Schuberts Lehrer waren um diese Zeit Wenzel
Ruzicka, der Klaviermeister der Anstalt, und der
Hofkapellmeister Salieri, auf dessen Unterweisung
der Lernbegierige grossen Wert legte. Salieri scheint
jedoch die Bedeutung seines genialen Zöglings nicht
erkannt zu haben; wenigstens that er später, als
Schubert sich um eine Lebensstellung bemühte,
nichts, um ihm das Fortkommen zu erleichtern.
Seit etwa seinem elften Jahre hatte Schubert, wie
sein Freund und Convictsgenosse Josef von Spaun
erzählt, auf eigene Hand Kompositionsversuche
unternommen; heimlich, denn von einer Musiker-
laufbahn wollte der Vater nichts wissen. Sein erstes
Lied — Hagar’s Klage — schrieb er am 30. März 1811,
offenbar angeregt durch Zumsteeg, dessen Werke er
im Convicte kennen gelernt hatte. Der Stuttgarter
Komponist, der in der Behandlung der Liedform
die Mitte zwischen den norddeutschen und den
Wiener Tonsetzern einhielt, in seinen Balladen aber
neue Bahnen betrat, ist überhaupt auf den jungen
Schubert unzweifelhaft von entscheidendem Einfluss
gewesen. Bei ihm finden sich bereits Ansätze zu
der bei aller Geschlossenheit reichen Form, zu der
Stimmungsmalerei der Begleitung und zu der fast
dramatischen Knappheit des Ausdrucks, durch die
später unser Meister seine grössten Wirkungen erreicht
hat. Während der letzten Zeit seines Aufenthaltes
im Stifte war Schubert nach den verschiedensten
Richtungen von erstaunlicher Produktivität. Viele
Lieder, Messen, Opern, Sonaten und Symphonien,
die er später alle wieder vernichtet hat, spielte er
schon damals seinem Freunde Spaun vor. Die Haupt-
schwierigkeit bestand für ihn darin, Notenpapier zu
erhalten. Seine Armut erlaubte ihm nicht, sich welches
zu kaufen; so nahm er, was er fand, und zog sich
die Liniensysteme selbst.
Im Oktober 1813 verliess Schubert, sechzehn
Jahre alt, das Convict und trat, um der Konskription
zu entgehen und zugleich den Wunsch seines Vaters
zu erfüllen, als Lehrer in dessen Elementarschule.
Aber schon 1816 gab er die ihn drückende Stellung
auf und lebte fortab ganz seinem eigenen Schaffen.
Sein Talent hatte sich nun doch, wenn auch vor-
läufig nur in der engsten Umgebung, zur An-
erkennung durchgerungen. Der Vater stand seinen
Wünschen nicht mehr entgegen und liess ihn ge-
währen. Schon 1814 waren Lieder wie „Gretchen
am Spinnrad“ und „Schäfers Klagelied“ entstanden,
ganz besonders reich aber war der künstlerische
Ertrag des folgenden Jahres. Obgleich er damals noch
in amtlicher Thätigkeit war, hat Schubert 1815 nicht
weniger als 6 Singspiele und Opern, zwei Messen,
eine Symphonie, 4 Sonaten, eine Menge anderer
Klavierstücke und über 140 Lieder geschrieben,
darunter den „Erlkönig“ (gedruckt 1821), der mehr
als alles andere seinen Ruhm verbreitet hat. Für
einige der wichtigsten und bekanntesten Kompo-
sitionen Schuberts mögen hier gleich die Daten
ihrer Entstehungszeit folgen: der „Wanderer“ fällt
in das Jahr 1816, die (unvollendete) H-moll-Sym-
phonie in das Jahr 1821; 1823 entstanden die
„Müllerlieder“; 1827/28 wurde die „Winterreise“ ge-
schrieben, 1828 der „Schwanengesang“ und die grosse
C-dur-Symphonie. Zunächst gelang es Schubert nicht,
für seine Werke Verleger zu finden; unbekannt, ohne
einflussreiche Freunde, lebte er in den drückendsten
Verhältnissen. Erst 1821 thaten sich einige Gönner
zusammen, um ihm aus der Veröffentlichung seiner
Lieder eine Einnahmequelle zu erschliessen. Als
opus 1 erschien der „Erlkönig“. Damit war die Bahn
gebrochen, und die Verleger übernahmen nun nach
und nach, wenn auch nicht mit allzuviel Zutrauen
und für lächerlich geringe Honorare, andere seiner
Kompositionen. Wovon Schubert bis dahin ge-
lebt hatte, ist, da er in Wien keinerlei Stunden gab,
noch nicht aufgeklärt. Das Dasein, das er führte,
war ein gleichförmig geregeltes. Die Vormittags-
stunden, gewöhnlich bis 2 Uhr, verbrachte er
komponierend am Schreibtisch; dann zog es ihn ins
Freie, und die Abende waren dem geselligen Ver-
kehr gewidmet. Unser Meister hatte das Glück,
Freunde um sich zu sehen, bei denen er Teilnahme
und Anregung fand, und die mit aufrichtiger Ver-
ehrung an ihm hingen. Männer wie Franz von
Schober, Mayrhofer, Hüttenbrenner, Moritz von
Schwind, E. von Bauernfeld, Grillparzer, Schnorr
von Carolsfeld, Franz Lachner u. a. gehörten diesem
Kreise an. Obwohl der Jüngste, war Schubert doch
der Mittelpunkt der fröhlichen Zusammenkünfte,
die bei den Freunden geradezu den Namen
„Schubertiaden“ führten. Bedeutungsvoll für den
Komponisten wurde seine Bekanntschaft mit dem
Sänger Michael Vogel. Dieser brachte seinen
Liedern ein reges Interesse entgegen, und durch
seine Stellung in der Kunstwelt Wiens konnte er
kräftig zu ihrer Verbreitung beitragen. Mehrmals
nahm er Schubert, der ihm auch sonst mancherlei
Vorteile verdankte, auf seinen Reisen mit und be-
suchte mit ihm gemeinschaftlich das Salzkammergut,
Ober-Oesterreich und Gastein.
Eine weitere Unterbrechung erfuhr die Eintönig-
keit des Wiener Lebens durch zwei Reisen, die
Schubert im Sommer 1818 und 1824 nach Zelesz
in Ungarn unternahm, wo er vorübergehend in der
Familie des Grafen Johann Esterhazy die Stelle eines
Musiklehrers bekleidete. Aeusserlich war diese
Zeleszer Zeit die behaglichste seines Lebens, da er
zum ersten Mal materiell sichergestellt war; inner-
lich jedoch fühlte er sich in dem gräflichen Hause
und seinem Anhang recht wenig glücklich und sehnte
161
Ruzicka, der Klaviermeister der Anstalt, und der
Hofkapellmeister Salieri, auf dessen Unterweisung
der Lernbegierige grossen Wert legte. Salieri scheint
jedoch die Bedeutung seines genialen Zöglings nicht
erkannt zu haben; wenigstens that er später, als
Schubert sich um eine Lebensstellung bemühte,
nichts, um ihm das Fortkommen zu erleichtern.
Seit etwa seinem elften Jahre hatte Schubert, wie
sein Freund und Convictsgenosse Josef von Spaun
erzählt, auf eigene Hand Kompositionsversuche
unternommen; heimlich, denn von einer Musiker-
laufbahn wollte der Vater nichts wissen. Sein erstes
Lied — Hagar’s Klage — schrieb er am 30. März 1811,
offenbar angeregt durch Zumsteeg, dessen Werke er
im Convicte kennen gelernt hatte. Der Stuttgarter
Komponist, der in der Behandlung der Liedform
die Mitte zwischen den norddeutschen und den
Wiener Tonsetzern einhielt, in seinen Balladen aber
neue Bahnen betrat, ist überhaupt auf den jungen
Schubert unzweifelhaft von entscheidendem Einfluss
gewesen. Bei ihm finden sich bereits Ansätze zu
der bei aller Geschlossenheit reichen Form, zu der
Stimmungsmalerei der Begleitung und zu der fast
dramatischen Knappheit des Ausdrucks, durch die
später unser Meister seine grössten Wirkungen erreicht
hat. Während der letzten Zeit seines Aufenthaltes
im Stifte war Schubert nach den verschiedensten
Richtungen von erstaunlicher Produktivität. Viele
Lieder, Messen, Opern, Sonaten und Symphonien,
die er später alle wieder vernichtet hat, spielte er
schon damals seinem Freunde Spaun vor. Die Haupt-
schwierigkeit bestand für ihn darin, Notenpapier zu
erhalten. Seine Armut erlaubte ihm nicht, sich welches
zu kaufen; so nahm er, was er fand, und zog sich
die Liniensysteme selbst.
Im Oktober 1813 verliess Schubert, sechzehn
Jahre alt, das Convict und trat, um der Konskription
zu entgehen und zugleich den Wunsch seines Vaters
zu erfüllen, als Lehrer in dessen Elementarschule.
Aber schon 1816 gab er die ihn drückende Stellung
auf und lebte fortab ganz seinem eigenen Schaffen.
Sein Talent hatte sich nun doch, wenn auch vor-
läufig nur in der engsten Umgebung, zur An-
erkennung durchgerungen. Der Vater stand seinen
Wünschen nicht mehr entgegen und liess ihn ge-
währen. Schon 1814 waren Lieder wie „Gretchen
am Spinnrad“ und „Schäfers Klagelied“ entstanden,
ganz besonders reich aber war der künstlerische
Ertrag des folgenden Jahres. Obgleich er damals noch
in amtlicher Thätigkeit war, hat Schubert 1815 nicht
weniger als 6 Singspiele und Opern, zwei Messen,
eine Symphonie, 4 Sonaten, eine Menge anderer
Klavierstücke und über 140 Lieder geschrieben,
darunter den „Erlkönig“ (gedruckt 1821), der mehr
als alles andere seinen Ruhm verbreitet hat. Für
einige der wichtigsten und bekanntesten Kompo-
sitionen Schuberts mögen hier gleich die Daten
ihrer Entstehungszeit folgen: der „Wanderer“ fällt
in das Jahr 1816, die (unvollendete) H-moll-Sym-
phonie in das Jahr 1821; 1823 entstanden die
„Müllerlieder“; 1827/28 wurde die „Winterreise“ ge-
schrieben, 1828 der „Schwanengesang“ und die grosse
C-dur-Symphonie. Zunächst gelang es Schubert nicht,
für seine Werke Verleger zu finden; unbekannt, ohne
einflussreiche Freunde, lebte er in den drückendsten
Verhältnissen. Erst 1821 thaten sich einige Gönner
zusammen, um ihm aus der Veröffentlichung seiner
Lieder eine Einnahmequelle zu erschliessen. Als
opus 1 erschien der „Erlkönig“. Damit war die Bahn
gebrochen, und die Verleger übernahmen nun nach
und nach, wenn auch nicht mit allzuviel Zutrauen
und für lächerlich geringe Honorare, andere seiner
Kompositionen. Wovon Schubert bis dahin ge-
lebt hatte, ist, da er in Wien keinerlei Stunden gab,
noch nicht aufgeklärt. Das Dasein, das er führte,
war ein gleichförmig geregeltes. Die Vormittags-
stunden, gewöhnlich bis 2 Uhr, verbrachte er
komponierend am Schreibtisch; dann zog es ihn ins
Freie, und die Abende waren dem geselligen Ver-
kehr gewidmet. Unser Meister hatte das Glück,
Freunde um sich zu sehen, bei denen er Teilnahme
und Anregung fand, und die mit aufrichtiger Ver-
ehrung an ihm hingen. Männer wie Franz von
Schober, Mayrhofer, Hüttenbrenner, Moritz von
Schwind, E. von Bauernfeld, Grillparzer, Schnorr
von Carolsfeld, Franz Lachner u. a. gehörten diesem
Kreise an. Obwohl der Jüngste, war Schubert doch
der Mittelpunkt der fröhlichen Zusammenkünfte,
die bei den Freunden geradezu den Namen
„Schubertiaden“ führten. Bedeutungsvoll für den
Komponisten wurde seine Bekanntschaft mit dem
Sänger Michael Vogel. Dieser brachte seinen
Liedern ein reges Interesse entgegen, und durch
seine Stellung in der Kunstwelt Wiens konnte er
kräftig zu ihrer Verbreitung beitragen. Mehrmals
nahm er Schubert, der ihm auch sonst mancherlei
Vorteile verdankte, auf seinen Reisen mit und be-
suchte mit ihm gemeinschaftlich das Salzkammergut,
Ober-Oesterreich und Gastein.
Eine weitere Unterbrechung erfuhr die Eintönig-
keit des Wiener Lebens durch zwei Reisen, die
Schubert im Sommer 1818 und 1824 nach Zelesz
in Ungarn unternahm, wo er vorübergehend in der
Familie des Grafen Johann Esterhazy die Stelle eines
Musiklehrers bekleidete. Aeusserlich war diese
Zeleszer Zeit die behaglichste seines Lebens, da er
zum ersten Mal materiell sichergestellt war; inner-
lich jedoch fühlte er sich in dem gräflichen Hause
und seinem Anhang recht wenig glücklich und sehnte
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