Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SIEBENTER ABSCHNITT

Die Schule der Prärafaeliten

In ganz Europa herrschte im Anfang des neunzehnten Jahr-
hunderts der Klassizismus, mindestens als idealistische Forderung.
Und in ganz Europa wurde im Anfang des neunzehnten Jahrhunderts
gegen den Klassizismus revolutioniert, in Frankreich durch die
Praxis der geborenen Maler, wie Gericault und Delacroix, die dann
„Romantiker“ genannt wurden, in den germanischen Ländern
durch Gründung von Kunstschulen und Brüderschaften. Die
deutschrömische Schule der Nazarener, die Brüder von San Iso-
doro, protestierten gegen das Heidentum der Klassizisten, er-
klärten Rafael für süßes Gift, hielten sich an Perugino und wurden,
wenn sie es nicht schon waren, katholisch. Ihr Archaismus war
nicht nur getragen von großer Gesinnung, sondern besaß manchmal
auch die Kraft zu rein künstlerischer großer Leistung. England
hatte außer einigen Bildhauern wie Flaxmann und später Alfred
Stevens im neunzehnten Jahrhundert keinen großen Klassizisten
hervorgebracht. Aber die Akademie war auch hier allmächtig.
Constable blieb ohne Wirkung, im Porträt herrschte Lawrence, und
die Genremalerei kam immer mehr herunter. Da begannen gegen
Ende der vierziger Jahre eine Anzahl von Malern und Dichtern die
Kunst zu reformieren, sie zurückzuführen zum wahren Ideal und
zur wirklichen Natur. Der Protest richtete sich gegen Routine
und gegen den Mangel an Nationalcharakter, gegen Materialis-
mus und laue Gesinnungslosigkeit, gegen Heidentum und gegen
Volksfremdheit, gegen moralische Gleichgültigkeit und gegen
Konvention. Idealismus wurde gefordert als Gesinnung, und im
gleichen Atemzug Naturalismus und Naturliebe in der Ausübung
der Kunst. In einem Manifest der „Prärafaelitischen Brüder-
schaft“ wurde, wörtlich, verlangt, es sollten nur noch gute Kunst-
werke geschaffen werden und die Künstler sollten Genies sein.
Das Wort Genie wurde im allerweitesten Sinne aufgefaßt, Lite-
rarisches spielte eine große Rolle dabei, und am liebsten hatte man
Universalgenies. Sie dichteten fast alle, diese Prärafaeliten, wenn
auch nicht alle so gut, wie Dante Gabriel Rossetti, sie waren Kunst-
gewerbler und Monumentalmaler und Innenarchitekten, und das
 
Annotationen