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Waldmann, Emil
Französische Maler des XIX. Jahrhunderts — Jedermanns Bücherei: Breslau: Ferdinand Hirt, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.67370#0061
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Edouard Manet

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ja eine Spielkarte, eine Pik-Dame!“ Manet begriff sofort und blieb
im Bilde: „Und Ihr Ideal, Herr Courbet, ist eine Billardkugel!“
Manet modellierte seine Körper und seine Gegenstände nicht mit
langsamem Anlegen nach Licht- und Schatten-Massen, die er dann
mit einer Farbschicht überzog, er modellierte nicht mit nachahmen-
der Behandlung der Stofflichkeit, um plastische Rundheit vorzu-
täuschen. Sondern er malte, was er sah: die Oberfläche der Dinge,
gewoben aus Licht und Farbe. Die Fläche so oder so hell, so oder so
dunkel. Und die Farbe nicht nur als Fleck von bestimmter Dichtig-
keit oder Intensität der Mischung, sondern zugleich als so oder so
heller Lichtwert. Den Bildraum schuf er sich nicht mit geometrisch
konstruierter Linearsperspektive, sondern er vermittelte die Illu-
sion von Raum und Tiefe durch die Abtönung der Helligkeitsgrade
und der Farbenstärke. Er hatte gelernt, durch seine eigenen Augen
gelernt, wie sich die Farbigkeit eines Dinges in der Entfernung und
durch die Wirkung der Luft verändert, und machte mit Luft Per-
spektive. Und dann ließ er die Zwischenstufen aus und gab nur das,
was für die Gesamtwirkung wesentlich schien. Daher sehen seine
Bilder im ersten Augenblick flach und manchmal sogar ein wenig
plakatmäßig aus. Der Mangel an schwellender Modellierung und an
schmeichelnden Zwischentönen ist etwas Dürftiges, und das Ganze
wirkt kühl und uninteressant und bisweilen sogar hart.
Die „Olympia“ das erste Meisterwerk des Dreißigjährigen, ist ein
hartes Bild, kahl und herbe. Das Mädchen liegt mit eckiger Grazie
ausgestreckt und paradiert ihre Helligkeit gegen einen ganz dunklen,
aus Mahagonirot und Flaschengrün zusammengestellten Grund.
Übergänge zwischen ihrem Licht und diesem Dunkel existieren zu-
nächst nicht, bis dann die Mulattin aus der Finsternis kommt, aber
auch wieder in Kontraste von Schwarz, Weiß und Rosa gespannt,
mit den bunten Blumen bewaffnet. Das mit bläulichen Schatten
gearbeitete Bettzeug macht das Fleisch noch kühler, und der gelbe
buntgestickte Schal läßt es elfenbeinern erscheinern. Aber daneben
steht wieder der harte Kontrast von gedecktem Rot in großer Fläche.
Alles hart gegen hart, flach gegen flach hingesetzt. Aber gerade des-
halb leuchtet der Akt so ungebrochen. Und nun beginnt er sich so
langsam zu modellieren. Was zunächst wie ein großer weißer Fleck
erscheint, ist belebt von zartesten Nuancen feinster Farbigkeit, das
Zartgelbliche des Fleisches ist hie und da mit mildem Rosa ge-
tönt, unmerklich, als Rosa kaum noch wirksam wegen des leuch-
tenden Rosa in der Haarschleife und des hellen Korallenrots im
 
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