Es ist also hier deutlich wie kaum an anderer Stelle, daß einmal sämtliche Formen von
außen hereingekommen sein müssen, und daß in der Tat diesen Formenbeziehungen ein
politischer Vorgang, eine Völkerwanderung, zugrunde liegt1). Gewiß ist die Ausbreitung
der Urnenfelderkultur von jeher mit guten Gründen so aufgefaßt worden. Die Nordtiroler
Verhältnisse bringen aber einen weiteren Beleg und erleichtern vor allem die Betrachtung
dieses unter neueren Gesichtspunkten nicht immer ausreichend behandelten Vorgangs.
Zeitgruppe I.
Die Wurzeln des Kulturgutes der ersten Zeitgruppe sind nach Ausweis der Verbreitung
der wichtigen Formen vor allem in einem Gebiet ostwärts der Linie Ulm—Würzburg zu
suchen (vgl. S. 55; Taf. 37—43; Karte 2). Auch die Kugelkopfnadel mit geriefeltem Hals
bleibt innerhalb des oben umschriebenen Baumes. Das Messer mit kurzer durchlochter
Griffzunge, gekrümmtem Kücken, gerader Schneide und unsymmetrischem Klingenprofil
ist für Süd- und Ostbayern, Böhmen und Niederdonau belegt, der Henkelkrug mit
hochliegendem Umbruch (allerdings meist verziert) in Bayern südlich der Donau2). Dolche
ähnlicher Form kann man dagegen über ganz Süddeutschland verstreut nachweisen3),
•4 wie überhaupt dieses erste Eindringen östlicher Elemente in Süddeutschland am Ende der
reinen Bronzezeit mit seiner weiten und dünnen Verbreitung noch sehr unklar ist. Ein-
marschstationen nach Nordtirol wären im Unterinntal zu erwarten. Leider ist von diesen
Friedhöfen wenig bekannt, aber gerade Kufstein (S. 80) lieferte vorwiegend Funde dieser
ersten Gruppe.
Daß diese Formen in der Riegseegruppe in Grabhügeln auftreten, kann wohl kaum etwas
bedeuten. Einmal werden sie auch hier als Niederschläge einer Neueinwanderung angesehen4),
und auch an anderen Stellen kann man beobachten, daß die Urnenfelderkultur da, wo sie
in Gebiete mit starker Hügelgrab-Überlieferung einrückt, in Grabhügeln bestattet5). Ob
allerdings die erste Einwanderung ausschließlich durch diese typologisch früheste Gruppe
der Nordtiroler Urnenfelderkultur dargestellt wird, bleibt angesichts der geringen Zahl
dieser Gräber und der nicht immer eindeutigen Auslegung der endbronzezeitlichen Zeit-
verhältnisse zu bezweifeln. Es wäre vielmehr zu erwägen, ob nicht durch die Einwanderung
der Zeitgruppe II einzelne Splitter einer Kultur oder Volksgruppe mitgerissen worden sein
können, deren Leitform in der vorliegenden Arbeit als ,.Zeitgruppe I“ ausgeschieden wurde.
Zeitgruppe II.
Bei den Gräbern der Zeitgruppe II ist die Zahl so groß und der Formenschatz so neu,
daß man in ihnen den Niederschlag der eigentlichen Besetzung des Inntales durch das
Urnenfeldervolk sehen muß. Über die Herkunft erlaubt uns der Reichtum der Formen
einige Erwägungen anzustellen.
Wie aus der Erörterung der Beziehungen zu benachbarten Kulturen hervorgeht, fallen
Ungarn, Slowakei, Italien und Schweiz von vornherein als Ursprungsgebiete aus. Auch die
*) Vgl. Kraft, Urnenfelderkultur 208 Anm. 1.
2) Z. B. Riegerau (Behrens, Bronzezeit Süddeutschlands [1916] 108; Altbayer. Monatschr. 10, 1911, 1 Abb. 7, 2);
Unter-Söchering (Vor- u. frühgesch. Staatsslg. München. — Schlechte Abbildung bei Naue, Die Bronzezeit in Ober-
bayern [1894] Taf. 42, 1); Unterföhring; Laufzom (beide Vor- u. frühgesch. Staatsslg. München). — Abb. auch bei
Pie a. a. 0. Taf. 1, 11.
3) Ihringen a. H. (Baden, Kraft, Urnenfelderkultur Taf. 9, 1), Unteröwisheim, Baden (a. a. O. Taf. 11, 1), Franken -
thal, Pfalz (Germania 12, 1928 Abb. 67). In der Schweiz wäre hier zu vergleichen: Cham, Kt. Zug (Anz. f. Schweiz.
Altkde. 24, 1922, 136; Behrens, Bronzezeit Süddeutschlands [1916] Taf. 3, 26), Lonay (Vaud, Mus. Lausanne); wohl
auch Mullheim, Kt. Thurgau (K. Keller-Tamuzzer u. Reinerth, Urgesch. d. Thurgaus [1925] Abb. 13, 2).
4) Holste, Die Bronzezeit im nordmainischen Hessen (1939) 91 f.
°) Z. B. Alb (A. u. h. V. 5 Taf. 45; Goessler, Die Altertümer des Oberamtes Blaubeuren. Die Altertümer des König-
reichs Württemberg 1 [1911] 19); Hagenau (Schaeffer, Tertres funeraires [1926] 1 Abb. 26. 27B); Bayerseich (Arch. f.
Hess. Gesch. u. Altkde. N. F. 3, 1902, 259 Taf. 10, 5).
Böm.-Gsrm. Forschungen 15.
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außen hereingekommen sein müssen, und daß in der Tat diesen Formenbeziehungen ein
politischer Vorgang, eine Völkerwanderung, zugrunde liegt1). Gewiß ist die Ausbreitung
der Urnenfelderkultur von jeher mit guten Gründen so aufgefaßt worden. Die Nordtiroler
Verhältnisse bringen aber einen weiteren Beleg und erleichtern vor allem die Betrachtung
dieses unter neueren Gesichtspunkten nicht immer ausreichend behandelten Vorgangs.
Zeitgruppe I.
Die Wurzeln des Kulturgutes der ersten Zeitgruppe sind nach Ausweis der Verbreitung
der wichtigen Formen vor allem in einem Gebiet ostwärts der Linie Ulm—Würzburg zu
suchen (vgl. S. 55; Taf. 37—43; Karte 2). Auch die Kugelkopfnadel mit geriefeltem Hals
bleibt innerhalb des oben umschriebenen Baumes. Das Messer mit kurzer durchlochter
Griffzunge, gekrümmtem Kücken, gerader Schneide und unsymmetrischem Klingenprofil
ist für Süd- und Ostbayern, Böhmen und Niederdonau belegt, der Henkelkrug mit
hochliegendem Umbruch (allerdings meist verziert) in Bayern südlich der Donau2). Dolche
ähnlicher Form kann man dagegen über ganz Süddeutschland verstreut nachweisen3),
•4 wie überhaupt dieses erste Eindringen östlicher Elemente in Süddeutschland am Ende der
reinen Bronzezeit mit seiner weiten und dünnen Verbreitung noch sehr unklar ist. Ein-
marschstationen nach Nordtirol wären im Unterinntal zu erwarten. Leider ist von diesen
Friedhöfen wenig bekannt, aber gerade Kufstein (S. 80) lieferte vorwiegend Funde dieser
ersten Gruppe.
Daß diese Formen in der Riegseegruppe in Grabhügeln auftreten, kann wohl kaum etwas
bedeuten. Einmal werden sie auch hier als Niederschläge einer Neueinwanderung angesehen4),
und auch an anderen Stellen kann man beobachten, daß die Urnenfelderkultur da, wo sie
in Gebiete mit starker Hügelgrab-Überlieferung einrückt, in Grabhügeln bestattet5). Ob
allerdings die erste Einwanderung ausschließlich durch diese typologisch früheste Gruppe
der Nordtiroler Urnenfelderkultur dargestellt wird, bleibt angesichts der geringen Zahl
dieser Gräber und der nicht immer eindeutigen Auslegung der endbronzezeitlichen Zeit-
verhältnisse zu bezweifeln. Es wäre vielmehr zu erwägen, ob nicht durch die Einwanderung
der Zeitgruppe II einzelne Splitter einer Kultur oder Volksgruppe mitgerissen worden sein
können, deren Leitform in der vorliegenden Arbeit als ,.Zeitgruppe I“ ausgeschieden wurde.
Zeitgruppe II.
Bei den Gräbern der Zeitgruppe II ist die Zahl so groß und der Formenschatz so neu,
daß man in ihnen den Niederschlag der eigentlichen Besetzung des Inntales durch das
Urnenfeldervolk sehen muß. Über die Herkunft erlaubt uns der Reichtum der Formen
einige Erwägungen anzustellen.
Wie aus der Erörterung der Beziehungen zu benachbarten Kulturen hervorgeht, fallen
Ungarn, Slowakei, Italien und Schweiz von vornherein als Ursprungsgebiete aus. Auch die
*) Vgl. Kraft, Urnenfelderkultur 208 Anm. 1.
2) Z. B. Riegerau (Behrens, Bronzezeit Süddeutschlands [1916] 108; Altbayer. Monatschr. 10, 1911, 1 Abb. 7, 2);
Unter-Söchering (Vor- u. frühgesch. Staatsslg. München. — Schlechte Abbildung bei Naue, Die Bronzezeit in Ober-
bayern [1894] Taf. 42, 1); Unterföhring; Laufzom (beide Vor- u. frühgesch. Staatsslg. München). — Abb. auch bei
Pie a. a. 0. Taf. 1, 11.
3) Ihringen a. H. (Baden, Kraft, Urnenfelderkultur Taf. 9, 1), Unteröwisheim, Baden (a. a. O. Taf. 11, 1), Franken -
thal, Pfalz (Germania 12, 1928 Abb. 67). In der Schweiz wäre hier zu vergleichen: Cham, Kt. Zug (Anz. f. Schweiz.
Altkde. 24, 1922, 136; Behrens, Bronzezeit Süddeutschlands [1916] Taf. 3, 26), Lonay (Vaud, Mus. Lausanne); wohl
auch Mullheim, Kt. Thurgau (K. Keller-Tamuzzer u. Reinerth, Urgesch. d. Thurgaus [1925] Abb. 13, 2).
4) Holste, Die Bronzezeit im nordmainischen Hessen (1939) 91 f.
°) Z. B. Alb (A. u. h. V. 5 Taf. 45; Goessler, Die Altertümer des Oberamtes Blaubeuren. Die Altertümer des König-
reichs Württemberg 1 [1911] 19); Hagenau (Schaeffer, Tertres funeraires [1926] 1 Abb. 26. 27B); Bayerseich (Arch. f.
Hess. Gesch. u. Altkde. N. F. 3, 1902, 259 Taf. 10, 5).
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