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Unmöglichkeit, Niederdonau (Gemeinlebarn) in engere als allgemein in der Zone nordwärts
der Alpen feststellbare Beziehungen mit Nordtirol zu setzen, wurde ebenfalls bereits betont
(S. 56). Das gleiche gilt für das Heimatgebiet der Lausitzer Kultur, da Lausitzer Formen im
engeren Sinne fehlen.Wie wir weiter beim Vergleich unserer Zeitgruppen mit dem südwestdeut-
schen Fundstoff sahen, ist der Anteil der unserer Gruppe II entsprechenden Funde zahlen-
mäßig schwach, so daß auch der Nordwesten die entsch eidende Rolle nicht gespielt haben kann.
Anders verhält es sich mit Böhmen. Hier sind in den zeitgleichen Stufen (vgl. S. 47) vor
allem bei der Keramik — der ja in diesem Zusammenhang besonderes Gewicht zukommt —
derart zahlreiche und wichtige, an Ort und Stelle einheimische Anklänge und Überein-
stimmungen anzutreffen, daß diesen Zusammenhängen doch mehr als nur ausschließlich kul-
turelle Beziehungen zugrunde liegen müssen. Man vergleiche etwa bei Böhm — der für den
vorhegenden Zweck am besten geeigneten Arbeit — die seichten Riefen Abb. 49, 1 und 81, 3
mit unserer Tafel 11, 1, die kleinen Henkelkrüge Abb. 77, 3. 7 mit unseren Stücken Taf. 7, 3;
11, 13; 17, 4, die Schale Abb. 77, 4 mit unserer Taf. 11, 14, die Henkelschalen Abb. 77, 10
und 82, 4 mit unseren Stücken Taf. 9, 4. 5 a, die Henkelgefäße Abb. 43, 2; 47, 3 und 81, 1
mit unserer Taf. 20, 131). Daher dürfte die stammesmäßige Ableitung des Urnenfelder-
stromes, der zu Beginn der Stufe Hallstatt A Nordtirol erreicht, aus Böhmen über eine
reine Arbeitshypothese hinausgehen. Eine genauere Festlegung auf eine der beiden hierfür
in Betracht kommenden Gruppen Böhmens, — der westböhmischen Milavecer Kultur
oder der mittelböhmischen Knovizer Kultur — dürfte schwierig sein, da uns in einem
Wirkungsgebiet vielfältiger und starker Gruppen, wie es Süddeutschland um diese Zeit ist,
fast überall der eigentliche Vorgang einer solchen Herleitung verborgen bleibt. Wenn man
wieder in diesem Zusammenhang die Bronzen vernachlässigt und nur die Gefäße in Be-
tracht zieht, will es scheinen, als ob hier die Milavecer Kultur am ehesten in Frage käme2).
Der Weg, den diese Wanderung genommen hat, liegt noch im Dunkel. Da aber Nieder-
bayern-Oberpfalz und Niederdonau unmittelbar mit unserer Gruppe nichts zu tun haben
können, liegt es nahe, an Oberdonau und die Budweiser Senke zu denken.
Kam der Nordwesten als wesentliches Ursprungsgebiet unserer Gruppe nicht in Frage,
so darf doch eins nicht ganz außer acht gelassen werden. Daß X-LIenkel, vierkantiger und
tordierter Armreif, Tannenzweigverzierung geläufige Typen der Hügelgräberbronzezeit
sind, wurde schon oben (S. 63) betont. Da sich die Entsprechungen bis in Einzelheiten3)
verfolgen lassen und Henkelkanne und Strichverzierung möglicherweise ebenfalls hierzu
gehören4), wird man dieser Gruppe von Beziehungen ihre Bedeutung für die Entstehung
der Nordtiroler Urnenfelder nicht absprechen dürfen, ohne daß die zugrundeliegenden
Vorgänge heute schon faßbar wären5).
ü Vgl. auch die kleinen Henkelkrüge bei Schränil, Die Vorgesch. Böhmens u. Mährens (1928) Taf. 31, 7; 32, 8 mit
unseren Stücken Taf. 9, 20; 11, 13, die Henkelschalen bei Schränil a. a. 0. Taf. 31, 17; Pamätky Arch. 19, 1900/01
Taf. 13, 4 mit unserer Taf. 9, 4; 11, 4 oder das Henkelgefäß a. a. O. Taf. 15, 5 mit unserer Taf. 20, 13.
2) Die oben und in Anm. S. 47f. gegebenen Vergleiche, die vorwiegend in die Milavecer Kultur verwiesen, können
noch durch Taf. 31. 32 bei Schränil a. a. O. ergänzt werden. — Durch Ähnlichkeit der Urne in beiden Gruppen ver-
anlaßt, wurden Gefäße wie unsere Taf. 9, 1 u. 11, 1 bei Kraft, Urnenfelderkultur 166, bereits als Urne „Typ Milavec“
bezeichnet.
3) Vierkantige und tordierte Armreifen beider Bundgruppen sind nicht voneinander zu unterscheiden. Vgl. auch den
vierkantigen Armreif mit Kerben auf den Kanten bei Holste, Die Bronzezeit im nordmainischen Hessen (1939) Taf.
14, 9, wie er auch in den Nordtiroler Urnenfeldern des öfteren vorkommt (vgl. S. 30).
4) Für die Strichverzierung und Henkelkanne ist eine Herleitung eindeutig nicht anzugeben. Diese Verzierungsart,
vor allem die schraffierten Dreiecke, findet sich besonders häufig auf Gefäßen der Westlombardei (Golaseccakreis,
z. B. Ebert, Reallex. 4 [1926] Taf. 164, 8. 14; Randall-Maclver, The Iron Age in Italy [1927] Taf. 12; Montelius, La
civilisation primitive en Italie 1 [1895] Taf. 43, 8) und der Hügelgräberbronzezeit (vgl. etwa Kraft, Die Kultur der
Bronzezeit in Süddeutschland [1926] Taf. 40, 1; 41, 3; 49, 3. 5; Schaeffer a. a. O. 1 Abb. 15B; 56 F. H.; Taf. 11K—Q).
Ebenso ist es ungewiß, ob die Henkelkanne unmittelbar auf Vorbilder der Lausitzer Kultur zurückgeht (vgl. Schlesiens
Vorz. 8, 1924 Taf. 1, 6) oder auf solche der Hügelgräberbronzezeit (wie etwa Prähist. Bl. 13, 1901, 34 Taf. 4, 5; Kraft
a. a. O. Taf. 36. 49 u. Schaeffer a. a. O. 1 Abb. 9D; 17R; Taf. 10—13).
5) Natürlich kann auch die Milavecer Kultur die Vermittlerrolle gespielt haben.

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