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VIERTER ABSCHNITT

Die Landschaftsmalerei
Schon um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, in der Hoch-
blüte der Rokokokultur, spielte sich ein großerTeil des englischen
Lebens auf dem Lande ab. Engländer hätten Rousseaus Parole
„Zurück zur Natur“ nach den Gewohnheiten des englischen Lebens
nicht ohne weiteres verstehen können. Die in der englischen Kultur
tonangebende Oberschicht kannte das Landleben als etwas Selbst-
verständliches, und daß der gelehrte Dr. Samuel Johnson, der Be-
gründer der modernen englischen Sprachwissenschaft, nur zum Ver-
gnügen eine wochenlange Fußwanderung durch Schottland unter-
ahm, fiel niemand auf. Während der französische Adel jener Zeit
ich beinahe wie in der Verbannung vorkam, wenn der Edelmann
und seine Gemahlin einmal einige Monate fern von Paris und Ver-
sailles auf ihren Gütern zubringen mußten, malten Reynolds und
Gainsborough, Romney und Höppner ihre hochwohlgeborenen Mo-
delle während eines Morgenspazierganges im landschaftlichen Park
oder bei einer Rast unter Bäumen nach erfrischendem Ritt. Viel-
leicht waren dieser Park und diese Bäume für die Malerei damals
noch eine Kulisse, aber als Hintergrund doch naturvertrauter als
die großen Säulen und die rauschenden Draperien der Franzosen,
die Watteaus, des Halbflamen, Naturgefühl längst vergessen oder
in Schäferspielen travestiert hatten. Einer der größten Adels-
porträtisten Englands, Thomas Gainsborough, als Hofmaler Ge-
orgs HI. mit dem Parkett des Buckingham-Palace und der Luft
von Windsor-Castle ebenso vertraut, wie Rigaud mit den Sälen und
Spiegelgalerien von Versailles, war zugleich, wenn auch vornehmlich
zu eigener Freude, einer der ganz großen Landschaftsmaler des acht-
zehnten Jahrhunderts, ja, der eigentliche Begründer der englischen
Landschaftsmalerei. In dieser Rolle äußerte er Dinge, an die John
Constable, der Vater der modernen Malerei, unmittelbar anschließen
konnte.
Daß in England, dem klassischen Sammlerlande, das heute noch
die bedeutendsten Bilder von Cuyp und Hobbema, von Claude
Lorrain und Guardi besitzt, sich die Landschaftskunst zunächst an
fremden Vorbildern schulte, versteht sich bei dem Spätgeboren-
 
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