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Weitzmann, Kurt
Die byzantinische Buchmalerei des 9. und 10. Jahrhunderts — Berlin, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.36920#0093
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ins Ende des io. oder in den Beginn des n. Jahrhunderts
und dürfen in dem Vordringen des Konstantinopeler
Blütenblattstils nach dem Osten bis in die armenisAe
und palästinensisch-ägyptisAe Kunst (vgl. S. 7$) eine
wiederholt beobachtete allgemeine Zeitströmung um die
Jahrtausendwende erkennen.
$. Ein Evangelistar inLawra,cod. 102 (Abb.478
bis 480)"% zeigt wiederum eine andere MisAung kon-
stantinopeler und provinzieller Ornamentmotive. Der in
weitmasAig geflochtene Bänder aufgelöste Stamm einer
„T"-Initiale (Fig. 79) hängt mit Bildungen des Moskauer
Codex 42 zusammen"", und die Verwendung einer

ist"" und ähnliAe Vogelinitialen enthält (Fig. 80 vgl. mit
Abb. 480). Die Titelbalken (Abb. 481) besitzen eine sehr
Aarakteristische Form mit über die Ecken hinaus verlän-
gertem Querbalken und sind mit Blütenblattwerk gefüllt,
das in grober und mißverstandener Weise in einen pro-
vinziellen Stil umgesetzt ist. Der BlattumsAlag wird
kaum verständliA angedeutet, aber dennoch läßt sich er-
kennen, daß die frühe Form der züngelnden Blattmotive
zugrunde Hegt, wie sie in Konstantinopel die Berliner
Hippiatrika-HandsAriA aufweist (vgl. z. B. Abb. 112).
Demselben provinziellen Zentrum wie die Florentiner
HandschriA gehören drei weitere in slavonischer Unciale
gesAriebene Evangelistare an: Florenz, Laurenziana,



amphorenartigen Vase zum Schmuck des Initialstammes
(Abb. 47p) ist ähnlich wie in der Arundel-HandschriA
(vgl. Fig. 76). Ferner lassen sich Beziehungen zu dem
Pariser Evangeliar aus Cypern erkennen (vgl. S. 6$): die
Initiale „B" (Abb. 480) zeigt auf einem Faubsägeast einen
Vogel in einer charakteristischen ornamentalen Gradlinig-
keit und darüber eine frei auslaufende Faubsägeranke
(vgl. Abb. 420). Im übrigen tritt auch in den Titelbalken
der Fawra-HandschriA bereits der reine Blütenblattstil
auf (Abb. 478). So lassen sich mannigfaltige Beziehungen
innerhalb der kleinasiatischen und hauptstädtischen
Gruppen hin und her spinnen. Indessen werden die Eigen-
arten des lokalen Ornamentstils um die Jahrtausend-
wende allmählich aufgesogen von dem von Konstantinopel
her eindringenden normierten Blütenblattstil.
Der Fawra-HandschriA läßt siA ein Evangelistar in
Florenz, Faurenziana, cod. Plut. VI, 2 1, an-
reihen, das von einem gewissen Demetrios geschrieben

cod. Plut. VI, 31 (Abb. 482)"*, Fawra, cod. 36
(Abb.483)"" und Paris, Bibliotheque Natio-
nale, cod. supp 1. gr. 1081. (Abb. 484)"". Die beiden
letzteren sind oAensichtliA von derselben Hand. Alle drei
weisen dieselben typischen „IF'-Balkenformen auf und
einen Blütenblattstil, der besser verstanden ist als in der
ersten Florentiner HandschriA und sich genauer an haupt-
städtische Vorlagen hält. Die Blütenblattmuster heben
sich vom Goldgrund ab, aber der Farbenauftrag hat nicht
den emailhaAen Glanz der Konstantinopeler Vorbilder.
In den vier auf Tafel FXXVIII abgebildeten Hand-
schriAen hat sich der Stil der Hauptstadt schon so weitdurch-
gesetzt, daß mit größerem Rechte von Ausläufern haupt-
städtisAer Miniaturenschulen gesproAen werden könnte
als von einer innerkleinasiatischen SAule. Es hat sich ein
uniformer Blütenblattstil im gesamten byzantinischen
Reichsgebiet herausgebildet, in dem die lokalen Tra-
ditionen nur noch an Rudimenten zu erkennen sind.

"s Spiridon-Eustratiades, S. 11.
"9 Stassoff, Taf. 122, 39.
*2° Bandini I, S. 140, Taf. III, 8. / Vitelli-Paoli, Taf. 7. / Stassoff,
Taf. 122, 46-31. — Fol. 206: sy<b äpsüs Srjpt-cptos yeypoupa.

*2* Bandini I, S. 137, Taf. III, 6. / Silvestre, Paleographie uni-
verselle, Bd. II, 1841, Taf. 42. — Tikkanen, Stud., S. 101.
*22 Spiridon-Eustratiades, S. 7.
*22 Omont, Pacs. Mss. onc. et min., Taf. 18a. / Ebersolt, S.47 Anm. 3.

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