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Weese, Artur
Die Bamberger Domsculpturen: ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Plastik des XIII. jahrhunderts — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 10: Strassburg: Heitz, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.49885#0101
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solle es das Gesicht verstecken. Die Draperie ist auch nicht
ganz verstanden, denn der Mantel ist auf der Brust geschlossen,
während in dem antiken Vorbilde der ungenähte Stoff des Peplons
in übereinandergreifenden Zügen um Büste und Schultern lose
herumgeschlungen ist. — Schliesslich ist auch zu beachten, wie
sich die Falten, dort wo das Gewand am Boden aufstösst, an
der deutschen Figur häufen und knittrig durcheinander ge-
worfen sind.
Was die Behandlung des Körpers betrifft, so sahen wir schon,
wie sich die Gestalt gestreckt hat. Die Glieder sind schlanker,
magerer geworden, das wohlgerundete Oval des antiken Antlitzes
ist hier schmaler und steiler. Die breite Fülle des umrahmenden
Haares dort schlüpft hier ganz unter die Kapuze, nur ein paar
Löckchen lugen noch hervor. Dort das Auge gross und weit geöffnet,
hier halb von den zusammengezogenen Lidern geschlossen. Der
schöne, fast üppig gezeichnete Mund ist herber, leicht gespitzt.
Statt des fleischigen, runden Kinnes fühlt man hier deutlich die
knochige Bildung unter der strafferen Haut.
Der Veränderungen sind also viele und wesentliche.193
Ebenso kehren die Merkmale einer stilisierenden Uebertragung
bei der Figur der Elisabeth wieder. Dass im Oberkörper die
beiden Seiten vertauscht sind, will weniger besagen, da dergleichen
sehr häufig in der mittelalterlichen Plastik wiederkehrt. Aber
viel bezeichnender ist die Aenderung in der Handhaltung, in
der sich eine wohlüberlegte Absicht versteckt. Die klare Gebärde
der Begrüssung hat der Bamberger Künstler vertuscht und zwar
dadurch, dass er den Mantel über die Hand zog und sie ausser-
dem einen Gegenstand, der aber abgebrochen ist, tragen liess.
Dieses Attribut oder was es nun gewesen sein mag, ist jedoch
keineswegs für ihn die Hauptsache, sondern wiederum allein das
Arrangement des Mantels. Ihm genügte augenscheinlich der dünne
Stoff und das einfache Gefältel nicht. Er wollte eine vollere
Wirkung, und so verdoppelte er das Motiv der Raffung des Ge-
wandes. Das eine Ende des Rückentheiles hält Elisabeth als
dicken Bausch unter ihrem rechten Arm. Den schleppenden
Vordertheil aber hat sie mit der Linken emporgehoben, so dass
ein Ueberfall sich in schwerem und breitem Flusse fast über die
eine ganze Hälfte der Statue ergiesst. Es ist ein Effektstück
 
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