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Im übrigen gibt es gerade in dieser Zeitgruppe II eine nicht geringe Anzahl von Tiroler
Sonderformen wie Messer mit umlappter Griffzunge, Gürtelschließe, Zierbuckel, Vasen-
kopfnadel.
Zeitgruppe III.
In der mit gleitenden Übergängen folgenden Gruppe III treten neben den bisher schon
geläufigen Formen wie Urnen, Henkelgefäßen, Strichverzierung, Messern1), Rasiermessern,
Kugelkopfnadeln in besonders starkem Maße auch solche auf, die infolge ihres meist frühen
und häufigen Auftretens in Ost-Mitteleuropa2) in der Regel in hervorragendem Maße als
ein Beweis einer östlichen Herkunft der Urnenfelderkultur angesehen werden, wie Doppel-
konus, Urne ohne umgelegten Rand, Amphore, Sauggefäß, Riefen, wozu vielleicht auch
Henkeltopf, Fußschale und das Gefäß mit geschweiftem Hals gerechnet werden können.
Daß wir hier — und zwar ohne daß die Entwicklung im Lande selbst abgebrochen wäre —
einen neuen Vorstoß anzunehmen haben, der letztlich ebenfalls aus dem böhmischen Raum
stammt, ist nicht zu verkennen3). Allerdings wird gerade aus dem Formenschatz des Nord-
ostens nur mit Auswahl einiges übernommen, teilweise sogar erst nach einer augenschein-
lichen Veränderung4). Vieles dagegen, was dort aufs engste mit den in unserer Gruppe III
neu auf tretenden Formen verknüpft ist, fehlt in Nordtirol: So etwa die Urnen-
deckschale, die Sitte, ein ganzes „Service“ mit ins Grab zu geben und die Beigefäße neben
die Urne zu stellen, oder auch die S. 56 angeführten für Gemeinlebarn charakteristischen
Formen. Diese neue Urnenfelderwelle mußte also Nordtirol bereits umgewandelt erreicht
haben, wobei Ort und Vorgang dieser Wandlung wieder nicht angegeben werden können.
Daneben bestehen in dieser Gruppe besonders starke Beziehungen zu den übrigen süd-
deutschen Urnenfelderkulturen, vor allem Vogt’s Ostgruppe, wie sie in Urne, hohem Becher,
Messer, Rasiermesser, Riefenverzierung aufzuzeigen sind. Über den Ausgangspunkt dürfte
erst eine zusammenfassende Darstellung der süddeutschen Urnenfelderkultur Klarheit
bringen. Daß aber in Nordtirol genügend Voraussetzungen für eine weitgehende Unab-
hängigkeit gegenüber dem übrigen Süddeutschland vorliegen — sogar weit mehr als bei
anderen Gruppen —, dürfte jedenfalls feststehen. Das Vorhandensein einer starken Gruppe
am Beginn der Stufe Hallstatt A, die lückenlose Entwicklung und der Reichtum an Ab-
wandlungen der Grundformen — für Messer und Rasiermesser konnte das im einzelnen
nachgewiesen werden — sprechen sehr dafür.
Es soll gewiß mit diesen Bemerkungen der Urnenfelderbewegung nicht ihre Bedeutung
als grundlegende Völkerwanderung der Jahrtausend wende abgesprochen werden. Aber
vielleicht legen die Nordtiroler Verhältnisse nahe, daß dieser Vorgang keineswegs eindeutig
ist. Vielmehr muß man zum mindesten für Nordtirol annehmen, daß sich — ähnlich wie bei
der Besitzergreifung von Italien und Griechenland durch die Italiker und Frühgriechen —
der Einmarsch in mehreren, zeitlich ziemlich weit auseinanderliegenden Vorstößen vollzog,
wobei dann der letzte, für den gesamten süddeutschen Raum entscheidende Vorstoß in
der entwickelten Stufe Hallstatt A nach Reinecke5) erfolgte.
*) Besonders sei hingewiesen auf eine tirolische Sonderform, das Messer mit umlappter Griffzunge mit verziertem
Zwischenstück, stark geschweifter Klinge und eingezogenem Klingenprofil (z. B. Taf. 13, 9; 39, 8), das wohl auf das
Messer mit umlappter Griffzunge, leicht geschweifter Klinge und keilförmigem Klingenprofil zurückgeht (z. B. Taf.
30, 19; 38,4).
2) B. v. Richthofen, Die ältere Bronzezeit in Schlesien (1926) 30.
3) Lediglich auf Grund des verhältnismäßig starken Anteils der angeführten Formen läßt sich vermuten, daß diesmal
das engere Herkunftsgebiet am ehesten in dem der Knovizer Kultur zu suchen ist.
4) Z. B. Doppelkonus, der — von Gemeinlebarn mit seinen guten Entsprechungen abgesehen (vgl. S. 64 Anm. 3) — in
Ost-Mitteleuropa oft breitere Größen Verhältnisse, steileren Oberteil und Verzierung am Umbruch hat (vgl. Schränil, Die
Vorgesch. Böhmens u. Mährens [1928] Taf. 26, 7. 16; 31, 3. 11; 32, 5). — Auch die Amphore (unsere Taf. 32, 11) gehört
hierher, sie ist ebenfalls im Osten durchweg breiter und hat einen höheren Hals (z. B. Schlesiens Vorz. 8. 1924 Taf. 1, 2. 3
und Taf. 2, 2. 3).
5) Reinecke, Kleinfunde 231 ff. Taf. 43. 44.



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