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Wagner, Karl Heinz
Nordtiroler Urnenfelder — Römisch-Germanische Forschungen, Band 15: Berlin, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.43200#0072
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Weiter im Osten weist Velem St. Veit Tiroler Sonderformen in einiger Zahl auf1). Das
Auftreten dieser Formen ist zwar zur Zeit räumlich vereinzelt, doch ist — von den Bronzen
abgesehen — die Übereinstimmung zahlreicher Gefäße von Velem St. Veit mit solchen
unserer Urnenfelder größer2), als daß ihr die Zurückführung auf gemeinsame Quelle gerecht
zu werden vermöchte; wir müssen vielmehr in diesen Funden Zeugen eines Vordringens
unbekannter Art der „Tiroler“ Urnenfelderkultur bis an den Ostalpenrand sehen3).
III. Die urnenfelderzeitlichen Kulturen des Umlandes.
Das umrissene Gebiet wird deutlicher hervortreten, wenn wir uns vergegenwärtigen,
welche Kulturen jenseits dieser Grenzen festzustellen sind.
Niederdonau, Ostalpenrand, Ungarn, Slowakei.
Jenseits des Flußgebietes der Enns, das — wie wir oben S. 55 sahen — die nordöstliche
Verbreitungsgrenze der Tiroler Gruppe im weiteren Sinne bilden müßte, also in Nieder-
donau, setzt 0. Menghin die Stillfrieder Kultur an4). Willvonseder weist auf „rein
vertretene Lausitzer Kultur“ in diesem Gebiet hin, die das Flußgebiet der Enns nicht über-
schritten habe5). Gemeinlebarn6) in einen engeren oder auch entfernteren Zusammenhang mit
süddeutscher Urnenfelderkultur zu bringen7), scheint nach Ausweis der Funde in der Tat
nicht möglich zu sein. In den doch immerhin zahlreichen Gräbern dieses Friedhofes fehlt
nahezu alles, was durch häufigeres Auftreten den Charakter eines süddeutschen Urnen-
feldes verleiht, so z. B. Zylinderhalsurne, hoher Becher, Messer mit Griff angel und ge-
schweifter Klinge, Rasiermesser, Gürtelschließe, Armreifen, Nadeln8). Dagegen zeigen
neben der Häufigkeit des Doppelkonus viele Formen, daß hier eine fremdartige Kultur
vorliegt, z. B. Amphore mit großen Henkeln (a. a. 0. Taf. 17, 4), hochgezogene Henkel
(z. B. a. a. 0. Taf. 15, 14), Schale mit gekniffenem Rand (z. B. a. a. 0. Taf. 15, 12; 16, 11. 14),
der durchbrochene Fuß einiger Fußschalen (z. B. Taf. 18, 17), Schüsseln wie a. a. 0. Taf.
17, 9, Gefäße wie a. a. 0. Taf. 18, 5 oder auch die Sitte, dem Toten ein ganzes „Service“
an Beigefäßen ins Grab mitzugeben. Trotz der Bedeutung, die Gemeinlebarn etwa für
Übermittlung nordöstlicher Einschläge in unserer Tiroler Gruppe haben könnte, sind daher
diese Urnenfelder Niederdonaus scharf von der Südostgruppe der süddeutschen Urnen-
felderkultur abzutrennen.
Weiterhin wären hier als Nachbarn Maria Rast und Pettau zu nennen9), die mit ihren
flauen Urnenprofilen kaum etwas aufweisen, was eine unmittelbare Verwandtschaft mit
T) 2 Messer mit umlappter Griffzunge (Miske, Die prähist. Ansiedlung von Velem St. Vid 1 (1907) Taf. 18, 23. 24)
4 Gürtelschließen (a. a. O. Taf. 36, 64—67), 1 vierkantiger Armreif (a. a. O. Taf. 33, 16) 1 Vasenkopfnadel (a. a. 0
Taf. 12, 24). — Wegen der ,,Vasenkopfnadel“ mit schlankem Kopf vgl. S. 62 Anm. 5.
2) Vgl. etwa Gefäße jeweils bei Miske a. a. 0. mit unseren Abbildungen: Taf. 60, 6 mit 36, 7; 60, 7 mit 20, 10 od. 35, 6;
60, 9 mit 12, 17; 61, 8 mit 8, 4; 62, 2 mit 39, 5; 62, 15 mit 6, 9; 63, 9 mit 26, 12; 66, 8 mit 31, 1. — Auch der geschweifte
Hals, Miske a. a. O. Taf. 63, 12, steht unserer Taf. 25, 2 sehr nahe.
3) So schon Childe, The Danube inPrehistory (1929) 334. — Natürlich fehlen in Velem St. Veit nicht Formen, die eine
Herkunft aus Osten oder Norden verraten, doch ist das Verhältnis dieser beiden Komponenten noch nicht untersucht.
4) Die Österr. Alpen, hrsg. von Leitmeier (1928) 192ff.
5) Germania 18, 1934, 186.
6) Szombathy, Prähist. Flachgräber b. Gemeinlebarn in Niederösterreich. Röm.-Germ. Forsch. 3 (1929).
7) Z. B. Childe a. a. O. 342.
8) An Formen der süddeutschen Urnenfelderkultur nur vereinzelt Girlandenriefen (a. a. 0. Taf. 22, 11), Messer
(a. a. O. Taf. 23, 2), stark gerippte Armreifen (a. a. O. Taf. 2, 2; 22, 4), tordierte Armreifen (a. a. O. Taf. 2, 3; 16, 8;
23, 9), vierkantige Armreifen (a. a. O. Taf. 12z 10).
a) Archiv f. Anthr. 11, 1912 Taf. 9—13; I. Undset, Das erste Auftreten des Eisens (1882) 32 (mit weiterer Literatur)
Taf. 3, 1—7; 4,1—4; M. Much, Sammlung von Abbildungen vor- u. frühgesch. Funde. Kunsthist. Atlas 1 (1889)
Taf. 40. — Der zweite Friedhof nicht veröffentlicht ; erwähnt von Childe, The Danube in Prehistory (1929) 406.

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