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Wagner, Christoph
Farbe und Metapher: die Entstehung einer neuzeitlichen Bildmetaphorik in der vorrömischen Malerei Raphaels — Berlin, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.4240#0151
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»DE BONIS PlCTURIS ET COLORIBUS«

et coloribus«, also in guter Malerei und mit guten Farben ausgeführt sein. Diese
Arbeit soll drittens unter Beteiligung guter Maler und Meister geschehen (»adusum
boni pictoris et magistri«). Offenbar haben den Auftraggeber bei Vertragsabschluß
nur zwei Aspekte an der Altartafel vorrangig beschäftigt: Die Identität der darzustel-
lenden Figuren und die Qualität der farbigen Ausführung. Rein anderer Bereich der
künstlerischen Gestaltung ist im Vertragstext genannt. Auch in dem fast auf den Tag
genau fünf Jahre später am 12. Dezember 1505 abgeschlossenen Rontrakt zur
Marienkrönung für das Nonnenkloster in Monteluce galt das besondere Interesse
der Auftraggeber »colore et figure miniere«, ja ausdrücklich vereinbarte man mit
Raphael eine Ausführung »de mano sua propria« und verpflichtete ihn obendrein,
die themengleiche Darstellung von Domenico Ghirlandalo inS. Girolamoin Narni4,
die immerhin zu diesem Zeitpunkt schon zwanzig Jahre alt war, zum Vorbild zu
nehmen. Es ist für das sich wandelnde Verhältnis von Baphael zu seinen Auftragge-
bern nicht weniger bezeichnend, daß er in seinen frühen Schaffensjahren einen
Auftrag mit solchen Vorgaben überhaupt annahm, wie, daß er dann dieses Projekt
vordem Hintergrund seiner rapiden künstlerischen Entwicklungvor sich herschob,
und schließlich erst Jahre später in Rom von seinen Schülern zu Fnde bringen ließ."
I nteressanterweise läßt der Kontrakt zur Krönung des III. Nikolaus von Tolenlino
keinen Zweifel daran, daß er sich auf mehr als die materielle Seite der Farbe
bezieht: Ausdrücklich wird die Qualität der malerischen Ausführung (»de bonis
picturis«), wie die Qualifikation der ausführenden Hände (»ad usum boni pictoris«)
unter den Erwartungen des Auftraggebers hervorgehoben0. Dieser normative An-
spruch an die Farbe und Farbgestaltung wird artikuliert, ohne daß wir von den
diesbezüglich zugrundegelegten Maßstäben Näheres erfahren. Als Basis einer ver-
traglichen Vereinbarung ist dies nur sinnvoll, wenn wir voraussetzen, daß sich
Auftraggeber und Maler über das, was unter »de bonis picturis et coloribus« zu
verstehen sei, verständigen konnten, wenn also im Hinblick auf die Anforderungen
an die farbige Ausführung ein gewisser >common sense< bestand '. Nicht weniger als

1 Krönung Maiiens, um i486, 1 lolz, 330 x 230 cm, Narni, Pinacoteca Comnnale.

3 Ebd., S. Ilff. Die Altartafel mit einer im wesentlichen von Ginlio Romano gemalten
Lünette mit der Darstellung der Marienkrönung (Öl auf Holz, 166 x 235 cm) und einer
weitgehend von Gianfrancesco Penni gemalten Haupttafel mit dem Thema der Apostel
am Grabe von Maria (Öl auf I lolz, 225 x 235 cm) befindet sich heule in der Pinacoteca
Vaticana in Rom (siehe hierzu Raffaello in Vaticano, 1984, S. 290-296).

(i Diese Gewichtung innerhalb der »Diehotymie zwischen Qualität des Materials und
Qualität der Technik« (M. Baxandall, Die Wirklichkeit der Rüder, 1984, S. 28) bestätigt
die von Baxandall schon im Quattrocento festgestellte Tendenz, »die Ausgaben vom
Material auf die künstlerische Technik zu verlagern« (ebd., S. 37).

7 Ob man so weit wie M. Baxandall (ebd., S. 52ff.) gehen kann, von hier aus einen
»kognitiven Stil« für eine Epoche zu hypostasieren, mag dahingestellt bleiben.

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