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Leo Rauth
Ueber den Menschen Leo Rauth ist nicht viel zu berichten. Er wurde
am 18. Juli 1884 in Leipzig geboren, hat hier das König-Albert-Gymnasium be-
sucht und seinen ersten Kunstunterricht in Karlsruhe genossen, wo er unter
Ernst Schurths Leitung Porträts und Akte zeichnete. Unter Waldemar
Friedrich in Berlin hat er sein Aktstudium fortgesetzt und 1908—09 bei
Stuck in München in dessen Malklasse wiederum Porträts, Akt, Figur und
Gewand gemalt. Stuck hat auf ihn eine Zeit lang bestimmten Einfluss ausge-
übt, von dem er sich indessen später wieder befreite. In Paris, wo Leo Rauth
nur kurze Zeit verweilte, sind starke künstlerische Eindrücke auf ihn nicht
wahrnehmbar. Nach seiner Rückkehr nach Leipzig hat er in den Jahren 1909—12
eine überaus reiche Tätigkeit als Maler und Zeichner entfaltet. „Er kann sich',
sagt Paul Kühn, „an Erfindung und Mannigfaltigkeit der Stoffe nicht genug
tun; alles will er mit Farbe und Stift gestalten: Mythologisches, Märchen und
Legendenhaftes und Allegorisches, Liebe und Hass, Parsival und Ophelia, den
Mummenschanz und die Maskenlust des Faschings, Rokokozauber in den an-
mutig-schwermütigen Gestalten von Pierrot und Colombine, Parkszenen mit
Stelldichein und Liebesgeflüster, Porträts und Atelierszenen, Tanzfiguren und
die ganze Lebewelt in ihren gekünstelten Typen, Flaneurs in ihrer gespreizten
Nichtigkeit, Damen ä la mode in extravaganten Phantasiekostümen, rauschendes
Frou-Frou und ein gewisses Etwas von halbverhüllter Erotik und raffinierter
Lebensgier, die Elegants des Rennplatzes, der Nachtcafes und der Bars. Kein
Wunder, dass Rauths Arbeiten von den Gourmets begehrt sind; kein Wunder,
dass andere an seinem ,übertrieben preziösen Aesthetentum' Anstoss nehmen."
Nicht ohne reiche Anteilnahme vernahm man von dem am 9. Januar 1913 in
Tirol erfolgten Hinscheiden des Künstlers, der sich in Leipzig einen grossen
Kreis von Verehrern erworben hatte und dessen erstaunliche Produktion auch
über die Grenzen der engeren Heimat hinaus bemerkt worden war.
Fasching und Aschermittwoch! dies kurze Wort bezeichnet am treffendsten
das Dasein Leo Rauths in der Kunst. Pierrot und Colombine sind seine Lieb-
lingsgestalten, den Tanzbewegungen weiss er allerlei neue Formen abzugewinnen.
In farbig höchst aparten Figuren sind alle nur erdenklichen Tänze dargestellt,
von den mystisch-feierlichen der Aegypter bis zum Cancan und Cake Walk und
Twostep. Zu Mignons Eiertanz und Salomes Schleiertanz gesellen sich die be-
rühmten Tänzerinnen in ihren Evolutionen: Cleo de Merode, Saharet in der
Katinkapolka, Ruth St. Denis mit ihrem Schlangentanz, andere mit Phantasie-
und Kabarettänzen. Mit bewunderswerter Beobachtungsgabe hat Rauth die ver-
schiedenen Tanzarten erfasst, ihren Rhythmus, ihr Temperament, in Bewegung
und Linien der Körper, der Arme, der Finger, in der Art, wie die Tanzenden
auftreten, die Füsse bewegen. Ganz erstaunlich sind die immer neuen Dar-
stellungen exzentrischer Stellungen, die graziösen verführerischen Körperver-
renkungen, dieses geschmeidige Wiegen und leidenschaftliche Locken verlangender,
sich preisgebender Tanzgebärden. In diesen köstlichen Tanzbildern weiss Rauth
auch das Kostümliche, die kleinen intimen Einzelheiten verführerischer Dessous,
das Flimmern und Gleissen der Stoffe, der Spitzen und Perlen mit Raffinement
zu behandeln. In seinen Phantasiefiguren, dem „Perlentanz", dem „Faun", dem
„Danse lumineuse", dem russischen Tänzer Nijinski, ist er darin geradezu ein
grosser Erfinder und Farbenpoet. Für die Ballettkunst unserer Theater sind
seine Tänze eine wahre Fundgrube von Anregungen. Hat sich doch Rauth selbst
als Anordner von Bajaderen- und Bauchtänzen auf den Münchner Künstler-
faschingsfesten hervorgetan. Was wir heute im Tangorausch als neueste Er-
rungenschaft der Choreographie sehen, hat Rauth schon vor zwei Jahren mit
grossem Wagemut und doch so sicherer Gestaltung in seinen Tanzbildern ge-
zeigt. Einige derselben können direkt als Tangoposen angesprochen werden.
Die Bilder Rauths sind in den letzten Jahren vielfach ausgestellt gewesen,
daher das Interesse in weiten Kreisen. Und gerade, weil man sie nicht so ohne
Widerspruch aufgenommen hat, sind sie mehr beachtet worden, als dies bei
Kollektivausstellungen sonst der Fall ist. Rauths stark ausgeprägter Farben-
sinn geht in fast allen seinen Gemälden auf dekorative Wirkungen aus, und wenn
er auch nicht immer sehr wählerisch ist, so muss man ihm doch nachsagen, dass
er höchst erfinderisch war, um die Flächen durch Farben geistreich zu beleben.
Auktions-Katalog N. F. XXXXVI.
Leo Rauth
Ueber den Menschen Leo Rauth ist nicht viel zu berichten. Er wurde
am 18. Juli 1884 in Leipzig geboren, hat hier das König-Albert-Gymnasium be-
sucht und seinen ersten Kunstunterricht in Karlsruhe genossen, wo er unter
Ernst Schurths Leitung Porträts und Akte zeichnete. Unter Waldemar
Friedrich in Berlin hat er sein Aktstudium fortgesetzt und 1908—09 bei
Stuck in München in dessen Malklasse wiederum Porträts, Akt, Figur und
Gewand gemalt. Stuck hat auf ihn eine Zeit lang bestimmten Einfluss ausge-
übt, von dem er sich indessen später wieder befreite. In Paris, wo Leo Rauth
nur kurze Zeit verweilte, sind starke künstlerische Eindrücke auf ihn nicht
wahrnehmbar. Nach seiner Rückkehr nach Leipzig hat er in den Jahren 1909—12
eine überaus reiche Tätigkeit als Maler und Zeichner entfaltet. „Er kann sich',
sagt Paul Kühn, „an Erfindung und Mannigfaltigkeit der Stoffe nicht genug
tun; alles will er mit Farbe und Stift gestalten: Mythologisches, Märchen und
Legendenhaftes und Allegorisches, Liebe und Hass, Parsival und Ophelia, den
Mummenschanz und die Maskenlust des Faschings, Rokokozauber in den an-
mutig-schwermütigen Gestalten von Pierrot und Colombine, Parkszenen mit
Stelldichein und Liebesgeflüster, Porträts und Atelierszenen, Tanzfiguren und
die ganze Lebewelt in ihren gekünstelten Typen, Flaneurs in ihrer gespreizten
Nichtigkeit, Damen ä la mode in extravaganten Phantasiekostümen, rauschendes
Frou-Frou und ein gewisses Etwas von halbverhüllter Erotik und raffinierter
Lebensgier, die Elegants des Rennplatzes, der Nachtcafes und der Bars. Kein
Wunder, dass Rauths Arbeiten von den Gourmets begehrt sind; kein Wunder,
dass andere an seinem ,übertrieben preziösen Aesthetentum' Anstoss nehmen."
Nicht ohne reiche Anteilnahme vernahm man von dem am 9. Januar 1913 in
Tirol erfolgten Hinscheiden des Künstlers, der sich in Leipzig einen grossen
Kreis von Verehrern erworben hatte und dessen erstaunliche Produktion auch
über die Grenzen der engeren Heimat hinaus bemerkt worden war.
Fasching und Aschermittwoch! dies kurze Wort bezeichnet am treffendsten
das Dasein Leo Rauths in der Kunst. Pierrot und Colombine sind seine Lieb-
lingsgestalten, den Tanzbewegungen weiss er allerlei neue Formen abzugewinnen.
In farbig höchst aparten Figuren sind alle nur erdenklichen Tänze dargestellt,
von den mystisch-feierlichen der Aegypter bis zum Cancan und Cake Walk und
Twostep. Zu Mignons Eiertanz und Salomes Schleiertanz gesellen sich die be-
rühmten Tänzerinnen in ihren Evolutionen: Cleo de Merode, Saharet in der
Katinkapolka, Ruth St. Denis mit ihrem Schlangentanz, andere mit Phantasie-
und Kabarettänzen. Mit bewunderswerter Beobachtungsgabe hat Rauth die ver-
schiedenen Tanzarten erfasst, ihren Rhythmus, ihr Temperament, in Bewegung
und Linien der Körper, der Arme, der Finger, in der Art, wie die Tanzenden
auftreten, die Füsse bewegen. Ganz erstaunlich sind die immer neuen Dar-
stellungen exzentrischer Stellungen, die graziösen verführerischen Körperver-
renkungen, dieses geschmeidige Wiegen und leidenschaftliche Locken verlangender,
sich preisgebender Tanzgebärden. In diesen köstlichen Tanzbildern weiss Rauth
auch das Kostümliche, die kleinen intimen Einzelheiten verführerischer Dessous,
das Flimmern und Gleissen der Stoffe, der Spitzen und Perlen mit Raffinement
zu behandeln. In seinen Phantasiefiguren, dem „Perlentanz", dem „Faun", dem
„Danse lumineuse", dem russischen Tänzer Nijinski, ist er darin geradezu ein
grosser Erfinder und Farbenpoet. Für die Ballettkunst unserer Theater sind
seine Tänze eine wahre Fundgrube von Anregungen. Hat sich doch Rauth selbst
als Anordner von Bajaderen- und Bauchtänzen auf den Münchner Künstler-
faschingsfesten hervorgetan. Was wir heute im Tangorausch als neueste Er-
rungenschaft der Choreographie sehen, hat Rauth schon vor zwei Jahren mit
grossem Wagemut und doch so sicherer Gestaltung in seinen Tanzbildern ge-
zeigt. Einige derselben können direkt als Tangoposen angesprochen werden.
Die Bilder Rauths sind in den letzten Jahren vielfach ausgestellt gewesen,
daher das Interesse in weiten Kreisen. Und gerade, weil man sie nicht so ohne
Widerspruch aufgenommen hat, sind sie mehr beachtet worden, als dies bei
Kollektivausstellungen sonst der Fall ist. Rauths stark ausgeprägter Farben-
sinn geht in fast allen seinen Gemälden auf dekorative Wirkungen aus, und wenn
er auch nicht immer sehr wählerisch ist, so muss man ihm doch nachsagen, dass
er höchst erfinderisch war, um die Flächen durch Farben geistreich zu beleben.
Auktions-Katalog N. F. XXXXVI.