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Die Werkstatt der Runst.
XIII, Heft 1(8.
kennen und die ihm genehme Auswahl zu treffen.
Das ist um so eher möglich, als es sich bei der
Auswahl, die das Publikum vornimmt, ja nicht,
wie bei den Jurys darum handelt, einen allgemein
gültigen Maßstab auszustellen, was eine Anmaßung
ist, sondern um eine ganz individuelle Auswahl zum
individuellen Gebrauch. Zudem ist bei der Viel-
köpsigkeit des Publikums an ersten die Möglichkeit ge-
geben, daß eine jede Rünstlerindividualität dort ein ihm
entsprechendes, ihn verstehendes Individuum findet
Das wollen, wem: ich sie recht verstehe, auch
die „Iuryfreien" und ich gebe ihnen hierin völlig
recht. Die Einrichtung der Jurys, der anfangs ge-
wiß mehr Berechtigung zugrundelag, hat sich zum
mindesten in ihrer jetzigen Form, überlebt. Sie
scheidet das Außergewöhnliche, sowohl nach unten
wie nach oben aus und züchtet das Mittelmaß. Die
Runst aber lebt nicht von diesem, sondern vom außer-
gewöhnlich Guten. Zum Erkennen und Ausscheiden
des außergewöhnlich Schlechten, das man heute üb-
rigens auch in mancher jurierten Ausstellung findet,
braucht man nur gesunden Menschenverstand und
diesen dem Publikum nicht zutrauen, hieße beleidi-
gen. Somit hieße die einzige Jury, die die Runst
anerkennen kann: Die Gesamtheit der Rulturträger
eines Volkes, die selbst eine fließende, sich stets er-
neuernde ist und durch diesen, sich in die Zukunft
vorwärtsbewegenden Wechsel die letzte Richterin, die
Zeit. Vollrrnann.
Lezllmgssckau
In der „München-Augsburger Abendzeitung"
vom 13. Januar lesen wir:
Generaldirektor Kritz Schwartz -fi.
Ein schwerer Verlust hat den Verlag der „München-
Augsburger Abendzeitung" betroffen, in der vergangenen
Nacht nach 9 Uhr ist Herr Generaldirektor Fritz Schwartz
gestorben, nachdem ihn am Donnerstag eine schwere
Lähmung befallen hatte.
Der nun Entschlafene war geboren zu Altenxlathow
in der Mark Brandenburg am 23. August 1856. Nach
Besuch der Universitäten Berlin und Leipzig widmete er
sich dem Buchhandel. Am 15. Oktober 1880 trat er beim
Bruckmannschen Verlage ein. hier begründete er die
„Runst für Alle", die heute so berühmte Runstzeitschrift,
mit der er ganz neue Wege in der Runstliteratur beschritt.
Ursprünglich als deren Redakteur tätig, war er seit fünf-
zehn Jahren deren Herausgeber. Mit einer ganz hervor-
ragenden Geschäftstüchtigkeit und souveränen Beherrschung
seines Arbeitsgebietes ausgerüstet, erweiterte er das Feld
seiner Tätigkeit allmählich so, daß er im Verein mit den
besten Mitarbeitern den Kunstverlag F. Bruckmann A.-G.
und die damit verbundene Photographische Union zu einem
der ersten der Welt zu machen wußte. Fritz Schwartz ver-
band mit einem hervorragenden, sicheren Kunstsinn und
Geschmack einen eigenartigen Spürsinn für verborgene
Perlen der Kunst, der ihm beispielsweise in der Suche
nach Werken Böcklins die glücklichsten Funde bescherte.
Ausgezeichnet unterrichtet auf dem Gebiete des photo-
graphischen Verlagsrechtes, hat er auch hier verdienstlich
gewirkt und ist wiederholt den gesetzgeberischen Faktoren
im Reich beratend an die Hand gegangen. Eminenter
Tätigkeitsdrang und stärkste Arbeitskraft standen ihm zu
Gebote und halfen ihm jene Erfolge schaffen, die heute
als sein Werk glänzend dastehen, und die ihm die dauernde,
dankerfüllte Erinnerung seines Hauses sichern. Mit tiefster
Trauer blicken heute alle, die ihm beruflich nahe standen
und mit ihm arbeiteten, auf den allzufrühen, jähen Ab-
bruch dieses reichen Lebens hin.
von I892 ab gehörte Fritz Schwartz als Direktor dem
Vorstande der F. Bruckmann A.-G. an und seit dem Jahre
1909 stand er als Generaldirektor an der Spitze des ge-
samten Unternehmens.
Line treubesorgte Gattin, mit der er über 25 Jahre
verbunden war, verliert in ihm den allzeit herzlichen, liebe-
vollen Lebensgefährten. Seinen zahlreichen Freunden in
der Münchener Gesellschaft war er ungemein wert wegen
seines überaus verbindlichen, zu Rat und freundlicher Hilfe-
leistung stets bereiten Wesens.
Die Leiche des Entschlafenen wird Donnerstag nach-
mittag 2 Uhr vom Schwabinger Friedhöfe zur Feuer-
bestattung nach Ulm überführt.
In der „Zittauer Morgenzeitung" lesen wir:
Lin Schwindel mit „Gelbildern" wird seit einiger
Zeit in der Lausitz ausgeführt. Dort suchen sogenannte
„akademische Kunstmaler" aus Berlin besonders Guts-
besitzer heim. Sie erzählen, sie gäben im Auftrage einer
angesehenen Gesellschaft ein großes landwirtschaftliches
Werk für eine Ausstellung heraus; in dieses Werk fänden
nur die schönsten Güter Aufnahme. Gleichzeitig wird den
betreffenden Gutsbesitzern, um sie sicher zu machen, ein
Fragebogen vorgelegt, worin Angaben über die Anzahl der
zum Gute gehörigen Felder, Wälder, wiesen, Pferde, Rinder
usw. verlangt werden. Die Besitzer fühlen sich oft dadurch,
daß gerade ihr Gut als eines der schönsten in dem „be-
deutenden" Werk Aufnahme finden soll, sehr geschmeichelt.
Sie füllen den Fragebogen aus und erteilen dann gewöhn-
lich noch dem „Kunstmaler" Auftrag auf ein Velbild des
Gutes zum Preise von HO—100 Mk. von dem Preise ist
ein erheblicher Teil sofort zu bezahlen. Darauf ist es nur
abgesehen. Lin Werk erscheint überhaupt nicht, und wenn
ein Bild tatsächlich geliefert wird, so stellt es sich als ein
völlig wertloses Machwerk, eine mit Anilinfarben
schlecht kolorierte Photographie heraus. Es sei daher vor
diesem neuesten Trick nachdrücklichst gewarnt.
In der „Neuen Freien Presse" lesen wir:
Or. Gustav Glück erhielt den Titel und Charakter
eines Direktors der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien.
Direktor Glück ist ein hervorragender Schüler wickhoffs;
er hat auch bei Justi und Thode gearbeitet. Zum ersten-
mal übernimmt ein Kunsthistoriker von Ruf die Leitung
der kaiserlichen Gemäldegalerie, deren Direktion bisher
Künstler innehatten, vorGlückder Historienmalern.Lngerth
und der noch in voller Frische tätige Landschafter S ch äffer.
Der Kunstkenner hatte bisher neben dem Maler die zweite
Rolle zu spielen; nunmehr rückt er an die erste Stelle.
Or. Glücks bisherige Arbeiten zeichnen sich durch große
Sachkenntnis und selbständige, oft originelle Auffassung
aus. Seine große Monographie über die Wiener Bilder
Peter Breughels des Aelteren hat sich die Anerkennung
aller Fachmänner erworben; seine Publikation über Schon-
gauer, die anläßlich der Rückkehr eines wichtigen Werkes
dieses Meisters nach Wien entstanden ist, charakterisiert die
Stellung Glücks im wiener Kunstleben. Alle österreichischen
Sammler schätzen ihn als liebenswürdigen Führer und
Berater. Auch einige Erwerbungen aus den letzten Jahren
für die kaiserliche Gemäldegalerie beweisen eine glückliche
Hand. Das größte Verdienst hat er sich mit der Neuauf-
stellung der Gemäldegalerie erworben, in der bisher viele
Meister, wie zum Beispiel die Bassanos, durch die Zahl
ihrer Werke imponierten oder imponieren sollten. Er hat
es verstanden, auch in den großen, allzugroßen Oberlicht-
sälen intimere Bildwirkungen zu erzielen. In den Seiten-
lichtkabinetten hat er die führenden Meister, Raffael und
Die Werkstatt der Runst.
XIII, Heft 1(8.
kennen und die ihm genehme Auswahl zu treffen.
Das ist um so eher möglich, als es sich bei der
Auswahl, die das Publikum vornimmt, ja nicht,
wie bei den Jurys darum handelt, einen allgemein
gültigen Maßstab auszustellen, was eine Anmaßung
ist, sondern um eine ganz individuelle Auswahl zum
individuellen Gebrauch. Zudem ist bei der Viel-
köpsigkeit des Publikums an ersten die Möglichkeit ge-
geben, daß eine jede Rünstlerindividualität dort ein ihm
entsprechendes, ihn verstehendes Individuum findet
Das wollen, wem: ich sie recht verstehe, auch
die „Iuryfreien" und ich gebe ihnen hierin völlig
recht. Die Einrichtung der Jurys, der anfangs ge-
wiß mehr Berechtigung zugrundelag, hat sich zum
mindesten in ihrer jetzigen Form, überlebt. Sie
scheidet das Außergewöhnliche, sowohl nach unten
wie nach oben aus und züchtet das Mittelmaß. Die
Runst aber lebt nicht von diesem, sondern vom außer-
gewöhnlich Guten. Zum Erkennen und Ausscheiden
des außergewöhnlich Schlechten, das man heute üb-
rigens auch in mancher jurierten Ausstellung findet,
braucht man nur gesunden Menschenverstand und
diesen dem Publikum nicht zutrauen, hieße beleidi-
gen. Somit hieße die einzige Jury, die die Runst
anerkennen kann: Die Gesamtheit der Rulturträger
eines Volkes, die selbst eine fließende, sich stets er-
neuernde ist und durch diesen, sich in die Zukunft
vorwärtsbewegenden Wechsel die letzte Richterin, die
Zeit. Vollrrnann.
Lezllmgssckau
In der „München-Augsburger Abendzeitung"
vom 13. Januar lesen wir:
Generaldirektor Kritz Schwartz -fi.
Ein schwerer Verlust hat den Verlag der „München-
Augsburger Abendzeitung" betroffen, in der vergangenen
Nacht nach 9 Uhr ist Herr Generaldirektor Fritz Schwartz
gestorben, nachdem ihn am Donnerstag eine schwere
Lähmung befallen hatte.
Der nun Entschlafene war geboren zu Altenxlathow
in der Mark Brandenburg am 23. August 1856. Nach
Besuch der Universitäten Berlin und Leipzig widmete er
sich dem Buchhandel. Am 15. Oktober 1880 trat er beim
Bruckmannschen Verlage ein. hier begründete er die
„Runst für Alle", die heute so berühmte Runstzeitschrift,
mit der er ganz neue Wege in der Runstliteratur beschritt.
Ursprünglich als deren Redakteur tätig, war er seit fünf-
zehn Jahren deren Herausgeber. Mit einer ganz hervor-
ragenden Geschäftstüchtigkeit und souveränen Beherrschung
seines Arbeitsgebietes ausgerüstet, erweiterte er das Feld
seiner Tätigkeit allmählich so, daß er im Verein mit den
besten Mitarbeitern den Kunstverlag F. Bruckmann A.-G.
und die damit verbundene Photographische Union zu einem
der ersten der Welt zu machen wußte. Fritz Schwartz ver-
band mit einem hervorragenden, sicheren Kunstsinn und
Geschmack einen eigenartigen Spürsinn für verborgene
Perlen der Kunst, der ihm beispielsweise in der Suche
nach Werken Böcklins die glücklichsten Funde bescherte.
Ausgezeichnet unterrichtet auf dem Gebiete des photo-
graphischen Verlagsrechtes, hat er auch hier verdienstlich
gewirkt und ist wiederholt den gesetzgeberischen Faktoren
im Reich beratend an die Hand gegangen. Eminenter
Tätigkeitsdrang und stärkste Arbeitskraft standen ihm zu
Gebote und halfen ihm jene Erfolge schaffen, die heute
als sein Werk glänzend dastehen, und die ihm die dauernde,
dankerfüllte Erinnerung seines Hauses sichern. Mit tiefster
Trauer blicken heute alle, die ihm beruflich nahe standen
und mit ihm arbeiteten, auf den allzufrühen, jähen Ab-
bruch dieses reichen Lebens hin.
von I892 ab gehörte Fritz Schwartz als Direktor dem
Vorstande der F. Bruckmann A.-G. an und seit dem Jahre
1909 stand er als Generaldirektor an der Spitze des ge-
samten Unternehmens.
Line treubesorgte Gattin, mit der er über 25 Jahre
verbunden war, verliert in ihm den allzeit herzlichen, liebe-
vollen Lebensgefährten. Seinen zahlreichen Freunden in
der Münchener Gesellschaft war er ungemein wert wegen
seines überaus verbindlichen, zu Rat und freundlicher Hilfe-
leistung stets bereiten Wesens.
Die Leiche des Entschlafenen wird Donnerstag nach-
mittag 2 Uhr vom Schwabinger Friedhöfe zur Feuer-
bestattung nach Ulm überführt.
In der „Zittauer Morgenzeitung" lesen wir:
Lin Schwindel mit „Gelbildern" wird seit einiger
Zeit in der Lausitz ausgeführt. Dort suchen sogenannte
„akademische Kunstmaler" aus Berlin besonders Guts-
besitzer heim. Sie erzählen, sie gäben im Auftrage einer
angesehenen Gesellschaft ein großes landwirtschaftliches
Werk für eine Ausstellung heraus; in dieses Werk fänden
nur die schönsten Güter Aufnahme. Gleichzeitig wird den
betreffenden Gutsbesitzern, um sie sicher zu machen, ein
Fragebogen vorgelegt, worin Angaben über die Anzahl der
zum Gute gehörigen Felder, Wälder, wiesen, Pferde, Rinder
usw. verlangt werden. Die Besitzer fühlen sich oft dadurch,
daß gerade ihr Gut als eines der schönsten in dem „be-
deutenden" Werk Aufnahme finden soll, sehr geschmeichelt.
Sie füllen den Fragebogen aus und erteilen dann gewöhn-
lich noch dem „Kunstmaler" Auftrag auf ein Velbild des
Gutes zum Preise von HO—100 Mk. von dem Preise ist
ein erheblicher Teil sofort zu bezahlen. Darauf ist es nur
abgesehen. Lin Werk erscheint überhaupt nicht, und wenn
ein Bild tatsächlich geliefert wird, so stellt es sich als ein
völlig wertloses Machwerk, eine mit Anilinfarben
schlecht kolorierte Photographie heraus. Es sei daher vor
diesem neuesten Trick nachdrücklichst gewarnt.
In der „Neuen Freien Presse" lesen wir:
Or. Gustav Glück erhielt den Titel und Charakter
eines Direktors der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien.
Direktor Glück ist ein hervorragender Schüler wickhoffs;
er hat auch bei Justi und Thode gearbeitet. Zum ersten-
mal übernimmt ein Kunsthistoriker von Ruf die Leitung
der kaiserlichen Gemäldegalerie, deren Direktion bisher
Künstler innehatten, vorGlückder Historienmalern.Lngerth
und der noch in voller Frische tätige Landschafter S ch äffer.
Der Kunstkenner hatte bisher neben dem Maler die zweite
Rolle zu spielen; nunmehr rückt er an die erste Stelle.
Or. Glücks bisherige Arbeiten zeichnen sich durch große
Sachkenntnis und selbständige, oft originelle Auffassung
aus. Seine große Monographie über die Wiener Bilder
Peter Breughels des Aelteren hat sich die Anerkennung
aller Fachmänner erworben; seine Publikation über Schon-
gauer, die anläßlich der Rückkehr eines wichtigen Werkes
dieses Meisters nach Wien entstanden ist, charakterisiert die
Stellung Glücks im wiener Kunstleben. Alle österreichischen
Sammler schätzen ihn als liebenswürdigen Führer und
Berater. Auch einige Erwerbungen aus den letzten Jahren
für die kaiserliche Gemäldegalerie beweisen eine glückliche
Hand. Das größte Verdienst hat er sich mit der Neuauf-
stellung der Gemäldegalerie erworben, in der bisher viele
Meister, wie zum Beispiel die Bassanos, durch die Zahl
ihrer Werke imponierten oder imponieren sollten. Er hat
es verstanden, auch in den großen, allzugroßen Oberlicht-
sälen intimere Bildwirkungen zu erzielen. In den Seiten-
lichtkabinetten hat er die führenden Meister, Raffael und