifel unterliegen, daß
die hohen Preise, die dem Unternehmen zu nutze kommen, uns volks-
wirtschaftlich einen nicht unerheblichen Schaden zufügte. W« sollen
wir zu einer Preissenkung kommen, wenn in so gewissenloser Weise
sür die verarbeitende Industrie die Preistreiberei betrieben wird
und leider auch die Industrie der Fortigerzeugnite ihre nicht gering
bemessenen Gewinne einheimst. Die beste Empfehlung für die So-
zialisierung. Das Ergebnis des Baroper Walzwerkes ist keines-
wegs vereinzelt. Die Schokoladenfabrik Sarvtti verteilt eine Di
vis-ende voift 20 Prozent, und gewährt außerdem einen Bonus von
20 Prozent, dem noch für Wohl ahrtspflege 20 Prozent hinzug«-
sügt sind. Also in diesen drei Posten allein ein Reingewinn von 6»
Prozent. Auf anderen Gebieten der NahnrngLmitwlindustrie des-
gleichen nie gekannte vorteilhafte Abschlüsse. Die Zuckerfabriken
kommen fast überall mit vermehrten Gewinnen gegen das Vorjahr
'heraus und sie werden noch bester abschließen, wenn- ihnen erst der
freie Markt die Preistreiberei unkontrolliert offen stellt. Unter
solchen Umständen muß die P r ei s se nk u n g a u sf i ch t s lo s e r
erscheinen, denn der wilde Weitlauf , um die Ausnutzung der Kon-
junktur kennt keine Grenzen.

Soziale Rundschau.
Die Lehrer mrd die Gewerkschaften. Zur Zeit wird in den
Bezirksvereinen des Lehreroereins die G e w e r k sch a f t s f r a ge
eifrig diskutiert. Sv hielt der Bezirksverein Karlsruhe am
letzten Donnerstag eine Versammlung ab, die sich ausschließlich mit
dieser Frage beschäftigte. Es waren zu 'diesem Zweck zwei Referen-
ten gewonnen worden. Der Gauleiter der Angestellten Südweii-
deustchlands, Genosse Schneider- Karlsruhe, sprach über „Die
Geschichte der Eewerkschastsdewcgu»ng", während Obcrrevisor
Beetz vom Deutschen Eifenbähnerverband über „Die Gewerk-
schaftsbewegung der Beamten" referierte. Es wurde beschlossen,
die Aussprache über die Themas in einer der nächsten Bezirksver-
fammlungen unter Beisein der beiden Referenten fortzusetzen.

Feiglinge und Heuchler.
Kürzlich sprach in Chemnitz vor den Chemnitzer Metallar-
beitern der Vorsitzende des Metaliarbeitervrrbandes D i ß m a n n,
der bekanntlich zum rechten Flügel der U.S.P. gehört. In feinem
Vortrag kam Dißmann auch auf die höchst bedauerliche Spaltung
in der "Arbeiterschaft zu sprechen. Von besonderem Intereste aus
seinen Ausführungen sind folgende Sätze:
Wenn jetzt von Moskau aus die Amsterdamer Gewerkschafts-
internationale zu sprengen versucht wird, so ist das die Vernich-
tung der letzten festen Position, die wir haben. Wenn behauptet
-wird, die Amsterdamer InternHionale fei gelb, so sind die, die
das sagen, farbenblind. (Lebhafter Beifall.) Ich bin nicht
Rcchtsfvzialist, aber das kann ich euch sagen, daß meine rechts-
sozialistischen Kollegen, mit denen ich in der Vergangenheit
Schulter an Schulter gekämpft und mit denen ich auch in Zu-
kunft kämpfen werde, sich mit manchem messen können, der uns
heute als Gelbe beschimpft. Haltet die Einigkeit der Front der
Gewerkschaften fest. Was sind eure 42 000 Metallarbeiter in
Chemnitz für eine Macht, wenn ihr geschloffen seid. In brüder-
sicher Eintracht sollt ihr alle Fragen klären, so wollen wir es mit-
sammen halten. Fest geschloffen die Reihen, dann aber drauf, so
nur können wir siegen!
Die unäbh. Presse druckte diese Sätze nach, um «dem einstigen
lParteigcnosten einige schmähende Redensarten anzuhängen. Sie
Miete sich aber, ihren Lesern die weiteren Ausführungen Dißmanns
zur Kenntnis zu bringen, die sich u. a. auch mit Len blutigen
Borgängen vor dem Reichstage im Januar dieses
Jahres beschäftigten. Bekanntlich suchten die Unabhängigen alle
Schuld an den blutigen Zusammenstößen von sich abzuwälzen.
Mährend bald nach den Ianuarunruhen allgemein bekannt wurde,
Haß 'die Führer der Bewegung sich im entscheidenden Augenblick feig
Mviickzogen. Hierüber führt Dißmann aus:
"Als in Berlin Arbeitslose vor di« Maschinengewehre ge-
trieben wurden, und sich einige tödlich im Blute wanden, sah ich,
wie sich im Hintergrund Leute die Hände rieben. Feuerchen an-
stecken, und ohne Verantwortung die Arbeiter in die Katastrophe
treiben, geht nicht an. Ich könnte euch noch ganz andere Sachen
erzählen von der großen Demonstration vor dem Reichstag am
13. Januar. Ich habe Respekt vor Leuten, die ihr Leben wagen,
aber Feiglinge, die sich im Hintergründe haften und Hetzen, sind
mir zuwieber. In Halle ist jetzt so ein Held bei den Neukommu-
niften, der uns als Konterrevolutionäre beschimpft. Als wir in
den schweren Stunden im Ruhrgebiet uns heimlich in einem
Steinbruch zusammenfanden, zitterte der Kerl am ganzen Leibe,
war bleich vor Angst und redete kein Tünchen. Ihr (nach den
Kommunisten hin) bekommt ja Zuzug im Dezember, aber schaut
sie euch an. Die Ausnutzung der Not der Arbeitslosen zu poli-
tischen Zwecken ist verbrecherisch.

Unser Chemnitzer Bruderblatt, die „Vvlksstim-me", der wir
diese Ausj-üörungcn Dittmanns entnehmen, bemerkt hierzu, daß
jeder SoMbetnvkral neun Zehntel dieser Ausführungen unterschrei-
ben könne. Auch wir sind der Ansicht, daß die beherzigenswerten
Worte Dißmanns in weitesten Arbeiterkreisen Verbreitung finden
sollten und bedauern nur, daß Dißmann nicht früher den Mut zur
Wahrheit gefunden hat, als bis man ihm selbst an den Kragen geht.
Nach dem Parteitag in Halle hat Luis« Zietz noch einmal versucht,
aus den blutigen Verbrechen vvm 13. Januar Kapital für ihre
Partei zu schlagen. Das wird ihr und ihren rechtsunabhängigen
Freunden in Zukunft wohl nicht mehr möglich sein, man braucht
ihnen nur das Zeugnis Dißmanns entgegenzuhalten.

Der AfA-Bund zum Streikrecht in lebenswichtigen Betrieben.
Aus Anlaß der Vorgänge beim Berliner »CleEktrWätsarbeiter-
streik veröffentlicht der Vorstand des AM-Bundes folgend« Stel-
lungnahme:
Der Vorstand des AM-Bundes wendet sich mit aller Ent-
schiedenheit gegen die von den Moskauer Drahtziehern eingefädelten
Versuche, die Angestellten und Arbeiter lebenswichtiger Betriebe in
wilde Streiks zu treiben und so chaotische Zustände herbeizuführen.
Angesichts dieser Putschistentaktik von links und »den damit moti-
vierten scharsmacherischen Gegenmaßnahmen der Reaktion werden
die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer aufgefordert, auf
dem Wege der Selbsthilfe durch ihre gewerkschaftlichen Organisa-
tionen Entschcidmrgsstellen zu schaffen, deren Zustimmung für di«
Einleitung von Streiks in lebenswichtigen Betrieben vorher ein-
geholt werden muß.
Hierbei lehnt der AfA-Bund jede Einschränkung des Streik-
rechts entschieden ab und protestiert gegen die Verordnung des
Reichspräsidenten anläßlich des Elektrizitätsarbeiterstreiks. Sie
stellt nur eine Wiederbelebung des von allen Gewerkschaften abge--
lehnten Entwurfes der Schlichtungsordnung dar. Ebenso wird die
Technische Nollhilse nach wie vor als ein« behördlich sanklivnierte
Organisation des Streikbruchs abgelehnt.
Die Grundsätze der Menschlichkeit unh der Arbeitnehmersoli-
darität gebieten es aber, daß Ne Belegschaft eines Betriebes, dessen
Stillegung das gesamte Wirkschafts- und Gesellfchaftslebcn aufs
empfindlichste berührt, ihre Entscheidung in der vor,geschlagenen
Weise und unter unmittelbarer Mitwirkung einer Körperschaft
trifft, die als Vertretung der Gesamtheit aller Arbeitenden
ansesprochen wenden kann.

Kommunales.
K. Bürgerausschußsihung in Rohrbach vom 24. Nvv. Die zu bera-
tende Tagesordnung umfaßte 17 Punkte: 1. Abänderung der Satzung
der Gemeindesparkasse; Verkündung den 'Sparkassenrechnung 1918; 3. Er-
weiterung der ständigen KommWvnen; 4. Ei n g e m c i nb u n g s -
s age; 5. Erhöhung eines gemeindlichen Zuschlags zur Grunderwerbs-
stcuer; 6. desgleichen zur WerkMwachssteuer; 7. Erweiterung des Besitz-
beckens, d. h. die Genehmigung eines Kredits von 30 000 Mk.; 8. Aus
nähme und Tilgung eines Anlehens von 87 000 Mk.; 9. Veräußerung
von Grundstücken im Gewann Burg; 10. Dossldungs'tarif und Besol-
dungsordnung: 11 Erhebung bczw. Erhöhung des Wagegeldes; 12. Er-
höhung der Taxe für Kaufgräber; 13. Erhebung bezw. Erhöhung des
Sprunggetdes für Benützung des Fasselviehes; 14. Gemeindevoranschlag
1920/21; 15. Verkündung der Gemeinderechnung für das Ihr 1918; 16.
Wahl der DiätcnkommWvn (Kvntrollböhörde), Wahl der Rechnungs-
prüfungskommWvn. Bürgermeister Bitter eröffnet die Sitzung
71- Uhr, di« Anwesenheitsliste ergab 60 Mitglieder des Kollegiums. Zu
Punkt 1 wird ein Zusatz zu H 15 die Einrichtung des Giro-, und lieber-
weisungsvcrkehis debattelos zugestlmmt; ebenso fand Vorlage 2 einstim-
mige Genehmigung. Vorlage 3, di« im Ortsstatut verankerten Kom-
lmffivnen, Brennmaterialkommission, NahrungsmirtelkommWon und
WöhnnngÄiMMiWon, wurde der Erweiterung von je 2 Mitgliedern zu-
gestimmt. Bei Vortage 4 bracht« der Bors, zur Kenntnis, dah die ge-
pflogenen BerhandlnHen zur Eingemeindungssrage nichts ge-
bracht hätten, als einen kräftigen Bündel Wen. Herr Köhler, Ber-,
trcttr der Eingemeindungsparlei »verwahrte sich gegen die Be.'schiep-
pungstaktik und glaubte den Ausfall der Urabstimmung der Sozialdemo-
kratie an die Rockschöße hängen zu können. Gen. Ebner und Sau-
ter wirsen mit Recht diese Anrempelung zurück. Dem gemlnderätlichen
Beschluß, dir Eingemeindungsfrage vorerst ruhen zu lassen, wurden mit
57 gegen 5 Stimmen zugestimmt. Vorlage 6 und 7 fand debattclvse An-
nahme. Vorlage 8 wurde nach kurzer Erörterung der angesorderte Kre-
dit, 20 000 Mk., bewilligt. Die angcsorderte Anleihe von 87 000 Mk.
soll getilgt wkrden. Die Vorlage 9 fand ihre Genehmigung. Vorlage
10, der Befvldttngstaris und Bcsvldungsordnung für die Gemeinde'beam-
ten und -bediensteten, fand einstimmige Annahme. Vorlage 11, die Er-
höhung des Wagegeldes von 20 dczw. 30 Pfg. wird auf 1 Mk. festge-
setzt. Zu Vorlage 12, Erhöhung der Kaufgräber, wird der Erhöhung
pro Einzelgrab auf 600 Mk., Dvppelgrab 1000 Mk. zu,gestimmt. Vor-
lage 13 w rde » uf fohialdem. Antrag, welcher von Gen. Bayer!« be-
gründet wurde, das Sprunggelb Mr Großvieh von 20 Pfg. auf 3 Mk.
erhöht, für Kleinvieh von 1Ö Pfg. auf 1 Mk. zugestimmt. Vorlage 14,
Gtineindevoranschlag 1920/21, wurde nach Kenntnisnahme einstimmig
angenommen. Der Voranschlag, ein Zeichen der veränderten steuer-
lichen Gesetzgebung, gibt ein Spiegelbild der schwierigen ttebergangs-
wirffchaft. Die Fragen ber Wohnung ssürsorge, die Nofftandsardeiten
und all die Ausgaben, die den Gemeinden in den letzten Jahren neu er-
wachsen sind, treten hervorragenderweise m den Vordergrund. Das
Endergebnis des Voranschlags zeigt die Notwendigkeit der Deckung von
283000 Mk., wofür ein klmlagesatz von 1,20 Mk. zum Ansatz gelangt.
Besonderes Interesse wandte der Bürgerausjchuß den Schulfragen zu,
ergänzt durch wichtige Mitteilungen des Vorsitzenden. Vorlage 15 wurde
ebenfalls einstimmig angenommen. Nach vorgenommenrn Wahlen zur
Diäten,, und Rechnungsprüfungskommiffion hatte die reichhaltige Tages-
ordnung um 12S6 Uhr ihr Ende erreicht.
* Ein smrderbarer Beschluß des Walldorfer Eemrürberals. Die
Ortsverwaltung des Transportarbeitervetbandes Heidelberg 'schreibt
uns: 'Es mutet etwas eigentümlich an, wenn jemaitd annähernd 20
8 ah r e in ein;»m Gemeindedienste tätig war und sich weder im Dienste
noch außerhalb desselben etwas zu schulden kommen ließ, jetzt plötzlich ent-
lassen werben sollte, lieber einen solchen Standpunkt machten sich an-
scheinend die Stabväter von Walldorf wenig Kopfzerbrechen, sonst wäre
es nicht möglich gewesen, daß durch dieselben em Gemeinderatsdeschiuß
zustande gekommen wäre, ber einem Etraßenbahnbedicusteten (von der
Linie Wiesloch-Walkdorf) «ine solche Weihnochtsbescheerung in Aussicht
stellte. Der Mann, ber 19 Jahre im Gcmeindedienste stand, wurde vor-
übergehend krank, denn auch er mußte, wie 'so viel«, seine Gesundheit im
Kriege opfern. Durch gesetzliche Bestimmungen, sowie auch aus morali-
schen Gründen, ist es Pflicht einer sozial deutenden Gemeindeverwaltung,
daß Kriegsbeschädigte m erster Linie zu beschäftigen und zu berücksichtigen
sind. Nachdem der Gemeindend zweimal den Beschluß auf Kündigung
des Bediensteten ausfprach, blieb nichts anderes übrig, als eine Entschei-
dung des Schlichtungsausschuß herbeizuführen. Die Entschei-
dung ist, wie nicht anders zu -erwarten war, zu Gunsten des Klä-
gers ausgefallen. Die Gemeinde wurde verpflichtet, den Mann weiter
zu beschäftigen. Es ist unverantwortlich, wie der Gemeinderat ein-
stimmig «inen solchen Beschluß fasten konnte, ber sozial so ungerecht
wie nur denkbar ist. Wenn schließlich als wciisier Grund der Kündigung
angeführt weiden sollte, daß der Mann durch ehrliche Arbeit in den Be-
sitz eines kleinen Anwesens gekommen ist und deshalb einsm anderen
Platz machen sollte, so ist bas mehr wie kleinlich. Der »Stadtrat von
Walldorf braucht auf dreist „Tat" nicht stolz zu sein.
* Eine Bürgerausschußsitzuug in Eppingen findet Samstag, den
4. Dezbr., abends 8 Uhr statt. Zur Tagesordnung stehen folgende
Punkte: 1. Verkündigung ber Krankenhausrechnung vom Jahre 1917;
2. desgleichen ber Stadtrechmmg vvm Jahre 1918; 3. Tauschvertrag mit
Konrad Weiß Wwe.; 4. Neuregelung der Besoldung: s) der städtischen
Beamten, Angestellten und Arbeiter; b) des Bürgermeisters; c) ber Ge°
»mein'deräte. -
Bürgermeister uud Ratschreiber. Das Ministerium des Innern hat
entschieden, daß in den kiest en Landgemeinden, in denen 'der Bürger-
meister und der Ratschviber neben,einander tätig find, die Vereinigung
der beiden Aemter in einer Person und die gegenseitige Stellvertretung
ausgeschlossen ist. Diese Regelung steht dcr Entwicklung nicht entgegen,
daß tüchtige Ratfchreiber zum Bürgermeister gewählt werden können.

Es mutz jedoch daran festgehalten werden, daß öte hierdurch erledigir
Stelle des Ratschreiders sofort neu besetzt wird.


folgende Genossen: Kemmel, Kuhl,
ei ß, ferner 5 Ersatzleute.
es ch äs t s an t ei l s rief eine lebhafte
Kaufmann begründete den Antrag.

Aus Stadt und Land.
Außerordentliche Hauptversammlung der Gemeinnützigen Baugenossen-
schaft für Volks- mch KriegerheimstAten.
Der große Saal des „Prinz Max" konnte die Genossenschafter
nicht alle fasten, die zu der auf vorgestern abend einbevusenen außeror-
dentlichen Hauptversammlung gekommen waren. Diese Tatsache festst.ilcn
tzu können, ist ein erfreuliches Zeichen sür den Genossenschaftsgedauken.
Der, Vorsitzende Rechtsanwalt Dr. Fürst eröffnete die Versammlung
und gab seiner Freude über den überaus zahlreichen Besuch Ausdruck.
Den B.richt des Vorstandes erstattete Herr Kuhn. Dem Bericht ist
zu entnehmen, daß man mit der geleistetem Arbeit bei der Erbauung der
Siedlung Pfaffengrund zufrieden sein kann. Das Ziel gehe natürlich
noch weiter als das bis jetzt geleistete; es gelte den vollständigen Ausbau
ber Eiedettlng. Zu besonderem Dank ist die Genossenschaft der Äadt-
verwaltung gegenüber verpflichtest hat sie doch durch di« Bereitstellung
und Bewilligung der Mittel das Werk so gefordert, daß es heute das
ist, woran wir alle unsere Froudc haben. 103 Wohnungen haben 3st-
Millivnen gekostet, weitere 73 Wohnungen, die noch nicht ganz fertig-
gesteltt sind, kosten nahezu 3 Millionen, so daß eine Wohnung auf
40 000 Mk. zu stehen kommt. Der Mietzins einer Dreizimm rwvhnung
beträgt 560—580 Mk. . Das kommt einer Der-insung des Kapitals von
1)4 Prozent gleich. Es ist der Genossenschaft gelungen, die Rheinische
Hypothekenbank zu bewegen, Darlehen bis zu 90 Proz der amtlichen
Schätzung zu gewähren, selbstverständlich nur unter Garantie der Stadt.
Zu erwähnen ist noch ferner, daß die Genossenschft als Mitglied dem
Bad. Baubund belgetrcten ist. Auch Schenkungcn wu den der Genossen-
schaft überwiesen, darunter von einem »Heidelberger Büraer 8500 Mk.
und von 'Stabtrat Dr. Kaufmann 688 Mk. zur Erstellung ein«r Sch-
lank. Rach Behandlung der Personalfrage, wobei besonders der Tätig-
keit der Beamten besondere Anerkennung gezollt wurde, sprach der Red-
ner von den Arbeiten des nächsten Itchres, die di« Genossenschaft aus-
führen will. Es ist vorges«hcrst der Ausbau des Winkels nach der Ep-
pelheimc..strafte, was die Erstellung von 32 Wohnungen ausmacht, ferner
der Ausbau der PsafstnIrundstraßc mit 20 Wohnungen und der Ausbau
des westlichen Teils nach EppeHcim zu gelegen mit 131 Wohnungen, zu-
sammen ckkso 183 Wohnungen/ des weiteren soll in Handschuhsheim am
Weiher ein« Siedlung mit 32 Wohnungm erbaut werden. Di« Bau-
leitung für di« EiMung soll dem Architekten Dr. Fritz Schnöder
übertragen werden. Weiter hat der Vorstand die Einrichtung vv.r
Schreberga.trn in der Nähe des Pfaff ngrundes geplant. Nachdem der
Redner noch die Schulftage gestreikt hatte, konnte er noch miliellen, baß
die Genossenschaft 862 Mitglieder mit 1100 Anteilen zählst die rin Kapital
von 238 200 Mk. ausmachen. Ausgetreten sind 21 Genossenschaftler mit
27 Anteilen. »Lingegar-gen sind 163 000 'Mk.
Der Vorsitzende, Dr. Fürst, sprach nach Anhörung des Berichtes
sich dahin aus, daß man wohl mit der geleisteten Arbeit zufrieden fem
kann^ er hoffe nur, daß das Interesse für die Genossenschaft ein immer
größexs werden möge. Verfolgt 'doch die Genossenschaft einen gemein-
nützigen Zweck zum Besten der Kriegsteilnehmer und kinderreichen Fa-
milien.
Bürgermeister Dr. Drach spricht im Namen ber Stadt der Ge-
nossenschaft für ihr Wirken den Dank aus. Die Freude ist allgemein,
für das Gute und Nützliche das geschaffen wurde. Wir sehen froh der
Zukunft entgegen, draußen im Pfaffengrund wollen wir einen schönen
Schlußstein und in Handfchuhsheim ehren Grundstein zu einem gleich
schönen Werke 'legen. Es folgte die Wahl eines Möhnringsvergebungs-
ousschusses. Da der Wahl infolge des überaus starken Besuchs nicht
'so einfach gewesen wäre, bedurfte es einer Aufklärung über Rechte und
Pflichten dieses Ausschusses, die von Gen. Stock erteÄ! wurde. Man
wählte dann durch Zustimmung fö - - -
W i n k l er, 'Etzel jun. und W <
Die Erhöhung desGe
Aussprache hervor. Stadttat Dr. t , „
der vvm Vorstand und Auffichtsrat einstimmig angenommen wurde. Durch
die Geldentwertung ist man gezwungen, bcn Geschäftsanteil von 200 Mk.
auf IWO Mk. zu erhöhen. Genossenschaftler selbst sind an den Auffichts-
rat mit diesem Antrag herangetrete-n. Wenn natürlich der Geschästd-
anteil aus 1000 'Mk. erhicht wird, mutz auch ber monatliche Beitrag ent-
sprechend erhöht weiden. Bis jetzt war der Beitrag bä einem Anteil
von 200 Mk. 3 Mk. monatlich. Der heutige Antrag lautet Erhöhung
des Anteils auf 1000 Mk. bei einem Beitrag von 20 Mk. monatlich
Der Antrag hat ftinen Grund darin, Haß 'die Bürgerschaft mit einem ge-
wissen Mißtrauen auf die Genossenschaft herabsieht. 'Heißt es doch, was
haben/die Mitglieder alles für Vorteile und zahlen so wenig. Das dür-
fen sich die Genossen nicht nachfagen lassen. Di« Gcirossenfchaft muß
aus eigener Kraft eine Million Mark ausbrnrgen. Bon faulen Elemen-
ten wollen wir die Genossenschaft frei halten. Gen. Quast HM die
Erhöhung d.s Anteils für angebracht, jedoch die Zahlung eines Beitra-
ges von 20 Mk. monatlich für zu hoch, das können die Genossen nicht
zahlen. Er tritt für einen Beitrag von 10 Mk. ein. Wenn im Pfaffen-
grund faule Elemente feien, so sei das die Schuld des Wohnungsamtes,
das sic zug wstsen habe. Auch die Genossen Haas und Greifer
sprechen sich im gleichen Sinn« aus, Gen. Stock, »der aus dem G«bi«te
des Gensssenschäfisrsesens «in großer Sachkenner ist, erläuterte in großen
Zügen »den »Gedanken des Genossenscha»fl!smes«ns und begründet« den An-
trag der Erhöhung des Anteils Uich des Beitrages. Die eigentliche Trieb-
feder zu diesem Antrag ist das Gcwerkschaftskartell, wie es auch den An-
stoß zur Gründung der Baugenosserrschast gab. Cs ist Aufgabe »der Ge-
nossenschaft bei der Lösung 'des Wohnungsproblems entscheidend mitzu-
sprechen. Die Bauaideitergenosse.nfchaft und die Baugenossenschaft sind
heute wichtige Faktoren auf dem Baumarkte. Es ist nicht so, daß wenn
einem Genossenschaftler sein 'Bedarf an einer »Wohnung gedeckt ist, für
ihn di« Sache erledigt ist. Die gewosscnschaftliche Idee erfordert Ge-
nieinsinn und daher größte Aufopferung zur Sache von den 'Genossen.
Wir wollen nicht Hall machen »mch der Erstellung der Siedlungen Pf-af-
fengrund und in Hahdfthuhshenn, Mjr gehen weiter und werden auch in
den Straßenfronten der Stadt bauen, um auch für die, die nicht »in der
Lage sind, hmauszuzich««, gesunde Wohnungen zu erstellen. Wir wollen
mit der Zell bcn Wohnungsmarkl behe-rschon. D«m Grund- und Bv-
denwucher gilt unser »Kampf. Wenn Grund uud Boden »der Gemein-
schaft gehört, ist -er dem Kapital entzogen. Die Unterstützung der Stadt
wird in Zukunft schwer hallen, dem» schließlich ist auch dieser ein« G-«nze
gesetzt. Mc Stadt braucht »noch 40 Millionen zur Bekämpfung »der Woh-
nungsnot, das ist eine Summe, die zu denken »gibt. Wir kommen um die
Erhöhung auf 1000 Mk. nicht herum. Di« Genossenschaft»!«! müssen »doch
auch die ffrohen Vorteile bedenken, die sie durch eine Wohnung in einer
Siedlung genießen. Der R;dn«r versteht genau, baß es vielen schtver
fällt, monatlich 20 Mk. zu zahlen, auch 'hier wird die Genossenschaft jede
Härte vermeiden. Zum Schlüsse sprach »Geir. Stock zur Einführung
einer 'Sparkasse und wußte die Vorteile einer solchen ins recht« Licht zu
setzen. Die große Verarmung, in »die uns der Krieg geschleudert Hal, ist
vielen noch nicht zum Bewußtsein gekommen. Wir müssen aus der Tiefe
heraus, die Genossenschaft ist uns ein Weg hierzu. Das große Werk
wird uns gelingen, wenn wir uns einen gewissen Sclvstzwang auferleg«n.
Die überzeugenden Werte des Gen. Stock verfehlten ihre Wirkung nicht
und der Antrag auif Erhöhung des Anteils und des Beitrags wurden
einstimmig angenommen. Ferner wurde noch die. Einführung einer »Spar-
kasse nach »der sachlichen B -ründung von Stadttat Dr. Kaufmann
angenommen. Gen. Baum richtete »eine Anfrage wegrn Zuteilung von
Wohnungen an Kriegshinterbliebene an den Vorstand, die in zusagendem
Sinne beantwortet »wurde. Die Schaffung einer Schule im Pfaffen-
gründ rief eine lebhafte Aussprache 'hervor. Stadtrat Dr. Kaufmann
sagte zu, daß der Vorstand alles tun werbe, um wenigstens eine Schul«
»der vier ersten »Klassen einzurichten. Wenn »der Pfaffengrund cmmal
ganz bewohnt ist, werden wohl »di« Bewohner» die Anzahl Kinder zur
Verfügung stellen, daß man an eine Volksschule herantreten kann. Stadt-
rat Neppl« spricht sich dahin aus, daß der Stadtrat alles tun werde,
um ordentliche Schulräume zu schaffen, denn das ist 'die allererste Not-
wendigkeit.
Es wurde »noch «ine Klage geführt, daß di« Direktion ber Straßen-
bahn wegen der Fahrpreisermäßigung »der »Schulkinder gar kein» Ent-
gegenkommen zeige. Es »ist ber Auswand für kinderreiche Familien kaum
erschwinglich.
Bürgermeister Dr. Drach ist ber Ansicht, »daß man der Diremon
immer wrcder auf »den Pelz rücken müsse. Er für seine Person wolle tun,
was in seiner Kraft stehe. Gen. O u ast »bittet Bürgermeister Dr. Drach
die Anzahl der Feldhüter, die den Pfaffengrund bewachen, etwas herab-
zusetzen, »sonst könnte man etwas dabei denken. .
Ilm 10 'llh-r konnte der Vorsitzende »die anregend ver!-"<'en«
sammlung schließen-
 
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