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geneigten Schotterdeltas liegen1), scheinen eine ackerbaubedingte Lage der doch sicher
benachbarten Siedlungen anzudeuten. Schließlich ist die ,,Ressourcenarmut des Inntales
und des Innsbrucker Beckens“ nicht gar so groß; der Kulturzustand späterer Zeiten war
auch ohne Bergbau und Fremdenindustrie ein recht hoher, eben mit dem Ackerbau als
Hauptgrundlage.
Schweiz.

Da die Schweiz ebenfalls zur süddeutschen Urnenfelderkultur gehört, brauchen wir auf
die Beziehungen allgemeinerer Natur in Messern, Rasiermessern und keramischen Formen2)
kein großes Gewicht zu legen. Hierher gehören auch der tordierte Armreif3) und die Kugel-
kopfnadel mit strichverziertem Hals4), die wir kaum als Tiroler Sonderform ansprechen
können. Darüber hinaus sind Beziehungen trotz der benachbarten Lage in erstaunlich
geringem Umfang festzustellen. Zeugen eines innerhalb der Nordalpen verlaufenden Ver-
kehrs, doch ohne daß wir den Ausgangspunkt anzugeben vermöchten, dürften Nadeln mit
schlankem vasenähnlichem Kopf5), mit gerilltem Scheibenkopf6) und einige Glasperlen
sein7). Zwei Scheibenknaufschwerter8) stammen nach Verzierung und Form möglicher-
weise von der oberen Donau (vgl. S. 58 ff). Gegengaben der Schweiz sind Kugelkopfnadel mit
geschwollenem und wechselnd tordiertem Hals9), Mohnkopfnadel10) und Nadel mit kleinem
Vasenkopf11). Nicht so eindeutig sind die Beziehungen wie sie sich in den Messern mit um-
lappter Griffzunge der Schweiz12) und der Nadel mit mehrfach gewulstetem Kopf Tirols
(S. 35) zeigen. Die Messer sind sicher in Tirol (vgl. S. 54), die Nadeln in der Schweiz be-
heimatet13). Doch zeigen beide Formen bei ihrem vereinzelten Auftreten in dem Nachbargebiet
— wie oben bei Ungarn — Abweichungen, die einen unmittelbaren Austausch ausschließen14).

x) Z. B. Schwaz I (S. 103) und Thaur (S. 111).
2) Ein Einfluß des Pfahlbaustiles zeigt sich wohl auch in der Form von hohen Bechern wie Taf. 31, 17 und 34, 4 von
Wilten, die mit der knappen Schulter und dem leicht kegelförmigen Hals in Nordtirol ungewöhnlich, in der Schweiz
dagegen geläufig ist (z. B. Vogt, Keramik Abb. 31—52).
3) Mitt. d. Antiqu. Ges. Zürich 7, 1876 Taf. 13,4; 22, 1886 Taf. 1,24; Kraft, Schweiz Taf. 8; 9,2; 10,3.
4) Zürich-Großer Hafner (Mus. Zürich), Ebersberg b. Zürich (Mus. Zürich), Corcelettes (Mus. Zürich).
°) Unsere Taf. 26, 1 (S. 35); im Mus. Zürich 2 Stücke (Mitt. d. Antiqu. Ges. Zürich 22,1, 1886 Taf. 4, 15); in Velem
St. Vid 5 Stücke (Miske, Die prähist. Ansiedlung von Velem S. Vid 1 [1908] Taf. 10, 15. 16; 11, 51; 19, 1. 2).
6) S. 34; in der Schweiz z. B. F. Keller, Mitt. d. Antiquar. Ges. Zürich 20, 1879 Taf. 3, 18k; J. Heierli, Mitt. d.
Antiquar. Ges. Zürich 22, 2, 1888 Taf. 5, 3; D. Viollier, Mitt. d. Antiquar. Ges. Zürich 29, 1924 Taf. 4, 26.
7) S. 38; in der Schweiz z. B. dem Stück Taf. 9, 15 sehr ähnlich eines von Wollishofen; vgl. Heierli, Mitt. d. Antiquar.
Ges. Zürich 22, 1, 1886 Taf. 3, 17.
8) Port b. Bem (Heierli, Mitt. d. Antiqu. Ges. Zürich 22, 2, 1888 Taf. 21, 1). — Martigny (Heierli u. W. Oechsli, Mitt,
d. Antiqu. Ges. Zürich 24, 1896 Taf. 5, 9; Heierli, Urgesch. der Schweiz [1901] Abb. 220). — Das Schwert aus Grau-
bünden (Schweiz. Landesmus. Zürich Nr. 12165) dürfte wegen des geraden Griffes und der unter der Griffplatte ver-
zierten Klinge eher zu der ungarischen Sonderform gehören (S. 60).
9) S. 33; im Schweiz. Landesmus. Zürich sehr zahlreich; abgebildet z. B. Keller, Mitt. d. Antiqu. Ges. Zürich 13,
1860 Taf. 5, 11; Heierli, Mitt. d. Antiqu. Ges. Zürich 22, 2, 1888 Taf. 5, 8; Viollier, Mitt. d. Antiqu. Ges. Zürich 29,
1924 Taf. 4, 4; Gross, Les Protohelvetes (1883) Taf. 21, 11.
10) Verbreitung vgl. Kraft, Schweiz 18.
u) S. 35. In den Schweizer Pfahlbauten sehr zahlreich, abgebildet z. B. Keller, Mitt. d. Antiqu. Ges. Zürich 12,
1866 Taf. 57, 58; Heierli, Mitt. d. Antiqu. Ges. Zürich 22, 2, 1888 Taf. 5, 18; Viollier a. a. O. Taf. 4, 3—7. 11.
12) Grabs (Schweiz. Landesmus. Zürich Nr. 16090); aus der Limmat bei Zürich-Drahtschmiedli (Mus. Zürich Nr. 2667);
Zürich-Letten (Mus. Zürich). Corcelettes (Heierli, Mitt. d. Antiqu. Ges. Zürich 22, 2, 1888 Taf. 12, 1); Mörigen (a. a. O.
Taf. 18, 19); Brügg (a. a. O. Taf. 21, 17).
13) In den Schweizer Pfahlbauten sehr häufig, abgebildet z. B. Keller, Mitt. d. Antiqu. Ges. Zürich 13, 1860
Taf. 7, 11; Heierli a. a. O. Taf. 6, 7; Viollier a. a. O. Taf. 4, 1; Gross a. a. O. Taf. 21, 1; Desor, Die Pfahlbauten
des Neuenburger Sees (1866) Abb. 57.
14) Die Messer mit umlappter Griffzunge haben in Tirol eine schmale leicht geschweifte Klinge und mehrere Nietlöcher,
die entsprechenden Stücke von Zürich-Alpenkai (Viollier a. a. O. Taf. 4, 20), Zürich-Drahtschmiedli und Grabs eine
gedrungene stark geschweifte Klinge, und das erstere nur 1 Nietloch. Die Messer mit umlappter Griffzunge und Zwischen-
stück haben in Tirol eine breite stark geschweifte Klinge (S. 26), das entsprechende Stück von Zürich-Letten (Heierli,
Mitt. d. Antiqu. Ges. Zürich 22, 2, 1888 Taf. 2, 5) dagegen eine schmale, kaum geschweifte. Bei der Nadel mit mehrfach
gewulstetem Kopf ist der Abstand zwischen den Wulsten in der Schweiz fast durchweg größer als bei dem Stück
von Wilten Grab 26 Taf. 28, 12 (1,2 gegen 0,7 cm).

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