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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 3.1903/​1904

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Heft 40
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https://doi.org/10.11588/diglit.75368#0633

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Werkstatt
der
Kunst


Drgsn kurble
Interessen der M
denden Kwnttler.

Kectakteur: Ernst Closs.

III. Iakrg. ^ tzekt 40. ^ 4. Juli 1904.

Köse Mege.
Ein sehr bedauerliches Bild von der Festig-
keit eines Komitees und besonders von der „Kol-
legialität" eines Künstlers gibt folgende Dar-
legung, um deren Aufnahme wir gebeten werden:
In Gberschlesien ist eine Stadt, NeustadtG.-S.
genannt, und in ihr waren viele getreue Männer,
denen zu ihrem Glück und Stolz nur noch eins fehlte,
ein Brunnendenkmal unseres großen Kaisers Wil-
helm I. Man kam zusammen, man sprach und
disputierte. Da kamen eines Tages aus Berlin ein
junger Architekt und ein Bildhauer des Weges da-
her, die beide in der Stadt Verwandte besaßen.
Der Großvater des Architekten hatte sogar den Platz
mit dem Brunnen als Vater der Stadt angelegt.
Selbige beiden jungen Leutchen, W. Krafft und
H. Lehmann mit Namen, hörten von dem Rauschen
im Stadtwalde und dachten bei sich: Können können
wir was, wollen wollen wir auch und berühmt
möchten wir auch einmal werden. Gesagt getan!
Man ging zum Gberhaupt der Stadt, das den
beiden jungen Künstlern sehr gewogen war, und
fragte es, ob man einen Entwurf machen dürfe.
Gbwohl damals alles noch in weiter Ferne lag,
hieß es doch: „Wenn Ihr wollt, dann arbeitet los,
wer nicht wagt, der nicht gewinnt — und vielleicht,
vielleicht?....", aber irgend eine Verpflichtung
konnte und wollte selbst das Gberhaupt der Stadt
nicht übernehmen, denn es war wohl Lust, Liebe,
ein Platz mit Brunnen, auch gleich zwei Künstler,
aber kein Geld und kein würdiges Komitee für den

guten Zweck vorhanden. Doch was fragt Jugend
nach Geld und Komitee! Ideale und Kraft in Hülle
und Fülle und Aussicht, endlich einmal Aussicht
ein Werk schaffen zu dürfen! Geld und alles andere
wird schon kommen, dachten sie sich, wenn — —
es nicht manchmal erstens anders kommt, zweitens
wie man denkt.
Wie's kam und endete, sei hier gradatim und
wahrheitsgetreu berichtet: Wohl immer, wenn zwei
junge Leute Künstler sind, d. H. etwas können, gehen
sie an ein Werk, das ihre Phantasie entfacht hat,
mit allem Feuereifer und mit einem eisernen Fleiß
heran, um etwas Großes, so groß wie sie's ver-
mögen, zu schaffen. In unserer Zeit, die mit
schablonenmäßigen Denkmälern, zumal des Kaisers
Wilhelm I., so überreich gesegnet ist, ist es eine
erhebende Aufgabe, gerade auf diesem Gebiet von
dem ausgetretenen Pfade abzuweichen und eigene,
steilere Wege zu versuchen. Wochenlang haben wir
gegrübelt und geplant, verworfen und aufgebaut,
bis endlich etwas da war, was es noch nicht gab,
und was eines Künstlers würdig war. So entstand
unter allen den Wehen, die eine ernste Arbeit durch-
machen muß, unser erster Entwurf. Auf einer in
mächtigen Stufen aufsteigenden Felsarchitektur stand
der Kaiser in ruhiger, etwas gebeugter Haltung,
wie wir ihn kennen, wir Jungen, für die das
Denkmal in erster Linie bestimmt war, wie wir
ihn gesehen haben, gütig, freundlich, selbst im Alter
groß und Ehrfurcht gebietend zugleich. An diese
 
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