Heft 43.
Die Werkstatt der Kunst.
595
Der Architekt ist bei der Errichtung der langen Straßen-
fronten unsrer Städte noch immer so gut wie ausgeschaltet;
nur ein kleiner Bereich ist ihm geblieben im Bau reicher
Villen, mancher großer Geschäftshäuser und kleiner Einzel-
häuser für den gebildeten Mittelstand, der den Wert der
Leistung eines wirklichen Baukünstlers selbst bei beschei-
denen Aufgaben erkannt hat, auch den Rat des sachver-
ständigen bautechnischen Beraters des Anwalts auf bau-
lichem Gebiete nicht entbehren will.
Fast noch schlimmer als im Privatbau sieht es für
den Architekten im staatlichen und städtischen öffentlichen
Bauwesen aus. Hier verschlechtern sich sogar die Aus-
sichten für unfern Stand mit iedem Jahre, denn jede Be-
hörde, jede große und kleine Gemeinde bemüht sich, die
in ihren Bereich fallenden Neubauten durch eigene fest-
angestellte Baubeamte entwerfen und ausführen zu lassen,
wir dürfen es wohl mit dürren Worten aussprechen, daß
wir das in ganz Deutschland immer mehr um sich greifende
Anwachsen der öffentlichen Bauämter der staatlichen, kirch-
lichen und städtischen Bauverwaltungen als eine Haupt-
ursache des auf dem Architektenstande wie auf dem der
Entwicklung der Baukunst überhaupt lastenden Druckes
ansehen. Ist es doch heute schon so weit gekommen, daß
von der gewaltigen Bautätigkeit des Staats, der Provinzen
und der Städte nur ganz ausnahmsweise eine Aufgabe
dem Privatarchitekten zufällt, und wir stehen vor der Frage,
ob der Staat und die städtischen Verwaltungen recht daran
tun, durch ihr Vorgehen planmäßig oder wenigstens mit
sehenden Augen auf eine Unterdrückung des freien Archi-
tektenstandes hinzuarbeiten.
Nach eingehender sachlicher Prüfung aller hier in Be-
tracht kommenden Verhältnisse muß der unparteiische Kenner
des Bauwesens nicht nur aus künstlerischen, sondern eben-
so aus rein wirtschaftlichen Gründen zu der Ueberzeugung
kommen, daß eine systematische Einschränkung der öffent-
lichen Bauämter zugunsten des Standes der freien Archi-
tekten für die Förderung der Baukunst geradezu ge-
boten sei.
Fordert auch die Gerechtigkeit das Zugeständnis, daß
eine Reihe hervorragender Baunreister, die heute als Be-
amte des Staats und der Kommunen tätig sind, in allen
Gauen Deutschlands würdige, zweckentsprechende öffentliche
Gebäude errichtet haben, so dürften wir doch im allge-
meinen keine Veranlassung haben, auf die künstlerischen
Leistungen unserer Bauämter besonders stolz zu sein. Eine
Heranziehung des in frischerer Atmosphäre und im stählen-
den freien Wettbewerb schaffenden Architekten zur Mitarbeit
wäre zum Besten der vaterländischen Monumentalkunst
ohne Zweifel aufs innigste zu wünschen. Noch aus einer
andern Erwägung ist dies zu erstreben: Deutschland steht
mitten in einer großartigen wirtschaftlichen Entwicklung,
zu der notwendig auch ein kräftiger, selbstbewußt und
eigenartig schaffender Baukünstlerstand gehört, wie aber
soll sich ein solcher bilden ohne die Betätigung seiner besten
Kräfte bei den großen Bauaufgaben des Staats und der
Städte? Haben unsere deutschen Architekten auch aus
internationalen Wettbewerben so manchen schönen Preis
sich heimgebracht und bei vielen Gelegenheiten bewiesen,
daß unsere freie Baukunst mit in der Front steht, so ist
es um so betrübender, zu sehen, wie viele unserer besten
Künstler in der Heimat heute feiernd und darbend beiseite-
stehen müssen, während eine überströmende Fülle wert-
voller^ Aufgaben jetzt so oft freudlos und reizlos auf
den Bauämtern des Staates und der Kommunen erledigt
werden.
Vergessen wir nicht, daß der Baukünstler außerdem
der kräftigste Träger und Förderer des Kunstgewerbes ist,
das in der Zukunft unserm Volke eine «Duelle des Wohl-
stands werden müßte, erinnern wir uns daran, daß der
französische Architekt als Pionier dem Kunstfleiß seines
Landes die Welt erobert hat, und suchen wir deshalb, so-
lange es noch Zeit ist, dem Stande des künstlerisch arbeiten-
den, freien Architekten offene Bahn zu schaffen zur Aus-
bildung einer kraftvollen Eigenart an bedeutenden Bau-
aufgaben. Dem Beamten ist ein freies, individuelles
wirken in den Fesseln seines Amts erschwert, ja allzu-
oft ganz versagt; selbst unter günstigen Bedingungen,
bei guter Begabung und ernstem willen muß er wohl
früher oder später dem gleichförmigen Dienst des Alltags
unterliegen. Doch nur in der Luft persönlicher Freiheit
und im stets erneuten Wettstreit der Kräfte vermag die
Kunst zum Segen des Volkstums als Kulturträgerin neue
Höhen zu ersteigen. Aus diesem Grunde schon allein sollte
die Tätigkeit der Bauämter nach Kräften eingedämmt
werden.
Eindringlicher aber noch in dieser Zeit der Finanznot
des Reichs und der Linzelstaaten, wo auf allen Verwaltungs-
gebieten der Ruf nach Sparsamkeit erschallt, sollten wirt-
schaftliche Erwägungen gegen die unbeschränkte Herrschaft
der jetzigen Bauämter sprechen. Nach unsern Ermittlungen
verbrauchen die staatlichen und besonders die städtischen
Bauämter für die Ausarbeitung der Entwürfe ihrer Hoch-
bauten sowie für die gesamte Bauleitung weit höhere
Summen, als solche den Privatarchitekten für eine gleiche
Arbeitsleistung nach der gültigen Gebührenordnung zustehen
würden. Das scheint uns schon aus der vielfach üblichen
Ltatsaufstellung derBauverwaltungen hervorzugehen. Ueber-
raschend ist diese Beobachtung für niemand, der bedenkt,
wie schwierig die volle Ausnützung der Kräfte dieses kaum
übersehbaren Beamtenpersonals ist. Der durch die auf-
reibenden Pflichten seiner Verwaltungstätigkeit in Anspruch
genommene Vorgesetzte eines Hochbauamts ist selten in
der Lage, gleich dem Privatarchitekten seine Hilfskräfte in
wirksamer, zur Erreichung der höchsten Leistungen erforder-
lichen weise anzuspannen, auch ist er in der Auswahl
brauchbarer Gehilfen fast niemals frei, da er mit festan-
gestellten Technikern zu arbeiten hat. Es ist daher unsere
sichere und wohlbegründete Ueberzeugung, daß der Staat
und die Gemeinden am allerbesten fahren würden, wenn
sie die Entwurfstätigkeit in weiterem Umfange als bisher
den Privatarchitekten überließen, wie das auch bei einzelnen
Verwaltungen noch mit Erfolg geschieht (so z. B. bei den
Staatsbauten des Königreichs Sachsen) und bei andern
(Hansestadt Lübeck) in Aussicht genommen ist; regt sich
doch überall die Erkenntnis, daß unser Staatswesen unter
dem Anschwellen der Beamtenschaft leidet, und haben doch
hervorragende Staatsmänner neuerdings oft ausgesprochen,
daß es an der Zeit fei, zu versuchen, aus dem Beamten-
staat wieder herauszukommen.
wir sind am Schluffe unserer Ausführungen, die nur
die Hauptpunkte berühren konnten, ohne auf wichtige
Fragen näher einzugehen, da sie nur von der Absicht ge-
leitet wurden, eine erste Anregung zu geben, sich mit
diesen bedenklichen Seiten des staatlichen und privaten
Bauwesens zu beschäftigen und die hier berührten Fragen
einer sorgfältigen unparteiischen Prüfung zu unterwerfen
zum Besten unserer vaterländischen Baukunst.
Dresden, im April
Der Bund Deutscher Architekten (L. V).
gez. Lrok. N. Oülter, d. A. Vorsitzender.
lllisskö jMigö öeilsgk, lilk MclM? IlllllLNsellli. Mikk slk. 22,
bat koIZencken Inbalt: V/ie Zross ist cker in einem
Lücke möZIiebe NaturLnssebnitt? Von IKeockor
^Veckepobl. (Scblnss.) — Lrieke von vr. Lnss
nber ckus pnniscbe V/aebs. Nit einer KinIeitnnZ
von K. L. — Neber krok. Ostvvalcks Nonnmentul-
Lastell-Teebnib. — Nalnnterriebt in ^sapan.
Die Werkstatt der Kunst.
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Der Architekt ist bei der Errichtung der langen Straßen-
fronten unsrer Städte noch immer so gut wie ausgeschaltet;
nur ein kleiner Bereich ist ihm geblieben im Bau reicher
Villen, mancher großer Geschäftshäuser und kleiner Einzel-
häuser für den gebildeten Mittelstand, der den Wert der
Leistung eines wirklichen Baukünstlers selbst bei beschei-
denen Aufgaben erkannt hat, auch den Rat des sachver-
ständigen bautechnischen Beraters des Anwalts auf bau-
lichem Gebiete nicht entbehren will.
Fast noch schlimmer als im Privatbau sieht es für
den Architekten im staatlichen und städtischen öffentlichen
Bauwesen aus. Hier verschlechtern sich sogar die Aus-
sichten für unfern Stand mit iedem Jahre, denn jede Be-
hörde, jede große und kleine Gemeinde bemüht sich, die
in ihren Bereich fallenden Neubauten durch eigene fest-
angestellte Baubeamte entwerfen und ausführen zu lassen,
wir dürfen es wohl mit dürren Worten aussprechen, daß
wir das in ganz Deutschland immer mehr um sich greifende
Anwachsen der öffentlichen Bauämter der staatlichen, kirch-
lichen und städtischen Bauverwaltungen als eine Haupt-
ursache des auf dem Architektenstande wie auf dem der
Entwicklung der Baukunst überhaupt lastenden Druckes
ansehen. Ist es doch heute schon so weit gekommen, daß
von der gewaltigen Bautätigkeit des Staats, der Provinzen
und der Städte nur ganz ausnahmsweise eine Aufgabe
dem Privatarchitekten zufällt, und wir stehen vor der Frage,
ob der Staat und die städtischen Verwaltungen recht daran
tun, durch ihr Vorgehen planmäßig oder wenigstens mit
sehenden Augen auf eine Unterdrückung des freien Archi-
tektenstandes hinzuarbeiten.
Nach eingehender sachlicher Prüfung aller hier in Be-
tracht kommenden Verhältnisse muß der unparteiische Kenner
des Bauwesens nicht nur aus künstlerischen, sondern eben-
so aus rein wirtschaftlichen Gründen zu der Ueberzeugung
kommen, daß eine systematische Einschränkung der öffent-
lichen Bauämter zugunsten des Standes der freien Archi-
tekten für die Förderung der Baukunst geradezu ge-
boten sei.
Fordert auch die Gerechtigkeit das Zugeständnis, daß
eine Reihe hervorragender Baunreister, die heute als Be-
amte des Staats und der Kommunen tätig sind, in allen
Gauen Deutschlands würdige, zweckentsprechende öffentliche
Gebäude errichtet haben, so dürften wir doch im allge-
meinen keine Veranlassung haben, auf die künstlerischen
Leistungen unserer Bauämter besonders stolz zu sein. Eine
Heranziehung des in frischerer Atmosphäre und im stählen-
den freien Wettbewerb schaffenden Architekten zur Mitarbeit
wäre zum Besten der vaterländischen Monumentalkunst
ohne Zweifel aufs innigste zu wünschen. Noch aus einer
andern Erwägung ist dies zu erstreben: Deutschland steht
mitten in einer großartigen wirtschaftlichen Entwicklung,
zu der notwendig auch ein kräftiger, selbstbewußt und
eigenartig schaffender Baukünstlerstand gehört, wie aber
soll sich ein solcher bilden ohne die Betätigung seiner besten
Kräfte bei den großen Bauaufgaben des Staats und der
Städte? Haben unsere deutschen Architekten auch aus
internationalen Wettbewerben so manchen schönen Preis
sich heimgebracht und bei vielen Gelegenheiten bewiesen,
daß unsere freie Baukunst mit in der Front steht, so ist
es um so betrübender, zu sehen, wie viele unserer besten
Künstler in der Heimat heute feiernd und darbend beiseite-
stehen müssen, während eine überströmende Fülle wert-
voller^ Aufgaben jetzt so oft freudlos und reizlos auf
den Bauämtern des Staates und der Kommunen erledigt
werden.
Vergessen wir nicht, daß der Baukünstler außerdem
der kräftigste Träger und Förderer des Kunstgewerbes ist,
das in der Zukunft unserm Volke eine «Duelle des Wohl-
stands werden müßte, erinnern wir uns daran, daß der
französische Architekt als Pionier dem Kunstfleiß seines
Landes die Welt erobert hat, und suchen wir deshalb, so-
lange es noch Zeit ist, dem Stande des künstlerisch arbeiten-
den, freien Architekten offene Bahn zu schaffen zur Aus-
bildung einer kraftvollen Eigenart an bedeutenden Bau-
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wirken in den Fesseln seines Amts erschwert, ja allzu-
oft ganz versagt; selbst unter günstigen Bedingungen,
bei guter Begabung und ernstem willen muß er wohl
früher oder später dem gleichförmigen Dienst des Alltags
unterliegen. Doch nur in der Luft persönlicher Freiheit
und im stets erneuten Wettstreit der Kräfte vermag die
Kunst zum Segen des Volkstums als Kulturträgerin neue
Höhen zu ersteigen. Aus diesem Grunde schon allein sollte
die Tätigkeit der Bauämter nach Kräften eingedämmt
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Eindringlicher aber noch in dieser Zeit der Finanznot
des Reichs und der Linzelstaaten, wo auf allen Verwaltungs-
gebieten der Ruf nach Sparsamkeit erschallt, sollten wirt-
schaftliche Erwägungen gegen die unbeschränkte Herrschaft
der jetzigen Bauämter sprechen. Nach unsern Ermittlungen
verbrauchen die staatlichen und besonders die städtischen
Bauämter für die Ausarbeitung der Entwürfe ihrer Hoch-
bauten sowie für die gesamte Bauleitung weit höhere
Summen, als solche den Privatarchitekten für eine gleiche
Arbeitsleistung nach der gültigen Gebührenordnung zustehen
würden. Das scheint uns schon aus der vielfach üblichen
Ltatsaufstellung derBauverwaltungen hervorzugehen. Ueber-
raschend ist diese Beobachtung für niemand, der bedenkt,
wie schwierig die volle Ausnützung der Kräfte dieses kaum
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der Lage, gleich dem Privatarchitekten seine Hilfskräfte in
wirksamer, zur Erreichung der höchsten Leistungen erforder-
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brauchbarer Gehilfen fast niemals frei, da er mit festan-
gestellten Technikern zu arbeiten hat. Es ist daher unsere
sichere und wohlbegründete Ueberzeugung, daß der Staat
und die Gemeinden am allerbesten fahren würden, wenn
sie die Entwurfstätigkeit in weiterem Umfange als bisher
den Privatarchitekten überließen, wie das auch bei einzelnen
Verwaltungen noch mit Erfolg geschieht (so z. B. bei den
Staatsbauten des Königreichs Sachsen) und bei andern
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doch überall die Erkenntnis, daß unser Staatswesen unter
dem Anschwellen der Beamtenschaft leidet, und haben doch
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daß es an der Zeit fei, zu versuchen, aus dem Beamten-
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wir sind am Schluffe unserer Ausführungen, die nur
die Hauptpunkte berühren konnten, ohne auf wichtige
Fragen näher einzugehen, da sie nur von der Absicht ge-
leitet wurden, eine erste Anregung zu geben, sich mit
diesen bedenklichen Seiten des staatlichen und privaten
Bauwesens zu beschäftigen und die hier berührten Fragen
einer sorgfältigen unparteiischen Prüfung zu unterwerfen
zum Besten unserer vaterländischen Baukunst.
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Der Bund Deutscher Architekten (L. V).
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lllisskö jMigö öeilsgk, lilk MclM? IlllllLNsellli. Mikk slk. 22,
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Lücke möZIiebe NaturLnssebnitt? Von IKeockor
^Veckepobl. (Scblnss.) — Lrieke von vr. Lnss
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von K. L. — Neber krok. Ostvvalcks Nonnmentul-
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