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Waldmann, Emil
Sammler und ihresgleichen — Berlin: Cassirer, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.52381#0082
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bedeutete doch nur für dle inzwischen groß gewordene soziale Stellung
der Künstlerschaft etwas. Das Menschlichste im Verhältnis vom Fürsten
zum Künstler berührte dieses Vorkommnis nicht. Ein Hofmaler, der nie
ein Bild ablieferte, ein Hofpoet, der nie ein Gedicht dedizierte, wäre für
Renaissancevorstellungen eine bare Unmöglichkeit gewesen. Als Ariosto
den „Rasenden Roland" seinem Herrn und dessen Gefolge endlich nach
Monaten ungeduldigen Wartens vorgetesen hatte, meinte Kardinal
Hippolkto von Este, dem er das Werk widmete: „Messer Ludovico, wo
ist Euch dieses alberne Zeug nur alles eingefallen?" Mäcenas hätte
Horaz nie gefragt, ob das mit der Lalage und dem Wolf und dem
. Spaziergang km Sabinerwalde nun wohl wirklich passiert wäre oder
ob er sich das nur so ausgedacht hätte. Mäcenas wußte, daß die Gedichte
des Horaz dem Horaz und aller Welt gehörten, aber nicht dem Mäcenas.
Der Este war der naiven Renaiffancemeinung, er dürfe sich eine Kritik
oder auch nur einen neugierigen Blick hinter das Geheimnis erlauben.
Es wäre falsch, die Renaissancefürsten zu schmähen oder auch nur ge-
ring zu achten, weil sie so anders waren als der große Ahnherr, dem sie
so oft verglichen werden. Ja, es wäre vielleicht kein Vorteil, sondern
vielleicht, wahrscheinlich sogar, ein Nachteil für die Kunst gewesen, hätten
sie Mäzen gespielt, anstatt Sammler, Auftraggeber und Besteller zu sein.
Horaz hatte es besser als Michelangelo, persönlich genommen. Er war
frei und konnte tun und lassen, was er wollte. Michelangelo hat von
Julius dem Zweiten prügel bekommen. Aber nur durch diesen unge-
heuren, mehr als heidnischen Egoismus der Renaissance, nur durch die-
sen frenetischen Wetteifer der Fürsten untereinander, nur durch diese
gierige Angst der Herzöge und Markgrafen, sie könnten unberühmt ster-
ben, wenn sie sich nicht durch die Kunst verherrlichen ließen, kurz, nur
durch diese Höchstanspannung aller Kräfte und Energien ward erreicht,
daß die Renaissance, als Gesamtleistung, doch diese Reihe von Groß-
taten aufweist, die in diesem Maße keine andre nachchristliche Epoche
hervorgebracht hat. Mochte Michelangelo wettern und fluchen über den
Frondienst, der ihm auferlegt ward, mochte er klaren Auges zusehen,
wie sein Leben sich aus Tragödien aufbaute und er unglücklich werden
mußte, weil alles, was er machte, nur ein Torso war, gemessen an dem,
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