Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/1914
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DOI Artikel:Rosenhagen, Hans: Kunstsnobismus
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Die Werkstatt der Kunst.
XIII, heft 8.
98
denen sich Mitglieder der Verbindung befinden, ausgestellt.
Nach diesem Umlaufe, der gegenwärtig etwa 8 Jahre
dauert, werden sie unter die Verbindungsmitglieder verlost.
Für die Leipziger Ausstellung werden zum Ankäufe etwa
50 000 Mk. zur Verfügung stehen.
wenn die Verbindung auch Bilder historischen In-
haltes bevorzugt, so wird doch die «Dualität des Kunst-
werkes das Ausschlaggebende für sie fein. Sie wird dem
im Laufe der Jahre eingetretenen Wandel in der künstle-
rischen Produktion Rechnung tragen und jedes ideale
Streben auf dem Gebiete der Malerei fördern, ideal nicht
sowohl dem Gegenstände, als der Auffassung des Gegen-
standes nach.
Sie wendet sich daher an die deutsche Künstlerschaft
mit der Bitte, ihr in Leipzig Gemälde vorzulegen, die
über das Alltägliche hinausragen und einen monumentalen
Charakter haben. Monumental soll vor allem die Auf-
fassung, die Technik und die Vortragsweise sein.
Künstler, die derartige Werke einsenden wollen, wer-
den gebeten, diese unter Nennung des Titels, der Größe
und des Preises bis zum Dezember d. I. bei der Ge-
schäftsstelle der Verbindung in der Königlichen National-
galerie zu Berlin L 2 anzumelden. Im Laufe des Monats
Dezember wird alsdann eine Prüfung durch Vertrauens-
männer stattfinden, nach deren Bericht eventuell im Monat
Januar k. I. die Einladung zur Ausstellung in Leipzig
erfolgen wird. Die Transportkosten für Hin- und event.
Rückfracht der Kunstwerke trägt im Falle der Einladung
die Verbindung.
Auskunft w KechttZngelegenhetten.
Der Syndikus der „Allgemein en Deutsch en Kunst-
genossenschaftIHerr Rechtsanw allvr. FriedrichRothe
in Berlin VV, Jägerstraße 20/IH, erteilt den Mitgliedern
kostenlos Auskunft in Rechtsangelegenheiten, die die beruf-
lichen Interessen der Mitglieder betreffen. (Sprechstunden
täglich, mit Ausnahme des Donnerstag und Sonnabend, von
qI/, bis 6 Uhr.) Gesuche um Raterteilung werden, unter
Beifügung von möglichst vollständigem Beweismaterial,
anr besten schriftlich, — entweder direkt bei Herrn
Or. Rothe oder durch die Vermittelung der Schriftleitung
der „Werkstatt der Kunst" eingereicht.
Redaktioneller Teil.
Kunktsnobismos
von Hans Rosenhagen.*)
Zwischen den Vorstellungen der gebildeten All-
gemeinheit von Kunst und dem, was die voranschrei-
tenden Künstler Neues wollen und machen, gähnt
seit alters her eine gewaltige Kluft. Über diesen Zu-
stand ist oft geklagt worden, obwohl er im Grunde
ganz natürlich ist,- denn was hätte der Künstler vor
dem Laien voraus, sähe er die Natur nicht mit anderen
und schärferen Augen als dieser, reagierte seine Emp-
findung auf den wechsel der Zeitbestimmungen nicht
feiner als die des großen Publikums! Liegt es doch
im Charakter der Masse, daß sie das Wesen oder die
Größe einer Zeit oder bedeutender Menschen immer
erst spürt, wenn diese vom Schauplatz abgetreten
sind und jene vergangen ist. Diese alte Erfahrung
scheint jetzt mit einem Male nicht mehr zuzutreffen,
wenigstens soweit sie die Künstler betrifft. Es gibt
heut keine noch so extreme Kunstäußerung, die nicht
anerkannt würde, keinen noch so unverständlichen
Künstler, der nicht seine Gemeinde fände. Sind nun
die Menschen duldsamer oder klüger geworden, oder
hat die allgemeine Geschmackskultur so ungeheure
Fortschritte gemacht? Nichts von alledem ist ein-
getreten,- aber es ist einem kleinen Kreise von Snobs
gelungen, eine Neihe von Kunstfachmännern und
Liebhabern ins Bockshorn zu jagen und sie glauben
zu machen, daß der höchste Grad von Kunstverständnis
und Kennerschaft darin bestände, nicht mehr zwischen
Gut und Schlecht zu unterscheiden, sondern alles anzu-
erkennen, was sich im Gegensatz zu den bisher gültig
gewesenen Kunstanschauungen befindet. Künstlerisch
sei eben alles, was ungewöhnlich ist und dem Philister
*) Mit gütiger Erlaubnis von Verlag und Redaktion
abgedruckt aus der von Karl Rosner herausgegebenen
Lottaschen Zeitschrift „Der Greif".
eine Gänsehaut über den Rücken jagt,- für moderne
Menschen gehöre eine moderne Kunst, und man habe
sich aller der Künstler in Liebe anzunehmen, die be-
strebt seien, ihre Empfindungen in einer Form zu
geben, die von dem Oagewesenen möglichst abweicht.
Besonders starken Glauben fanden die Snobs bei
einigen jüngeren Museumsleitern, die von der alten
Kunst oder gar von der Archäologie herkamen und ihr
mangelndes Unterscheidungsvermögen gegenüber der
modernen Produktion ausgezeichnet dadurch zu ver-
bergen vermochten, daß sie einfach alles, auch das
verrückteste, gelten ließen, und ihren inneren Beruf
zur Anlegung moderner Galerien meistens auf die
weise bekräftigten, daß sie um die beste deutsche Kunst
sich so wenig wie möglich kümmerten, dafür aber reich-
lich französische Bilder von oft höchst fragwürdiger
Qualität für die ihnen unterstellten Sammlungen er-
warben. Diese Galeriedirektoren genießen für ihre
Bereitwilligkeit, jeden Wink der Snobs und jedes
ihnen angebotene französische Bild dankbar aufzu-
nehmen, das hohe Glück, von ihren Gönnern als Pio-
niere des Fortschritts, als Kenner ersten Ranges ge-
feiert zu werden, wie die Nachwelt, ja vielleicht schon
die kommende Generation die Wirksamkeit dieser
ihres Volkes Besitz und Ehre so schlecht hütenden
„genialen" Museumsleiter beurteilen wird, kann kaum
zweifelhaft sein. Und den Schaden haben nicht nur
die betreffenden Museen, sondern auch viele Sammler,
die im vertrauen auf das höhere Verständnis von
Galeriedirektoren jenen Dienern der Snobs nachkaufen
und Dinge erwerben, deren Unwert sich mit tödlicher
Sicherheit binnen weniger Jahre Herausstellen muß.
Ganz abgesehen davon, daß durch ihre Ankäufe auch
der Schein erweckt wird, als genösse die Masse von
unfähigen Malern und Bildhauern, die mit ihren
XIII, heft 8.
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denen sich Mitglieder der Verbindung befinden, ausgestellt.
Nach diesem Umlaufe, der gegenwärtig etwa 8 Jahre
dauert, werden sie unter die Verbindungsmitglieder verlost.
Für die Leipziger Ausstellung werden zum Ankäufe etwa
50 000 Mk. zur Verfügung stehen.
wenn die Verbindung auch Bilder historischen In-
haltes bevorzugt, so wird doch die «Dualität des Kunst-
werkes das Ausschlaggebende für sie fein. Sie wird dem
im Laufe der Jahre eingetretenen Wandel in der künstle-
rischen Produktion Rechnung tragen und jedes ideale
Streben auf dem Gebiete der Malerei fördern, ideal nicht
sowohl dem Gegenstände, als der Auffassung des Gegen-
standes nach.
Sie wendet sich daher an die deutsche Künstlerschaft
mit der Bitte, ihr in Leipzig Gemälde vorzulegen, die
über das Alltägliche hinausragen und einen monumentalen
Charakter haben. Monumental soll vor allem die Auf-
fassung, die Technik und die Vortragsweise sein.
Künstler, die derartige Werke einsenden wollen, wer-
den gebeten, diese unter Nennung des Titels, der Größe
und des Preises bis zum Dezember d. I. bei der Ge-
schäftsstelle der Verbindung in der Königlichen National-
galerie zu Berlin L 2 anzumelden. Im Laufe des Monats
Dezember wird alsdann eine Prüfung durch Vertrauens-
männer stattfinden, nach deren Bericht eventuell im Monat
Januar k. I. die Einladung zur Ausstellung in Leipzig
erfolgen wird. Die Transportkosten für Hin- und event.
Rückfracht der Kunstwerke trägt im Falle der Einladung
die Verbindung.
Auskunft w KechttZngelegenhetten.
Der Syndikus der „Allgemein en Deutsch en Kunst-
genossenschaftIHerr Rechtsanw allvr. FriedrichRothe
in Berlin VV, Jägerstraße 20/IH, erteilt den Mitgliedern
kostenlos Auskunft in Rechtsangelegenheiten, die die beruf-
lichen Interessen der Mitglieder betreffen. (Sprechstunden
täglich, mit Ausnahme des Donnerstag und Sonnabend, von
qI/, bis 6 Uhr.) Gesuche um Raterteilung werden, unter
Beifügung von möglichst vollständigem Beweismaterial,
anr besten schriftlich, — entweder direkt bei Herrn
Or. Rothe oder durch die Vermittelung der Schriftleitung
der „Werkstatt der Kunst" eingereicht.
Redaktioneller Teil.
Kunktsnobismos
von Hans Rosenhagen.*)
Zwischen den Vorstellungen der gebildeten All-
gemeinheit von Kunst und dem, was die voranschrei-
tenden Künstler Neues wollen und machen, gähnt
seit alters her eine gewaltige Kluft. Über diesen Zu-
stand ist oft geklagt worden, obwohl er im Grunde
ganz natürlich ist,- denn was hätte der Künstler vor
dem Laien voraus, sähe er die Natur nicht mit anderen
und schärferen Augen als dieser, reagierte seine Emp-
findung auf den wechsel der Zeitbestimmungen nicht
feiner als die des großen Publikums! Liegt es doch
im Charakter der Masse, daß sie das Wesen oder die
Größe einer Zeit oder bedeutender Menschen immer
erst spürt, wenn diese vom Schauplatz abgetreten
sind und jene vergangen ist. Diese alte Erfahrung
scheint jetzt mit einem Male nicht mehr zuzutreffen,
wenigstens soweit sie die Künstler betrifft. Es gibt
heut keine noch so extreme Kunstäußerung, die nicht
anerkannt würde, keinen noch so unverständlichen
Künstler, der nicht seine Gemeinde fände. Sind nun
die Menschen duldsamer oder klüger geworden, oder
hat die allgemeine Geschmackskultur so ungeheure
Fortschritte gemacht? Nichts von alledem ist ein-
getreten,- aber es ist einem kleinen Kreise von Snobs
gelungen, eine Neihe von Kunstfachmännern und
Liebhabern ins Bockshorn zu jagen und sie glauben
zu machen, daß der höchste Grad von Kunstverständnis
und Kennerschaft darin bestände, nicht mehr zwischen
Gut und Schlecht zu unterscheiden, sondern alles anzu-
erkennen, was sich im Gegensatz zu den bisher gültig
gewesenen Kunstanschauungen befindet. Künstlerisch
sei eben alles, was ungewöhnlich ist und dem Philister
*) Mit gütiger Erlaubnis von Verlag und Redaktion
abgedruckt aus der von Karl Rosner herausgegebenen
Lottaschen Zeitschrift „Der Greif".
eine Gänsehaut über den Rücken jagt,- für moderne
Menschen gehöre eine moderne Kunst, und man habe
sich aller der Künstler in Liebe anzunehmen, die be-
strebt seien, ihre Empfindungen in einer Form zu
geben, die von dem Oagewesenen möglichst abweicht.
Besonders starken Glauben fanden die Snobs bei
einigen jüngeren Museumsleitern, die von der alten
Kunst oder gar von der Archäologie herkamen und ihr
mangelndes Unterscheidungsvermögen gegenüber der
modernen Produktion ausgezeichnet dadurch zu ver-
bergen vermochten, daß sie einfach alles, auch das
verrückteste, gelten ließen, und ihren inneren Beruf
zur Anlegung moderner Galerien meistens auf die
weise bekräftigten, daß sie um die beste deutsche Kunst
sich so wenig wie möglich kümmerten, dafür aber reich-
lich französische Bilder von oft höchst fragwürdiger
Qualität für die ihnen unterstellten Sammlungen er-
warben. Diese Galeriedirektoren genießen für ihre
Bereitwilligkeit, jeden Wink der Snobs und jedes
ihnen angebotene französische Bild dankbar aufzu-
nehmen, das hohe Glück, von ihren Gönnern als Pio-
niere des Fortschritts, als Kenner ersten Ranges ge-
feiert zu werden, wie die Nachwelt, ja vielleicht schon
die kommende Generation die Wirksamkeit dieser
ihres Volkes Besitz und Ehre so schlecht hütenden
„genialen" Museumsleiter beurteilen wird, kann kaum
zweifelhaft sein. Und den Schaden haben nicht nur
die betreffenden Museen, sondern auch viele Sammler,
die im vertrauen auf das höhere Verständnis von
Galeriedirektoren jenen Dienern der Snobs nachkaufen
und Dinge erwerben, deren Unwert sich mit tödlicher
Sicherheit binnen weniger Jahre Herausstellen muß.
Ganz abgesehen davon, daß durch ihre Ankäufe auch
der Schein erweckt wird, als genösse die Masse von
unfähigen Malern und Bildhauern, die mit ihren