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Wegner, Günter; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Mitarb.]
Die vorgeschichtlichen Flussfunde aus dem Main und aus dem Rhein bei Mainz — Materialhefte zur bayerischen Vorgeschichte, Band 30: Kallmünz/​Opf.: Lassleben, 1976

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Aufgliederung der Fundgegenstände nach ihrer Funktion
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Objekte mit Amulettcharakter bzw. kultischer Bedeutung
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https://doi.org/10.11588/diglit.63271#0094

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OBJEKTE MIT AMULETTCHARAKTER BZW. KULTISCHER
BEDEUTUNG

Wir wenden uns nunmehr den Gegenständen zu,
die — im Gegensatz zu allen bisher besprochenen
Funden — wohl keine profane Funktion besaßen
und die auch nicht durch ihre Verwendung inner-
halb eines kultischen Geschehens, was ohnehin kaum
feststellbar ist, oder erst durch intentionelle Ver-
senkung im Wasser einen Weihe- oder Opfercharak-
ter bekamen. Vielmehr gehören die jetzt zu behan-
delnden Gegenstände von sich aus zum sakralen
oder magischen Bereich, da es sich um Amulette
oder Symbole handelt.
1. Gegenstände der Urnenfelderzeit
Für die Urnenfelder- und Hallstattzeit stehen wir
seit G. Kossacks Arbeiten zum Symbolgut dieser
Perioden, was den Zusammenhang des einschlägi-
gen Materials mit dem Kult anbetrifft, auf festem
Boden 614. Anhänger verschiedener Form als Amu-
lette, Gehänge und Kesselwagen als Kultgerät, Gür-
telmotive als Symbole sowie Tier- und Vogelplasti-
ken als Heilszeichen gehören zum religiösen For-
menschatz eines Kulturstromes, der vom mittleren
Donaugebiet ausgehend, die Zone nördlich der Alpen
bis nach Ostfrankreich durchzieht615, das Main-
mündungsgebiet jedoch nur am Rande streift, wie
G. Kossacks Listen und Karten eindrucksvoll zei-
gen 616. Wenn trotzdem Fundstücke dieser Art in
unserem Raum gerade aus dem Fluß kommen, bleibt
dies eine bemerkenswerte Tatsache.
In frühurnenfelderzeitlichen Zusammenhang ist ein
Lanzettanhänger zu stellen, der im Rhein bei Wies-
baden-Biebrich gefunden wurde (Kat. Nr. 594 [Taf.
70, 3]) und dessen Aufhängering nur fragmenta-

risch erhalten ist. Lanzettförmige Amulette, zu deren
Grundform unser Exemplar gehört617, sind meist
mit Kulturgut donauländischer Provenienz kombi-
niert, doch ist ihre Entwicklung und Bedeutung
unbekannt. G. Kossack vermutet als Grundlage eine
Waffenform in der Art von Miniaturdolchen. Ein
Bezug dieser Anhängerform zum Waffenkult er-
scheint daher naheliegend 618.
In das gleiche Milieu donauländischer kultischer
Formen gehören auch die sechs anthropomorphen
Anhänger in Schwalbenschwanz- oder Dreiecksform
der bereits beschriebenen Wellenbügelfibel vom Typ
Burladingen aus dem Main bei Frankfurt (Kat.
Nr. 208 [Taf. 70, 5])619 620.
In den westlichen Bereich der Urnenfelderkultur
weist dagegen ein Objekt, dessen Funktion nach
einer Diskussion von mehr als 100 Jahren noch
immer ungeklärt ist. Es handelt sich um die Ring-
scheibe vom Mainufer oder aus dem Main bei
Frankfurt/M-Höchst, die aus einem Depotfund, der
um die Jahrhundertwende gemacht wurde und des-
sen restliche Stücke verschollen sind, stammen soll
(Kat. Nr. 229 [Taf. 48]).
Ein an der ringförmigen Scheibe befestigter Stiel
trägt an beiden Seiten eine Öse; an der inneren
hängen mittels zweier Zwischenringe zwei kleinere,
aber der großen im Aufbau und Dekor sehr ähn-
liche Ringscheiben. Die Blechbahn, die von breiten,
konzentrisch angeordneten Ritzzonen verziert ist,
weist dem Stiel entgegengesetzt am unteren Rand
einen kreisrunden, fast geschlossenen Ausschnitt auf.
Die wenigen bekannten Stücke der gleichen Art sind
aus Tabelle 23 ersichtlich 621:

614) G. Kossack, Arch. Geographica 1, 1950—51, 4 ff.; ders. (1954).
615) G. Kossack (1954) 18.
616) Vgl. die Karte frühurnenfelderzeitlicher Anhängertypen und Vogelplastik, Kossack (1954) Taf. 20.
617) Das Stück war G. Kossack unbekannt.
618) G. Kossack (1954) 18; vgl. auch ders., Arch. Geographica 1, 1950—51, 5.
619) Siehe obenS. 74 f.
620) In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde das Exemplar von Bouzonville, Dep. Moselle, im
Jahre 1850 die eine Scheibe von Wallerfangen, Kr. Saarlouis, gefunden; Literatur siehe Anm. 621.
621) Frankfurt/M-Höchst, aus dem Main: Kat. Nr. 229. — Wallerfangen, Kr. Saarlouis, Depot I (A. Kolling [1968]
197f. Nr. 125, Taf. 44,1). —Wallerfangen, Kr. Saarlouis, Depot IV (A. Kolling, a. a. 0.197 Nr. 124, Taf. 48, 4).
— Reinheim, Kr. St. Ingert, Depotfund (A. Kolling, a. a. O. 189 Nr. 85, Taf. 61, 1. 14). — Frouard, Dep.
Meurthe-et-Moselle, Depotfund (J.-P. Millotte, Carte Archeologique de la Lorraine [1965] 79, Taf. 9).
Bouzonville, Dep. Moselle, Depotfund (J.-P. Millotte, a. a. O. 63 Nr. 45, Taf. 11, 12; Lothringisches Jahrb. 15,
1903, 477 f. Taf. 31, 3—6). La Ferte-Hauterive, Gde. Plaine Echerolles, Dep. Allier, Depotfund (J. Dechelette
[1927] II, 1, 303, Fig. 117,2).

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