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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/​1914

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Die Werkstatt der Runst.

XIII, Heft 5.

dauernswerten Menschen erregen, die sich für die über-
stiegenen Theorien, die vom Palazzo Tiani aus verbreitet
werden, nicht erwärmen können. Der jüngste Aufruf, den
die Zukünftler ausgeheckt haben, führt den jedenfalls ori-
ginellen Titel „Die Malerei der Töne, Geräusche und Ge-
rüche". Man glaube aber ja nicht, daß es sich vielleicht
um eine Abart der Musik handle. Lin Maler — T. D.
Tarrs, heißt er — hat das drei Seiten lange Manifest
unterzeichnet, in welchem natürlich zuerst aller Art der bis-
her geübten Malerei der Krieg erklärt wird. Sogar die
Impressionisten der vorgeschrittensten Richtung finden in
den Augen des Herrn Tarra keine Gnade, weil auch sie
in die Gleichgewichtslehre zurückgefallen feien. Erst dem
Futurismus fei es vorbehalten gewesen, wie er die Ein-
bildungskraft ohne Schranken, die Freiheit des Wortge-
brauches, die systematische Verwendung der Klangnach-
ahmungen, die anmutwidrige Musik ohne rhythmische
Gliederung und die Kunst der Geräusche geschaffen habe,
die Malerei der Töne, Geräusche und Gerüche zu zeugen.
Man ist nunmehr natürlich sehr gespannt, mit was für
Mitteln diese neueste Art der Malerei arbeitet, um in dem
Betrachter der Gemälde Gehörs- und Geruchsempsinduugen
hervorzurufen, und lauscht mit Spannung der Beantwor-
tung der rhetorischen Frage: „was will die Malerei der
Töne, Geräusche und Gerüche?" Da heißt es als erster
Punkt der Antwort: „Sie will das Rot, das Rrrrooottt,
das ganz RRRRRRRGGODOOOTTTTTTT, das
schreieieieit." Man greift sich an den Kopf und liest
weiter: „Sie will die grünen Töne, das niemals genug
lebhafte Grün, die allerallerallergrünsten Farben, die quieken
und kreischen, die schnarren und gellen. Sie liebt aber
auch das Gelb, das nie genug hervorplatzen kann: das
Gelb des Maisbreis, das Gelb des Safrans, das Messing-
gelb." Aber damit ist diese Farbenskala der Malerei der
Töne, Geräusche und Gerüche noch nicht beendet. Denn
Punkt 3 lautet: „Sie will alle Farben der Schnelligkeit,
der Freude, der Schwelgerei, des Karnevals, des Feuer-
werks, der Lafe Lhantants, kurz alle Farben, die in der
Zeit und nicht im Raum als Bewegung gefühlt werden."
Aber wir erfahren auch ziemlich viel über die Formen
dieser neuen Kunst. Sie will die dynamische Arabeske,
den Zusammenstoß aller spitzen Winkel, die schrägen
Linien, die wirbelnde Ellipse, den umgestürzten Kegel und
die Spirale. Sie will die Fortdauer und Gleichzeitigkeit
der bildhauerischen Erhabenheiten des Pflanzen- und Tier-
reichs, den bildhauerischen Rückschlag, der nicht dem Ge-
sehenen, sondern den Eindrücken des Ghres und der Nase
entspricht, wer diesen Schwulst von Ausdrücken, bei denen
man sich nur schwer etwas denken kann, nicht versteht, dem
gibt Herr Tarra einige etwas sinnenfälligere Sätze zum
besten. Er verkündet nämlich: „wir Zukunftsmaler be-
haupten, daß die Töne, Geräusche und Gerüche sich in
Linien verkörpern lassen. Unsere Gemälde werden daher
die entsprechenden Darstellungen der Töne, Geräusche und
Gerüche des Theaters, der Musikhallen, des Freudenhauses,
der Bahnhöfe, der Häfen, der Krankenhäuser, der Werk-
stätten ausdrücken. Vom Gesichtspunkt der Form aus be-
trachtet gibt es konvexe und konkave, dreieckige, elliptische,
längliche, kegelförmige und andere Geräusche und Gerüche,
vom Standpunkt des Gesichtssinnes aus kann man gelbe,
rote, grüne, licht- und dunkelblaue und violette Töne, Ge-
räusche und Gerüche unterscheiden. Auf den Bahnhöfen,
in den Werkstätten, in der Arbeits- und Sportwelt sind die
Töne, Geräusche und Gerüche vorwiegend rot, in den
Restaurants und Kaffeehäusern silberweiß, gelb und violett,
jene der Tiere sind gelb und dunkelblau, jene der Frauen
grün, lichtblau und violett. Die Gerüche allein können in
unserm Geiste solche Schnörkel und Farben erzeugen, daß
"die Notwendigkeit entsteht, ein Bild zu malen, wenn wir
uns in ein finsteres Zimmer sperren, wo sich Blumen,
Benzin und andere stark riechende Stoffe befinden, so
scheidet unser schöpferischer Sinn nach und nach die Er-
innerungseindrücke aus und bildet etwas Neues, das der
Beschaffenheit der betreffenden Gerüche vollkommen ent-
spricht." Zum Schluß weist Herr Tarra auf einige bereits

bestehende Gemälde hin, die er, Boccioni, Russolo und
Severini geschaffen hätten, und verkündet zu guter Letzt
den Rat, daß der Maler der Töne, Geräusche und Gerüche
malen müsse wie die Betrunkenen, die singen und sich
übergeben. Ls ist zu befürchten, daß selbst diese wohl-
gemeinte Anregung das Verständnis der Malerei der Töne,
Geräusche und Gerüche nicht namhaft fördern werde. Ich
erhoffe mir etwas Klarheit von der Betrachtung der Bilder
der genannten vier Maler. Sobald ich bei der Betrachtung
Töne und Geräusche gehört und Düfte und Gestänke ge-
rochen haben werde, soll es meine heilige Berichterstatter-
pflicht sein, die freundlichen Leser über diese neueste Er-
findung der Zukünftler des weitern aufzuklären.
Dem „Berliner Tageblatt" wird aus London
geschrieben:
Alte spanische Meister. Line Sonderausstellung
von seltenem künstlerischen Reiz ist den Winter über in
den Grafton Galleries zu sehen. Sie besteht aus t93 Bil-
dern und umfaßt sechs Jahrhunderte spanischer Kunst. Die
Kenner wissen, welche unschätzbaren Kunstwerte in den
englischen Privatgalerien aufgehäuft sind. Aber sie sind
leider weit verstreut und schwer zugänglich oder überhaupt
nicht zu sehen. Seit geraumer Zeit besteht nun unter
kunstfreudigen Leuten die Meinung, das eine Ausstellung
der Bilder spanischer Meister, die in englischen Händen
sind, sich wohl lohnen würde. Und so bildete sich mit dem
König an der Spitze ein Ausschuß, zu dem der spanische
Botschafter Merry del Val, der Herzog von Wellington,
der Marquis Villa Urrutia uud der englische Botschafter
in Madrid gehören, und dem es gelungen ist, diese Fülle
alter spanischer Bilder zusammenzubringen. Drei der
reichsten spanischen Sammlungen, nämlich die des Bowes-
Museums in Barnard Tastle in Nordostengland, die des
verstorbenen Sir William Stirling Maxwell und die Galerie
in Doughty House in Richmond, die Sir Frederick Look
gehört, sind fast vollständig vertreten. Der König hat aus
dem Buckingham-Palast hergeliehen, und Vr. Tarvallo, der
Herzog von Wellington, Sir Francis Beaufort Palmer
haben ihre Galerien ebenfalls geplündert.
Die Ausstellung beginnt mit den spanischen Primitiven,
von denen ein Altarbild der katalanischen Schule aus dem
Jahre ^250 datiert ist, und bringt Werke von sechzig spa-
nischen Meistern. Besonders zahlreich sind die Bilder von
Alonso Sanchez Toello, El Greco, Murillo, valdes Leal,
velasquez und Goya, was für den Geschmack der alten
englischen Sammler ein glänzendes Zeugnis ablegt. Mu-
rillo war ihr besonderer Liebling. Und auch eins jener
elf Klosterbilder, die Murillo für die Franziskaner von
Sevilla malte und die den Namen des bis dahin ziemlich
unbekannten Meisters mit einem Schlage weltberühmt
machten, ist in englischen Händen, gehört dem Kapitän
Ford und kann in der Grafton-Galerie gesehen werden.
Line sehr große Anzahl namentlich der frühen spanischen
Bilder ist überhaupt noch niemals öffentlich ausgestellt ge-
wesen, was den Reiz dieser unvergleichlichen Zusammen-
stellung nur noch erhöht, die der Besucher mit einem immer
steigenden Entzücken durchwandert. Leider hat die Zeit
ihre dunklen Schatten über vielleicht gerade die schönsten
Kunstwerke geworfen. Schließlich ist als eine strahlende
Krönung des Ganzen ein halbes Dutzend Bilder des leiden-
schaftsprühenden Goya zu erwähnen. Man sehe nur das
Porträt der mit Goya eng befreundeten Herzogin Alba,
das die ältere Lady wernher aus ihrem Kunstschatz her-
geliehen hat. Den ganzen Saal erfüllt es mit warmer
Lebensfreude!
Unsökö Auligk öeilsge. llie Mulm? iMsMetm. Mte? ki?. 3,
trat tollenden Inllalt: Nilcroslcopiselle Vntersueüun-
Aen üder die in den versetnedenen Kunstperi-
oden der lVlalerei verwendeten KardstoKe. Von
krol. Vr. K. Raelllmann in Weimar. (a.Kortsetsnn^.)
— Kille neue Nalmetllode. Von Or. pknl. O. tWcller-
mann. sKortset^nnA.) — ?. Laurie üder das Van
Lycd-Nedium. Mt^et. von L. U. — Uüekeran^eiZe.
 
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