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Betätigung fand sie in der Graphik. In der „Griffelkunst“ hat sie ihre höchste Ge-
staltungskraft bewährt.
Seine Jugendepoche ist die Periode der Impulsivität. Die romantische Leiden-
schaft ist aufs höchste gespannt.
Er gelangt dann zu einer Naturbetrachtung, die die Anschauung auf eine feste
Norm zu begründen sucht. Der Natur will er ihre Gesetze abringen. Er glaubt sie
für die Kunst auf Formeln bringen und diese damit meistern zu können.
Nichts liegt ihm mehr am Herzen als sich zu der Einfachheit und Klarheit der
Natur durchzuringen. Aus der kraftgenialischen Epoche strebt er hinaus zu einem
überlegten Sichuntertanmachen der Wirklichkeit. Klassische Ideale tauchen vor seiner
Phantasie auf. Aber Widerstände in seiner Natur hindern ihn, das, was er für das
gelobte Land hält, ganz zu erreichen.
Die Zeit der Reife bleibt von Zwiespalt durchzogen. Form und Ausdruck,
Klassisches und Romantisches suchen sich gegenseitig zu durchdringen und ringen
um Ausgleich; dazu viel theoretisches Bemühen. Man ist vielleicht berechtigt, in dem
Konflikt solcher Widersprüche etwas Tragisches zu sehen.
Auf jene Jugendepoche, in der ihm das Wesen der Form als ein naturgesetz-
liches noch nicht aufgegangen war, scheint Dürer später mit einer gewissen Gering-
schätzigkeit zurückgeblickt zu haben. Darauf läßt sein bekannter Ausspruch schließen,
der in einem Briefe Melanchthons an Georg von Anhalt berichtet wird: „Ich erinnere
mich, schreibt Melanchthon, wie der an Geist und Tugend ausgezeichnete Mann,
der Maler Albrecht Dürer, sagte, er habe als Jüngling die bunten und vielgestaltigen
Bilder geliebt, und habe bei der Betrachtung seiner eigenen Werke die Mannigfaltig-
keit eines Bildes ganz besonders bewundert. Als älterer Mann habe er aber begonnen
die Natur zu beobachten und deren ursprüngliches Antlitz nachzubilden, und habe
erkannt, daß diese Einfachheit der Kunst höchste Zierde sei. Nun nicht mehr im Stande,
diese zu erreichen, habe er bei der Betrachtung seiner Bilder nicht mehr wie früher
Bewunderung empfunden, sondern seiner Schwachheit geseufzt.“
Betätigung fand sie in der Graphik. In der „Griffelkunst“ hat sie ihre höchste Ge-
staltungskraft bewährt.
Seine Jugendepoche ist die Periode der Impulsivität. Die romantische Leiden-
schaft ist aufs höchste gespannt.
Er gelangt dann zu einer Naturbetrachtung, die die Anschauung auf eine feste
Norm zu begründen sucht. Der Natur will er ihre Gesetze abringen. Er glaubt sie
für die Kunst auf Formeln bringen und diese damit meistern zu können.
Nichts liegt ihm mehr am Herzen als sich zu der Einfachheit und Klarheit der
Natur durchzuringen. Aus der kraftgenialischen Epoche strebt er hinaus zu einem
überlegten Sichuntertanmachen der Wirklichkeit. Klassische Ideale tauchen vor seiner
Phantasie auf. Aber Widerstände in seiner Natur hindern ihn, das, was er für das
gelobte Land hält, ganz zu erreichen.
Die Zeit der Reife bleibt von Zwiespalt durchzogen. Form und Ausdruck,
Klassisches und Romantisches suchen sich gegenseitig zu durchdringen und ringen
um Ausgleich; dazu viel theoretisches Bemühen. Man ist vielleicht berechtigt, in dem
Konflikt solcher Widersprüche etwas Tragisches zu sehen.
Auf jene Jugendepoche, in der ihm das Wesen der Form als ein naturgesetz-
liches noch nicht aufgegangen war, scheint Dürer später mit einer gewissen Gering-
schätzigkeit zurückgeblickt zu haben. Darauf läßt sein bekannter Ausspruch schließen,
der in einem Briefe Melanchthons an Georg von Anhalt berichtet wird: „Ich erinnere
mich, schreibt Melanchthon, wie der an Geist und Tugend ausgezeichnete Mann,
der Maler Albrecht Dürer, sagte, er habe als Jüngling die bunten und vielgestaltigen
Bilder geliebt, und habe bei der Betrachtung seiner eigenen Werke die Mannigfaltig-
keit eines Bildes ganz besonders bewundert. Als älterer Mann habe er aber begonnen
die Natur zu beobachten und deren ursprüngliches Antlitz nachzubilden, und habe
erkannt, daß diese Einfachheit der Kunst höchste Zierde sei. Nun nicht mehr im Stande,
diese zu erreichen, habe er bei der Betrachtung seiner Bilder nicht mehr wie früher
Bewunderung empfunden, sondern seiner Schwachheit geseufzt.“