Politisches Leben (Metroon)
343
Wann dieses Staatsarchiv eingerichtet wurde; ist nicht
überliefert und eine jeden Zweifel ausschliessende Vermuthung
ohne neues Material darüber nicht wohl möglich, falls man
nicht den Zeitpunkt, von dem ab in unseren Quellen zuerst
das Metroon als Archiv genannt ist, ohne Weiteres für
identisch mit dem hält, an dem die Anstalt in's Leben trat.
Wenn aber neuerdings die Behauptung aufgestellt ist1), dass
im fünften Jahrhundert und darüber noch Decennien hinaus
nur ein Rathsarchiv bestand (beim Buleuterion), dagegen erst
in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts ein Gesammt-
staatsarchiv im Metroon eingerichtet wurde, so kann ich
— abgesehen davon, dass ein solches Specialarchiv der
Bule mit unsern Mitteln nicht nachweisbar ist (wie oben
bemerkt) — einen derartigen tiefgreifenden Unterschied nicht
erkennen. Auch schon im fünften Jahrhundert und im An-
fang des vierten mussten alle Hauptstücke, die Verfassungs-
gesetze in Abschriften2), die Psephismata, die Protokolle
nicht bloss der Raths-, sondern auch der Volksversammlungen,
die Finanzakten und wohl auch bereits die öffentlichen An-
klageschriften3) in dem vermeintlichen Rathsarchiv liegen,
da die Bule doch eben die oberste Regierungsbehörde war;
mögen immerhin auch später noch einzelne unwichtigere
Stücke bisher unberücksichtigter Gattungen, wie die Epheben-
listen oder das authentische Exemplar der drei Tragiker in
das Archiv gelangt sein. Das Entscheidende bei diesem Re-
gierungsarchiv ist doch vielmehr, dass der Rath der Fünf-
hundert hier als der Wächter der Gesetze und Rechtsord-
nungen sich gerirt. Das ist aber nicht von Beginn der
Solonisch-Kleisthenischen Demokratie an möglich gewesen:
früher fiel diese Rolle ja nach bestimmtem Zeugniss dem
andern Rath, dem areopagitischen, zu. Erst nachdem die
der Logisten zum Archiv s. die oben S. 336 Anm. 1 zusammengestellten
Zeugnisse. Obige Vermuthung stellte, so viel ich weiss, zuerst Gilbert,
gr. Staatsalt. I S. 215 Anm. 4 auf.
1) Wilamowitz a. a. 0. S. 205 f.
2) S. C. i. Att. I N. 61 (s. oben).
3) Gerade für Sokrates' Klageschrift ist ja doch die Aufbewahrung
im Metroon bezeugt.
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Wann dieses Staatsarchiv eingerichtet wurde; ist nicht
überliefert und eine jeden Zweifel ausschliessende Vermuthung
ohne neues Material darüber nicht wohl möglich, falls man
nicht den Zeitpunkt, von dem ab in unseren Quellen zuerst
das Metroon als Archiv genannt ist, ohne Weiteres für
identisch mit dem hält, an dem die Anstalt in's Leben trat.
Wenn aber neuerdings die Behauptung aufgestellt ist1), dass
im fünften Jahrhundert und darüber noch Decennien hinaus
nur ein Rathsarchiv bestand (beim Buleuterion), dagegen erst
in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts ein Gesammt-
staatsarchiv im Metroon eingerichtet wurde, so kann ich
— abgesehen davon, dass ein solches Specialarchiv der
Bule mit unsern Mitteln nicht nachweisbar ist (wie oben
bemerkt) — einen derartigen tiefgreifenden Unterschied nicht
erkennen. Auch schon im fünften Jahrhundert und im An-
fang des vierten mussten alle Hauptstücke, die Verfassungs-
gesetze in Abschriften2), die Psephismata, die Protokolle
nicht bloss der Raths-, sondern auch der Volksversammlungen,
die Finanzakten und wohl auch bereits die öffentlichen An-
klageschriften3) in dem vermeintlichen Rathsarchiv liegen,
da die Bule doch eben die oberste Regierungsbehörde war;
mögen immerhin auch später noch einzelne unwichtigere
Stücke bisher unberücksichtigter Gattungen, wie die Epheben-
listen oder das authentische Exemplar der drei Tragiker in
das Archiv gelangt sein. Das Entscheidende bei diesem Re-
gierungsarchiv ist doch vielmehr, dass der Rath der Fünf-
hundert hier als der Wächter der Gesetze und Rechtsord-
nungen sich gerirt. Das ist aber nicht von Beginn der
Solonisch-Kleisthenischen Demokratie an möglich gewesen:
früher fiel diese Rolle ja nach bestimmtem Zeugniss dem
andern Rath, dem areopagitischen, zu. Erst nachdem die
der Logisten zum Archiv s. die oben S. 336 Anm. 1 zusammengestellten
Zeugnisse. Obige Vermuthung stellte, so viel ich weiss, zuerst Gilbert,
gr. Staatsalt. I S. 215 Anm. 4 auf.
1) Wilamowitz a. a. 0. S. 205 f.
2) S. C. i. Att. I N. 61 (s. oben).
3) Gerade für Sokrates' Klageschrift ist ja doch die Aufbewahrung
im Metroon bezeugt.