VORBEMERKUNG
Von englischer Malerei kennt man auf dem europäischen Festlande
vornehmlich einige große, zum Teil weltberühmte Namen. Im
allgemeinen aber unterschätzt man die Bedeutung und die Eigenart
dieser Kunst, und seitdem für die Engländer das Wort von dem
„Volk ohne Musik“ geprägt wurde, pflegt man ihnen ihre Malerei auch
nicht recht zu glauben. Die Kunstgeschichte wird dies von Zeit
zu Zeit richtigstellen müssen, wenn sie ihrer wahren Aufgabe bewußt
bleiben und ihren Gesichtskreis weiter spannen will als nur über
das Reich der heutigen oder jüngstvergangenen Gegenwart. Daß
die englische Malerei seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts
keine bedeutende Rolle spielte, jedenfalls keine Rolle, die sich mit
dem malerischen Schaffen in Deutschland und Frankreich vorteil-
haft vergleichen ließe, berechtigt noch nicht zu der Annahme, die
Angelsachsen seien überhaupt unbegabt für die Malerei und hätten
niemals einen mehr als nur ephemeren Beitrag zur Kunst Europas
beigesteuert. Mag die Malerei in England seit etwa drei Menschen-
altern auch ein wenig verstummt sein Zugunsten der dekorativen
Künste und der Architektur, von denen zeitweise Europa starke
Anregungen empfing, mag auch jetzt wieder einmal, wie schon so
oft in der Geschichte des englischen Geisteslebens, das literarische
und dichterische Schaffen alle Kräfte und alles Interesse in Anspruch
nehmen und bemüht sein, auf dem Gebiete des Romans Welt-
geltung zu erlangen und auch der französischen Literatur den Rang
abzulaufen; und mögen hinter diesem aussichtsreichen Unter-
nehmen alle anderen künstlerischen Bestrebungen in den Hinter-
grund zurücktreten — es wäre ungerecht, darüber zu vergessen,
daß England mindestens ein Jahrhundert lang eine sehr starke,
zeitweilig auch auf das übrige Europa wirkende nationale Malerei
besaß, während jenes Jahrhunderts, das mit dem Auftreten William
Hogarths begann und erst ungefähr mit dem Tode des großen
Phänomens William Turner schloß.
Nicht viele moderne Kunstvölker sind so begnadet in der Malerei
wie die Franzosen, deren Kunsttradition, trotz starker politischer,
wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umwälzungen, seit Poussins
und Claude Lorrains Tagen bis zur Gegenwart kaum jemals ernst-
haft unterbrochen wurde. Deutsche Malerei der Neuzeit ist auch
Von englischer Malerei kennt man auf dem europäischen Festlande
vornehmlich einige große, zum Teil weltberühmte Namen. Im
allgemeinen aber unterschätzt man die Bedeutung und die Eigenart
dieser Kunst, und seitdem für die Engländer das Wort von dem
„Volk ohne Musik“ geprägt wurde, pflegt man ihnen ihre Malerei auch
nicht recht zu glauben. Die Kunstgeschichte wird dies von Zeit
zu Zeit richtigstellen müssen, wenn sie ihrer wahren Aufgabe bewußt
bleiben und ihren Gesichtskreis weiter spannen will als nur über
das Reich der heutigen oder jüngstvergangenen Gegenwart. Daß
die englische Malerei seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts
keine bedeutende Rolle spielte, jedenfalls keine Rolle, die sich mit
dem malerischen Schaffen in Deutschland und Frankreich vorteil-
haft vergleichen ließe, berechtigt noch nicht zu der Annahme, die
Angelsachsen seien überhaupt unbegabt für die Malerei und hätten
niemals einen mehr als nur ephemeren Beitrag zur Kunst Europas
beigesteuert. Mag die Malerei in England seit etwa drei Menschen-
altern auch ein wenig verstummt sein Zugunsten der dekorativen
Künste und der Architektur, von denen zeitweise Europa starke
Anregungen empfing, mag auch jetzt wieder einmal, wie schon so
oft in der Geschichte des englischen Geisteslebens, das literarische
und dichterische Schaffen alle Kräfte und alles Interesse in Anspruch
nehmen und bemüht sein, auf dem Gebiete des Romans Welt-
geltung zu erlangen und auch der französischen Literatur den Rang
abzulaufen; und mögen hinter diesem aussichtsreichen Unter-
nehmen alle anderen künstlerischen Bestrebungen in den Hinter-
grund zurücktreten — es wäre ungerecht, darüber zu vergessen,
daß England mindestens ein Jahrhundert lang eine sehr starke,
zeitweilig auch auf das übrige Europa wirkende nationale Malerei
besaß, während jenes Jahrhunderts, das mit dem Auftreten William
Hogarths begann und erst ungefähr mit dem Tode des großen
Phänomens William Turner schloß.
Nicht viele moderne Kunstvölker sind so begnadet in der Malerei
wie die Franzosen, deren Kunsttradition, trotz starker politischer,
wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umwälzungen, seit Poussins
und Claude Lorrains Tagen bis zur Gegenwart kaum jemals ernst-
haft unterbrochen wurde. Deutsche Malerei der Neuzeit ist auch