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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/​1914

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2

Die Werkstatt der Kunst.

XIII, Heft s.

für oder gegen die Interessen der Musiker tätig
ist, hat der Hauxtausschuß nicht zu prüfen gehabt;
es genügt, daß die für die bildenden Künstler
geplante Unternehmung in deren Interesse wirken
sollte. Die auf gegenteiliger Ansicht beruhenden
Angriffe gegen Herrn v. Bülow und die hinter ihm
stehende Kommission zur Vorbereitung eines Reichs-
ausschusses für die wirtschaftlichen Interessen der

bildenden Künstler beruhen auf ungenügender In-
formation.
Hiermit ist die Angelegenheit für uns endgültig
erledigt.
Allgemeine Deutsche Aunstgensssenschast.
Der h auptaussch.uß.
t?rok. tVlLNLel, ?rok. Lari vLUAkLmmsr,
I. Vorsitzender. I. Schriftführer.

Redaktioneller Teil.
2um Sckulz clcr Sittlichkeit

rv. Zu einem Skandal ohnegleichen, zu einer Orgie der
Engherzigkeit und Prüderie, zu einer unglaublichen Kräh-
winkelei scheint sich neuerdings das vorgehen der Behörden
gegen sogenannte „unzüchtige" Bilder auswachsen zu wollen,
vor den zartbesaiteten Nasen der Herren Sittlichkeitspriester
ist nachgerade nichts mehr sicher, was an neuen oder alten
Kunstwerken in der Welt existiert. Da man an die Ori-
ginale, die — o Schrecken — zum großen Teil im Besitze
königlicher Sammlungen sind, leider, leider nicht heran-
kann, so vergreift man sich ungestört und ungeniert an
den photographischen Wiedergaben. Daß die Photographien
solcher Kunstwerke, die den menschlichen Körper in seiner
ganzen fürchterlichen, totbringenden, vergiftenden Nacktheit
zeigen, ohne weiteres der Beschlagnahme verfallen, braucht
dem wirklich modern und gesund empfindenden, dem in
kulturellen Dingen auf der höhe seiner Zeit stehenden Men-
schen nicht erst gesagt zu werden, haben wir doch erfahren,
daß derartige Scheußlichkeiten von Tizian, Giorgione, Ru-
bens und, um neuere zu nennen, von Otto Greiner und
Müller-Schönefeld vor wenigen Wochen von Berlin aus für
anstößig und das Schamgefühl gröblich verletzend erklärt
worden sind! Aber es geht weiter! Die Leute von der
geistigen und sittlichen höhe der Herren Rören und Ge
nossen machen mehr und mehr Schule. Der Geigerfche
Bogenschütze, der bekanntlich bedauerlicherweise keine Hosen
anhat, das Brunowsche Wäschermädel, das unanständiger-
weise gewisse, dem Herrn Staatsanwalt offenbar sehr ge-
fährlich erscheinende Partien seines Oberkörpers und außer-
dem seine Füße in geradezu empörender Unverfrorenheit
unbekleidet den Beschauer sehen läßt, die von Max Klein
geschaffene, vor der Nationalgalerie aufgestellte, weibliche
Brunnenfigur, die „Schiffbrüchigen" von Berwald-Schwerin,
die „Zwei Menschen" von Sinding und „Der Kuß" von Rodin
— sie alle und viele andere sind der rächenden Hand der Ge-
rechtigkeit verfallen. Der Herausgeber der diese Kunstwerke
wiedergebenden Postkarten, Herr Friedrich O. Wolter in
Berlin, ist unter Anklage gestellt, die Postkarten sind am
t8. d. M. von dem Landgericht I Berlin für „unzüchtig"
erklärt worden. Und selbst Anselm Feuerbach ist end-
lich als Hersteller gemeiner und die öffentliche Sittlichkeit
gefährdender Machwerke von dem Herrn Staatsanwalt zu
Berlin erkannt und für alle Zeiten festgenagelt worden!
Gegen den Inhaber eines Ladens in Berlin, der eine
farbige Reproduktion der „Ruhenden Nymphe" von Feuer-
bach aus der „Jugend" im Schaufenster ausgestellt hatte,
ist wegen Feilhaltens unzüchtiger Bilder Anklage erhoben
worden. In der Anklage heißt es:
„Material und Ausführung ist derart, daß beim Be-
trachten nicht ein künstlerisches Empfinden ausgelöst, sondern
lediglich die Ueberzeugung erweckt wird, daß unter dem
Deckmantel der Kunst durch den nackten Frauenkörper die
Sinnlichkeit des Betrachters erregt werden soll."
Die Ladung von Sachverständigen hat das Gericht, vor
dem am 27. d. M. Termin in dieser herrlichen Sache an-
steht, abgelehnt. Angesichts solcher geradezu unerhörter,
das ganze deutsche Volk beleidigender und herabwürdigen-
der Vorgänge erscheint denn doch eine energische und ge-
schlossene Abwehr gegen den Geist der Frömmelei und des

finstersten Muckertums, dem jedes, aber auch jedes Ver-
ständnis für die Schönheit und den Ewigkeitswert der Kunst,
jedes Unterscheidungsvermögen in bezug auf reine Kunst
und den erbärmlichsten Kinoschund völlig fehlt, dringend
geboten! Auf solche weise wird den Bestrebungen, wahr-
haft guter und veredelnder Kunst Eingang in die weitesten
Volkskreise zu schaffen, das Wasser abgegraben. Iuvusc^ue-
tauckem!
^eitungssckau
Ueber die vom „Sturm " am tfi. September unter dem
bescheidenen Titel „Erster Deutscher herb st salon" in
Berlin eröffnete Ausstellung schreibt Max Osborn in der
„B. Z. am Mittag":
„Kandinsky, dem wieder großer Raum gewährt
wird, scheint mir immer rettungsloser im Spintisieren zu
versinken. Nicht minder die Kubisten, die in so großer
Zahl anmarschieren, daß sie die ganze Ausstellung be-
herrschen. Die ganze Gilde bohrt sich ohne Erbarmen in
nüchterne Kalkulationen ein. Ihre Grundidee hängt mit
den tiefsten wünschen zusammen, die der Wandel der An-
schauung heraufbeschwor. Mit einem Lachen über ihre
krampfhaft konstruierten Gebilde ist es nicht getan. Lin
Bild wie die Prozession von Francis Picabia in Paris
beweist deutlich genug, daß ein begabter Künstler mit
dieser Methode tatsächlich etwas vom eigentümlichen
Rhythmus des modernen Lebens, der nicht im Roman-
tischen, sondern im Mechanischen wurzelt, fassen kann.
Aber die Mehrzahl der andern, vom Großmeister Jean
Metzinger angefangen, versteift sich auf geometrisierende
Zerschneidungen, die jedes Empfinden töten. Man braucht
durchaus nicht an der Nachahmung der Natur zu kleben
(das haben große Künstler nie getan); aber diese mathe-
matische Mystik führt lediglich in eine Pedanterie. Manch-
mal interessieren gleichwohl farbige Details; doch die her-
rischen Systeme der kubischen Zerlegungen stören das nach
Malerei suchende Auge immer wieder. Ls ist kein Pro-
blem, sondern eine Sackgasse.
Ganz schlimm aber sind die Italiener, die den -Futu-
rismus' erfunden haben. Das ist aufgeplusterte ,Geistig-
keit' bis zum Kitsch, vor der man ruhig lachen kann. Ich
rede nicht von den albernen Titeln (,aufsteigende plastische
Konstruktion', ,Zentrifugale Kräfte', .Fortsetzung der Häuser
in den Himmel' u. dgl.); das könnte hingehen. Aber sie
treiben Absichtlichkeiten, die verstimmen."
w. Pastor sagt aus demselben Anlaß in der „Täg-
lichen Rundschau":
„In solchen Massen hat man Leinewauden von Futu-
risten, Kubisten, Expressionisten usw. usw. noch nicht bei-
sammen gesehen, und das ist gut so, denn bei dieser An-
häufung kann auch der Gutwilligste sich überzeugen, wie
traurig arm an Einfällen diese philiströseste aller Kunst-
revolutionen ist. In der prophetisch tiefsinnigen Vorrede
des Katalogs finden sich Sätze wie diese: .Nachahmung
kann nie Kunst sein, ob sie nun von den Bildern oder
von der Natur genommen ist. Diese affenhafte Fähigkeit
vermißt man nun bei den Künstlern der Gegenwart . . .
 
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