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Wachsmuth, Curt
Die Stadt Athen im Alterthum (Band 2, Erste Abtheilung) — Leipzig, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.12671#0423
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Politisches Leben (die Tyrannenmörder)

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allgemein gewordene Benennung dieser Statuengruppe be-
stimmte Einsprache erhoben und in ihr vielmehr Miltiades
und Kallimachos sehen wollen. Ueber den letzteren Versuch
einer anderweiten Benennung s. unten bei der Poikile. Seine
Bedenken gegen Harmodios und Aristogeiton, soweit sie mir
zutreffend erscheinen, beziehen sich sämmtlich nur auf die
Unmöglichkeit;, die beiden Statuen zu einer geschlossenen
Gruppe zusammenzurücken, erledigen sich also mit der
Annahme, dass der Zeit ihrer Entstehung entsprechend,
die Tyrannenmörder gar nicht als einheitliche Gruppe im
strengeren Sinne ausgebildet waren: die beiden Bronze-
bilder, die an sich auch als Einzelfiguren bestehen konnten,
waren vielmehr auf dem gemeinschaftlichen Unterbau einfach
neben einander gestellt1), und zwar — was in allen Nach-
bildungen festgehalten ist — der jugendliche Kämpfer (Har-
modios) links, der ältere (Aristogeiton) rechts, aber beide
keilförmig auf einen Punkt vordringend. Beide waren eben
dargestellt als xupavvoKTÖvoi, Harmodios ausholend zum
Streich, Aristogeiton mit vorgehaltener Chlamis seinen Ge-
nossen deckend, während die Rechte das Dolchschwert bereit
hält. Dass Harmodios und Aristogeiton aber nicht als Voll-
bringer der That, die nun einmal nach der demokratischen
Anschauung ihren Ruhm ausmacht, sondern in ruhiger feier-
licher Haltung gebildet seien, ist eine Forderung, die ich
nicht zu theilen vermag.

Neben diesen Statuen darf man nach allgemeiner hel-
lenischer Sitte, die auch für die athenische Agora speciell
wiederholt durch Inschriften bezeugt ist, eine Stele sich auf-
gestellt denken, welche den Volksbeschluss über die Ehren
und Privilegien für Harmodios und Aristogeiton und ihre
Nachkommen enthielt2). Ausserdem ist wahrscheinlich vor
diesen Statuen ein Altar oder Opferherd anzunehmen, an
dem der Archon Polemarchos den beiden Vaterlandsbefreiern

1) Vgl. Sauer, Anfänge der statuarischen Gruppe (Leipz. 1887)
S. 44 ff.

2) Auf diesen Beschluss ist Bezug genommen bei Demosth. XIX 280,
XX 18 und 127 f. und in der Inschrift im Hermes VI S. 31 Z. 8 (vgl.
S. 34 Anm. 3) = C. i. Ätt. I N. 8 Z. 8.
 
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