Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/1914
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Die Werkstatt der Rrmst.
XIII, Heft 9.
516
Redaktioneller Teil.
2«itur>gsk<i>a»i
Dem „Berliner Tageblatt" wird aus Weimar
geschrieben: Weimar, das noch immer gepriesene und
gesuchte Eden unserer Dichtersleute, die sich ohne Haß vor
der Welt verschließen wollen, wird demnächst um ein
Monument der Unsterblichkeit reicher sein. Das Denk-
zeichen für Ernst v. Wildenbruch — auch einer von denen,
die die Andacht für Weimars große Vergangenheit hierher
zog — steht im Atelier des seit dem t- Oktober an unserer
Hochschule wirkenden Bildhauers Prof. Richard Engel-
mann im Entwürfe fertig da. Noch einige Monde, und
dies Werk einer freischaltenden Phantasie wird im soge-
nannten Poseckschen Garten, unweit des Friedhofs und der
Fürstengruft, wo Goethes und Schillers Gebeine ruhen,
unter rauschenden Bäumen Aufstellung finden.
Das Werk einer freischaltenden Phantasie darf man
Engelmanns Wildenbruchdenkmal nennen, weil es, von
allem Körperlichen abstrahierend, den geistigen Typus des
Helden im Symbol verewigen will. Man sieht sich einer
nackten Jünglingsgestalt im Helmschmuck gegenüber, die
in jubelndem Drang vorwärts stürmen will. Line ent-
flammte Seele, die der Menschheit Wege bahnen, ein jung-
froher Held, der einen bösen Feind zerschmettern will.
Denn die Rechte faßt heftig nach dem Schwert, das funkelnd
sogleich das Dunkel der Scheide verlassen wird, das wetter-
leuchten wird über den Köpfen der Widersacher, das winken
und strahlen wird den zaudernden Gerechten dahinten und
sie aufrufen und scharen zum Sturm gegen das schwarze
Gewimmel, das wie eine Mauer gegen den Durchbruch
des Wahren, Guten und Schönen auf der Erde steht. . . .
Das ist Engelmanns Wildenbruch. Kein leierschlagen-
der Dichter, der die Welt mit einem Reichtum an Tönen
entzückte. Kein shakespeareähnlicher Theatermann, heim-
gesucht von wechselnden Gestalten und Geschichten. Kein
verklärter Weiser auch, dem alles vergängliche zum an-
deutenden Gleichnis wird, kein Sehnsuchtszerrissener, dessen
schwankes Gefäß am harten Leben zerbricht. . . . Sondern
ein Jünglingsherz, das jauchzend und . . . ahnungslos
ins Leben stürmt, die Schönheit, die Liebe, die Freude zu
erjagen, sich und allen.
Dies Werk erzählt uns mehr von Wildenbruch als
eine noch so meisterlich geschaffene Porträtbüste, als ein
noch so feierlich posiertes Dichterstandbild je gekonnt hätte.
Darum ist das Werk dem Meister zu danken. Ls erzählt
etwas. Auch dem, der, von Goethes Grabstätte kommend,
vor diesem Wildenbruchdenkmal erstaunt aufschauend Halt
machen wird. Erzählt ihm, daß nicht nur in beschaulicher
Ruhe und andächtiger Versenkung ins Weltgeschehen die
Seligkeit und der wert des Lebens einbeschlossen liegt,
sondern auch in der stürmischen Umarmung, im anbrausen-
den Genuß, im klirrenden Waffenkampf.
Dem „Berliner Börsen-Lourier" wird über die
letzten Schöpfungen Reinhold Begas' von einer Per
sönlichkeit, die dem verstorbenen Künstler nahestand, mit-
geteilt:
Bereits seit einigen Jahren hielt Prof. Reinhold Begas,
der seinen Zustand nur zu genau kannte und sich darüber
keinen falschen Hoffnungen hingab, sein Lebenswerk für
vollendet. Dennoch trieb es ihn immer wieder in sein
großes Atelier; er konnte nicht untätig sein und wollte
auch dann noch nicht untätig bleiben, als seine Kraft längst
erlahmt war und seine Schwäche ihn außerstand setzte,
den Meißel selbst zu führen. Und trotzdem ist in den
letzten Jahren noch manches Neue entstanden, wenn auch
nicht mehr in der allerletzten Zeit. Allerdings handelt es
sich hierbei meist um Varianten aus jener Epoche, in der
er noch unter dem Einfluß Anselm Feuerbachs stand. So
schuf er in seinem 79. Lebensjahre jenes Werk, das er mit
dem Namen „Tanzpause" belegte, und das der Geffent-
lichkeit nie bekannt geworden ist, weil es aus dem Atelier
direkt in die Privatsammlung eines kunstverständigen
Mäzens geschafft wurde. Auch bei dieser Schöpfung hat er
nur mehr das Modellierholz geführt, die Ausführung über-
ließ er dem alten Steinmetzen Geritz, seinem Freund und
vertrauten, der ihm seit fast einem halben Jahrhundert
zur Seite stand und seine ganzen künstlerischen Fähigkeiten
in den Dienst seines Meisters stellte. Aus den letzten Jahren
stammt auch der „Prometheus", jene wuchtige Riesengestalt,
sein allerletztes Werk aber, das er nicht mehr vollendet
hat, ist der Entwurf zu einem köstlichen Tafelaufsatz in
Form eines Springbrunnens. Der jugendliche Herkules,
der auf einem Schilde ruht, hat die Schlange, die ihn be-
drängt hat, überwunden, und sein kräftiger Kinderarm
hält sie am Halse fest. Aus ihrem geöffneten Rachen sollte
ein Heller Wasserstrahl hinaufschießen, um als Wolke wieder
auf die breite Schale niederzufallen. Für die große Kom-
position „Eva mit Kain und Abel" hat Begas nunmehr
seinem Freunde Geritz die notwendigen Anordnungen ge-
geben. Sie ist eine Variante eines Seilenreliefs von seinem
Humboldtdenkmal in Berlin. Im Gegensatz zu Rodin
hatte Reinhold Begas, der es liebte, selbst die ersten Ent-
würfe gleich in Ton zu arbeiten, den Bleistift mehr und
mehr vernachlässigt. Und da er leider für feine eigenen
Werke nicht jene Pietät besaß, die er für den geringsten
Strich seiner Freunde Feuerbach und Menzel besaß, so ist
viel verloren gegangen von all den Sachen, die heute für
uns doppelt unersetzbar sind.
Begas hatte in den letzten Jahren, namentlich auf
Anraten und Drängen seiner Freunde, mehrmals versucht,
seine Memoiren niederzulegen, sein Gedächtnis hatte aber
nachzulassen begonnen, wichtige Briefe und Dokumente
waren verloren gegangen, schließlich starb auch sein Mit-
arbeiter, dem er die Memoiren diktierte, und es wurde so
gut wie nichts daraus.
Ulisei'ö tieulige SMgs. iliö Mvlinei' kunstteelin. Mie? kik. 8.
bat kolbenden lubalt: Nikrosbopiscbe vntersucbuu-
Aen über die in den versebiedenen Luustperi-
oden der Malerei verwendeten Karbstolle. Von
krok. Or. K. Uaeblrnann in ^Veirnar. (4. Kortset^nnZ.)
— k. Kaurie über das Van Kyclr-Nedinrn. Nit-
Zeteilt von L. L. (Lcbluss.) — KlLlnnco-MalZrnnd.
— Kin neues ^natoinie-^Verlc.
vermischter Nachrichtenleil.
Geplante Ausstellungen
Berlin, (werckmeisters Kunsthandlung.) Im De-
zember folgt eine Ausstellung graphischer Arbeiten von
Künstlerinnen unter Leitung des Lyzeumklubs. Die Ar-
beiten sind mit Preisangabe bis zum 2H. November
bei werckmeister, Kronenstr. 58, einzuliefern.
Düsseldorf. (Die große rheinische Kunstausstellung
in Düsseldorf.) Für das Jahr t9l5 wird, wie bereits mit-
geteilt, in Düsseldorf eine rheinische retrospektive Kunstausstel-
XIII, Heft 9.
516
Redaktioneller Teil.
2«itur>gsk<i>a»i
Dem „Berliner Tageblatt" wird aus Weimar
geschrieben: Weimar, das noch immer gepriesene und
gesuchte Eden unserer Dichtersleute, die sich ohne Haß vor
der Welt verschließen wollen, wird demnächst um ein
Monument der Unsterblichkeit reicher sein. Das Denk-
zeichen für Ernst v. Wildenbruch — auch einer von denen,
die die Andacht für Weimars große Vergangenheit hierher
zog — steht im Atelier des seit dem t- Oktober an unserer
Hochschule wirkenden Bildhauers Prof. Richard Engel-
mann im Entwürfe fertig da. Noch einige Monde, und
dies Werk einer freischaltenden Phantasie wird im soge-
nannten Poseckschen Garten, unweit des Friedhofs und der
Fürstengruft, wo Goethes und Schillers Gebeine ruhen,
unter rauschenden Bäumen Aufstellung finden.
Das Werk einer freischaltenden Phantasie darf man
Engelmanns Wildenbruchdenkmal nennen, weil es, von
allem Körperlichen abstrahierend, den geistigen Typus des
Helden im Symbol verewigen will. Man sieht sich einer
nackten Jünglingsgestalt im Helmschmuck gegenüber, die
in jubelndem Drang vorwärts stürmen will. Line ent-
flammte Seele, die der Menschheit Wege bahnen, ein jung-
froher Held, der einen bösen Feind zerschmettern will.
Denn die Rechte faßt heftig nach dem Schwert, das funkelnd
sogleich das Dunkel der Scheide verlassen wird, das wetter-
leuchten wird über den Köpfen der Widersacher, das winken
und strahlen wird den zaudernden Gerechten dahinten und
sie aufrufen und scharen zum Sturm gegen das schwarze
Gewimmel, das wie eine Mauer gegen den Durchbruch
des Wahren, Guten und Schönen auf der Erde steht. . . .
Das ist Engelmanns Wildenbruch. Kein leierschlagen-
der Dichter, der die Welt mit einem Reichtum an Tönen
entzückte. Kein shakespeareähnlicher Theatermann, heim-
gesucht von wechselnden Gestalten und Geschichten. Kein
verklärter Weiser auch, dem alles vergängliche zum an-
deutenden Gleichnis wird, kein Sehnsuchtszerrissener, dessen
schwankes Gefäß am harten Leben zerbricht. . . . Sondern
ein Jünglingsherz, das jauchzend und . . . ahnungslos
ins Leben stürmt, die Schönheit, die Liebe, die Freude zu
erjagen, sich und allen.
Dies Werk erzählt uns mehr von Wildenbruch als
eine noch so meisterlich geschaffene Porträtbüste, als ein
noch so feierlich posiertes Dichterstandbild je gekonnt hätte.
Darum ist das Werk dem Meister zu danken. Ls erzählt
etwas. Auch dem, der, von Goethes Grabstätte kommend,
vor diesem Wildenbruchdenkmal erstaunt aufschauend Halt
machen wird. Erzählt ihm, daß nicht nur in beschaulicher
Ruhe und andächtiger Versenkung ins Weltgeschehen die
Seligkeit und der wert des Lebens einbeschlossen liegt,
sondern auch in der stürmischen Umarmung, im anbrausen-
den Genuß, im klirrenden Waffenkampf.
Dem „Berliner Börsen-Lourier" wird über die
letzten Schöpfungen Reinhold Begas' von einer Per
sönlichkeit, die dem verstorbenen Künstler nahestand, mit-
geteilt:
Bereits seit einigen Jahren hielt Prof. Reinhold Begas,
der seinen Zustand nur zu genau kannte und sich darüber
keinen falschen Hoffnungen hingab, sein Lebenswerk für
vollendet. Dennoch trieb es ihn immer wieder in sein
großes Atelier; er konnte nicht untätig sein und wollte
auch dann noch nicht untätig bleiben, als seine Kraft längst
erlahmt war und seine Schwäche ihn außerstand setzte,
den Meißel selbst zu führen. Und trotzdem ist in den
letzten Jahren noch manches Neue entstanden, wenn auch
nicht mehr in der allerletzten Zeit. Allerdings handelt es
sich hierbei meist um Varianten aus jener Epoche, in der
er noch unter dem Einfluß Anselm Feuerbachs stand. So
schuf er in seinem 79. Lebensjahre jenes Werk, das er mit
dem Namen „Tanzpause" belegte, und das der Geffent-
lichkeit nie bekannt geworden ist, weil es aus dem Atelier
direkt in die Privatsammlung eines kunstverständigen
Mäzens geschafft wurde. Auch bei dieser Schöpfung hat er
nur mehr das Modellierholz geführt, die Ausführung über-
ließ er dem alten Steinmetzen Geritz, seinem Freund und
vertrauten, der ihm seit fast einem halben Jahrhundert
zur Seite stand und seine ganzen künstlerischen Fähigkeiten
in den Dienst seines Meisters stellte. Aus den letzten Jahren
stammt auch der „Prometheus", jene wuchtige Riesengestalt,
sein allerletztes Werk aber, das er nicht mehr vollendet
hat, ist der Entwurf zu einem köstlichen Tafelaufsatz in
Form eines Springbrunnens. Der jugendliche Herkules,
der auf einem Schilde ruht, hat die Schlange, die ihn be-
drängt hat, überwunden, und sein kräftiger Kinderarm
hält sie am Halse fest. Aus ihrem geöffneten Rachen sollte
ein Heller Wasserstrahl hinaufschießen, um als Wolke wieder
auf die breite Schale niederzufallen. Für die große Kom-
position „Eva mit Kain und Abel" hat Begas nunmehr
seinem Freunde Geritz die notwendigen Anordnungen ge-
geben. Sie ist eine Variante eines Seilenreliefs von seinem
Humboldtdenkmal in Berlin. Im Gegensatz zu Rodin
hatte Reinhold Begas, der es liebte, selbst die ersten Ent-
würfe gleich in Ton zu arbeiten, den Bleistift mehr und
mehr vernachlässigt. Und da er leider für feine eigenen
Werke nicht jene Pietät besaß, die er für den geringsten
Strich seiner Freunde Feuerbach und Menzel besaß, so ist
viel verloren gegangen von all den Sachen, die heute für
uns doppelt unersetzbar sind.
Begas hatte in den letzten Jahren, namentlich auf
Anraten und Drängen seiner Freunde, mehrmals versucht,
seine Memoiren niederzulegen, sein Gedächtnis hatte aber
nachzulassen begonnen, wichtige Briefe und Dokumente
waren verloren gegangen, schließlich starb auch sein Mit-
arbeiter, dem er die Memoiren diktierte, und es wurde so
gut wie nichts daraus.
Ulisei'ö tieulige SMgs. iliö Mvlinei' kunstteelin. Mie? kik. 8.
bat kolbenden lubalt: Nikrosbopiscbe vntersucbuu-
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oden der Malerei verwendeten Karbstolle. Von
krok. Or. K. Uaeblrnann in ^Veirnar. (4. Kortset^nnZ.)
— k. Kaurie über das Van Kyclr-Nedinrn. Nit-
Zeteilt von L. L. (Lcbluss.) — KlLlnnco-MalZrnnd.
— Kin neues ^natoinie-^Verlc.
vermischter Nachrichtenleil.
Geplante Ausstellungen
Berlin, (werckmeisters Kunsthandlung.) Im De-
zember folgt eine Ausstellung graphischer Arbeiten von
Künstlerinnen unter Leitung des Lyzeumklubs. Die Ar-
beiten sind mit Preisangabe bis zum 2H. November
bei werckmeister, Kronenstr. 58, einzuliefern.
Düsseldorf. (Die große rheinische Kunstausstellung
in Düsseldorf.) Für das Jahr t9l5 wird, wie bereits mit-
geteilt, in Düsseldorf eine rheinische retrospektive Kunstausstel-