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Walden, Herwarth
Die neue Malerei — Berlin, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.26391#0043
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Namen tun nur etwas zur Sache, nichts
zur Kunst. Kunstwerke werden nicht durch
Kenntnis der Künstler erkennbar. Sie werden
es durch Erkenntnis der Kunstwerke. Namen
sind nur Wegweiser, die das Finden absoluter
Kunst erleichtern sollen. Primär offenbart sich
Kunst in den Bildern von Kandinsky und Marc
Chagall. Man nennt die Kunst Kandinskys un-
gegenständlich, die Kunst Chagalls gegenständ-
lich, womit gesagt sein soll, daß bei Chagall das
Vergleichen optischer Gebilde mit Naturkörpern
möglich ist, bei Kandinsky nicht. Dieses Ver-
gleichen oder Wiedererkennen bedeutet nichts
für oder gegen den Wert eines Kunstwerks.
Man hat das Wort Kandinskys „Vom Geistigen
in der Kunst“ falsch verstanden. Man behaup-
tet, daß seine Malerei abstrakt sei, indem man
unter dem Wort abstrakt etwas unsinnliches
versteht. Nun ist selten ein Bild so sinnlich, so
sinnfällig wie das Bild Kandinskys. Es ist rein-
ste Malerei, da sie das Material dieser Kunst
die Farbform an sich ohne jede sekundäre Vor-
stellung verwendet.Man kann sich bei dem Bild
Kandinskys nichts denken. Aber Denken ist
eben nicht Anschauung, weder äußere noch in-
nere. Was denkt man sich beim Himmel oder
beim Meer oder beim Wald oder beim Garten.
Sind diese Erscheinungen unserer Empfindung
deshalb weniger schön, das heißt weniger ohne
Wirkung. Der gemalte Garten etwa ist kein
Garten. Aber das Bild kann die Wirkung Gar-
ten haben, auch wenn man keine Blumen nach

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