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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/​1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.53853#0071
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XIII, heft 5.

Die Werkstatt der Runst.

5Z

wer gibt mir Superlative, daß ich meine Eindrücke
wirklich zu schildern vermag? Ich erinnere mich der über-
aus feinen Bildnisse von Hans Memling, und ich denke
mit zärtlicher Bewunderung an ein entzückendes kleines
Bild von Botticelli, das irgendeinen heiligen bei irgend-
einer Handlung darstellt. Deutlich steht auch vor mir ein
kleiner Kopf von Dirck Bouts, der wohl der schönste Kopf
dieses Meisters ist, den ich kenne, — ein alter Mann mit
einer Mütze, vermutlich sein Selbstporträt.
Alle diese herrlichen Schätze aber versanken ringsum,
wenn ich mein Auge auf die zwölf Rembrandts richtete,
unter denen unvergleichlich schöne Werke sich befinden!
Vor meiner Abreise fragte mich Altman, wie oft ich
wohl seine Sammlung besucht hätte. Als ich ihm sagte,
daß es wohl zwölfmal gewesen sein dürfte, und daß dies
die glücklichsten Stunden waren, die ich in Amerika zu-
gebracht habe, erzählte er mir, daß niemand anders so oft
seine Bilder hätte sehen dürfen, — und jedesmal, wenn
ich dort war, sprachen wir stets von den Rembrandts. Und
ich denke noch daran, wie wir vor dem Bilde der alten
Frau standen, die aus der Sammlung Rann in Altmans
Haus wanderte. Es ist eine häßliche alte Frau, die sich
die Nägel schneidet — und immer wieder suchten wir das
Merkwürdige zu ergründen: daß der Darstellung eines so
trivialen Vorgangs so viel erhabene, fast heilige Schönheit
entströmen könne, heute noch tönt mir die naive Frage
ins Ghr, die Benjamin Altman mir dann immer wieder-
holte:
„Dell me, pleuse, kovv it is tüat novv-u-days no
Printer paints lilce Rembrandt?" (Sagen Sie mir, wie
kommt es, daß heutzutage kein Maler mehr wie Rem-
brandt malt?)
In der „Frankfurter Zeitung" lesen wir:
Lin Brief vsn Ingres. In der französischen Stadt
Montauban (Departement Tarn et Garonne) wird dem-
nächst die feierliche Einweihung des Ingres-Museums statt-
finden, in dem alle Zeichnungen des Rünstlers, an die
viertausend, vereinigt und dauernd ausgestellt sein werden.
Ingres hatte sie seiner Vaterstadt im Jahre t86? (seinem
Todesjahre) vermacht; es vergingen indessen volle sechs-
undvierzig Jahre, bis für die Arbeiten des großen Zeichners
eine würdige Aufbewahrungsstätte geschaffen wurde, und
daß dies endlich geschah, ist vor allem den Bemühungen
seines Biographen Henry Laxauze zu danken. Ihm ver-
dankt man jetzt auch die Kenntnis einiger unbekannter
Briefe von Ingres. Wir geben aus der Publikation in der
letzten literarischen Beilage des „Figaro" die wesentlichsten
Stellen eines Briefes wieder, die interessante Streiflichter
auf die seelische Verfassung des damals innerlich recht ver-
einsamten Rünstlers werfen. Ingres schreibt:
„heute bin ich soweit, daß ich mit meinem Jahr-
hundert gebrochen habe, diesem unwissenden, dummen
und brutalen Zeitalter, das mit erschreckender Frechheit nur
Baalsgötzen beweihräuchert. Mehr als je flüchte ich mich
in den schönen und großen Rult der wahrhaft großen
Männer und ihrer Meisterwerke. Von nun ab wird
die Mitwelt von meinen Arbeiten nichts mehr zu sehen
bekommen. Ich will für niemanden mehr malen als für
mich; Grund genug, mich fester als je an die wahre Freund-
schaft, an den guten Geschmack und die herzliche Zu-
neigung der wenigen Freunde zu halten, die überdies so
ausgezeichnet sind, und deren Beifall mir doppelt wert und
ehrenvoll wird. Für die übrigen habe ich nur noch Ver-
achtung und brutale Gleichgültigkeit.
Seit zwei Monaten wohne ich hier (in Meung) in
der Einsamkeit mit meiner lieben Familie. Ich habe ziem-
lich gearbeitet, und jetzt habe ich eine Aquarellzeichnung
der „Geburt der Musen" gemacht für einen kleinen
griechischen Tempel, den Herr Hittorf für den Prinzen
Napoleon errichtet. Die letzte, Erato, entsteigt dem Schloß
der Mnemosyne; Jupiter ist gegenwärtig. Sie werden
sehen, was ich geschaffen habe, ich selber weiß weniger als
nichts davon . . . Ich sage Ihnen: als ich diese Zeichnung

machte, stand ich fast dauernd unter dem Eindruck der
göttlichen Sonaten des göttlichen Haydn, welche meine
Frau, zu meiner großen Ueberraschung, zwar laut, aber
sehr gut spielt, und die uns die langen Winterabende oft
erträglich zu machen bestimmt sind, wenn wir nicht mehr
bei unseren guten Freunden sein werden . . ."
Wir lesen in der „B. Z. am Mittag":
Fassa-enschniuck vsn Gesrg Aolbe. Die Ber
liner Architekten machen sich mehr und mehr die Mitarbeit
der hervorragenden einheimischen Bildhauer zunutze, und
das ist gut so. Der alte Gixskram der Karyatiden, Fan-
faren- und Girlandenengel, die man im Dutzend billiger
bekam, fcheint wenigstens in der Hauptsache aus dem Felde
geschlagen. Man sagt sich, entweder Ruhe und Bescheiden-
heit oder anständige Arbeit von Leuten, die das Zeug
dazu haben. So wurde Hugo Lederer gebeten, die Porträt-
reliefs am Hause des Vereins deutscher Ingenieure an der
Ecke der Sommer- und Dorotheenstraße zu modellieren. So
erhielt nun Georg Kolbe den Auftrag zu den Skulpturen
des neuen Wohnhauses an der Ecke der Hardenberg- und
Schillerstraße in Lharlottenburg.
hierbei aber scheint ein prinzipielles Wort am Platze.
Das genannte Eckhaus ist zunächst insofern ein merkwür-
diger Bau, als der Grundriß und die ganze Innenanord-
nung von einem anderen Architekten stammen als die
Fassade! Jene hat der Baumeister Artur vogdt, diese
Bruno Taut entworfen und ausgeführt. Daß ein solches
vorgehen kaum zu einer einheitlichen Lösung führen kann,
braucht nicht erst ausgeführt zu werden. Aber auch für
sich genommen ist Tauts Leistung für alle die, die nach
dem glänzenden Wurf dieses Architekten: dem „Monument
des Eisens" auf der Leipziger Baufachausstellung, be-
sondere Hoffnungen auf ihn setzten, eine arge Enttäuschung.
Die störende Einfügung der Trexpenhausfenster in die
Front nach der Hardenbergstraße, die ganze Gliederung
der Stockwerke, zumal aber die seltsamen, weichen Linien
der Fensterumrahmungen wirken so befremdend, daß der
Eindruck anderer, gelungener Details zurückgedrängt wird.
Kolbes Figuren jedoch, die an den Fenstern des obersten
Geschosses angebracht wurden, sind hier im Grunde höchst
„unangebracht". Ls sind an sich vorzügliche Arbeiten,
schlanke Frauengestalten von ungemein reizvoller Bildung
und feinem Umriß, durchaus Werke, die ihre Meister loben.
Aber da oben sind sie vollkommen fehl am Ort. Derartige
Zier muß sich unbedingt architektonischen Gesetzen unter-
ordnen, sie darf unter keinen Umständen als selbständige,
aus dem Rahmen fallende Ligenangelegenheit auftreten.
Wenn wir unserem Straßenbilde endlich die verlorene Ge-
schlossenheit zurückgeben wollen, sind solche Entgleisungen
aufs strengste zu meiden, hier heißt es, mit allem Nach-
druck das verkehrte zurückweisen.
wir lesen in der „Kölnischen Zeitung":
Die Malerei -er Tsne, Geräusche und Gerüche.
Aus Mailand wird uns vom 8. Oktober geschrieben: Wer
den Lorso Venezia entlang geht, jene breite Straße, die
von der altertümlichen Kirche San Babila nach Nordosten
führt, bemerkt zur Linken einen auffallenden Rohziegelbau
mit Terrakottaornamenten, mit einer symbolischen Giebel-
gruppe und mit zwei Bronzetüren, die Szenen aus Gari-
baldis Leben wiedergeben. Ls ist der Palazzo Liani, dessen
Architekt von der Absicht beseelt war, die glorreiche Zeit
der nationalen Auferstehung durch sein Bauwerk zu ver-
herrlichen. Der Wille war gut, die Ausführung folgte
aber nicht der interessanten Idee. In diesem Hause, das
die Kunst der Vergangenheit wenig sympathisch vertritt,
hat der italienische Futurismus seinen Wohnsitz aufge-
schlagen. hier befinden sich die Räume, in denen Mari-
netti, sein Begründer, schaltet und waltet und mit seinem
Generalstab von Dichtern, Musikern, Malern und Bild-
hauern jene Kundgebungen vorbereitet, die dann wie
Brandfackeln in die Welt hinausgeschleudert werden und
das Kopfschütteln jener nach Ansicht der Zukünftler so be-
 
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