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Waldmann, Emil; Leibl, Wilhelm [Ill.]
Wilhelm Leibl — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 5: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.73677#0008
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in Holland, und die Anschauung der Meisterwerke von
Frans Hals und Rembrandt gaben ihm eine Auffrischung
seiner Kunst. Doch es war zu spät, seine Jahre waren
gezählt. Das harte Leben, diese Galeerensklavenarbeit,
die ihn manchmal Jahre hindurch Tag für Tag an ein
einziges Bild fesselte, dazu Überanstrengung bei der
Jagd und bei athletischen Übungen hatten ihm ein
Herzleiden zugezogen. Ihm ist er erlegen. In Würz-
burg, wo er in einer Klinik Heilung suchte, ist er am
4. Dezember 1900 entschlafen.
„Wenn ich nur satt zu fressen habe und min Kunst",
hat er einmal gesagt. So hat er gelebt. Er wollte vom
Leben nichts als das Nötigste, nur soviel, um seine
Bilder malen zu können. Als er sich dazu entschloß,
in die Einsamkeit zu gehen, fast ein Bauer unter Bauern,
zur geistigen Aussprache nur angewiesen auf einige wenige
gute Freunde, besonders auf den getreuen Sperl, wußte
er, daß er auf die Freuden des Lebens so gut wie ganz
verzichtet hatte. Es muß ihm schwer geworden sein. Ein
Mensch von so feiner Empfindung ist kein geborener
Bauer. Aber weil er künstlerische Anregung in Mün-
chen nicht fand, sondern eher Schaden witterte, brachte
er seiner Kunst dieses Opfer. Denn er war nicht nur
ein Talent, sondern ein Charakter. So wie er als Mensch
war, so war er in seiner Kunst, einfach und gesund
von Empfinden, aufrichtig und gütig, dabei streng gegen
sich und andere (aber am strengsten gegen sich) und
von einem geradezu leidenschaftlichen Drang nach Wahr-
heit beseelt.
Gegenüber ganz großen Künstlerpersönlichkeiten pfle-
gen alle Schulbegriffe in nichts zu verschwinden. Es
gab eine Zeit in Deutschland, da war für einen Maler
kein Titel nichtachtender als die Bezeichnung „Genre-
maler" oder gar „Bauernmaler". Nun, Leibl war
beides, er hat, abgesehen von einigen Bildnissen, sein
Leben lang nur Bauern gemalt, und seine Figuren-

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