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Waldmann, Emil
Englische Malerei — Jedermanns Bücherei: Breslau: Ferdinand Hirt, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.67371#0056
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52

Dritter Abschnitt

von Warren Hastings oder von William Angerstein wirken immerhin
eindeutig. Aber im allgemeinen war er ein Schmeichler von Jugend
auf. Als er noch als Knabe Porträts für Geld zeichnete, arbeitete
er immer grundsätzlich nur eine halbe Stunde nach dem Modell,
das andere machte er aus der Erinnerung, so hübsch wie möglich,
fertig. Wenn ein Mann wie Reynolds dem Achtzehnjährigen sagte:
„Sie glauben sicher, dies wäre sehr schön und das Kolorit sehr natür-
lich? Sie haben die alten Meister studiert? Ich rate Ihnen, studieren
sie die Natur!“ — wenn ein Verehrer der alten Meister dem Wunder-
knaben solche Lehren zu erteilen für nötig hielt, konnte man vor-
ausahnen, daß es nichts mehr nützen würde. Ein Jahr vorher schon,
im Jahre 1786, hatte Lawrence seiner Mutter geschrieben: „Im
Köpfemalen nehme ich es, außer mit Reynolds, mit jedem Maler
in London auf.“ Alles was Beiwerk ist, Anzug, Uniform, Toilette,
machte er so virtuos und so schnell wie keiner, alles mit Hochglanz-
Lichtern; auch die Gesichter. Von ganz wenigen Ausnahmen ab-
gesehen blieb ihm das Menschliche, die Persönlichkeit seiner Mo-
delle stumm, man vergißt diese langweiligen Männer und diese
hübschen Frauen sofort wieder. Aber das Publikum aus dem An-
fang des neunzehnten Jahrhunderts und aus der Welt des Wiener
Kongresses nahm dieses Maskenhafte für Objektivität. So mußte
der Einfluß Lawrences, das Schmeichlerische seiner Auffassung,
Schule machen. Dieser Einfluß erstreckte sich über zwei Konti-
nente. Der Lawrence-Stil herrschte jahrzehntelang, und ameri-
kanische Kunstgelehrte können die Bilder des Lawrence-Nach-
ahmers F. B. Morse von denen des Lawrence-Nachahmers Sidney
Moise, der Henry Clay im Jahre 1843 porträtierte, unterscheiden.
 
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